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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.

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Benczur, Genremaler wie Gysis gestatten nur durch die Wahl ihrer Stoffe
einen Schluß auf ihre Nationalität. Malt einer von ihnen einmal eine Seine
aus dem bairischen Volksleben, fo deutet keine Spur darauf hin, daß sich ein
Ungar oder ein Grieche an einem ihm innerlich fremdartigen Stoffe versucht
hat. Am selbständigsten und eigenartigsten auf der Basis seines nationalen
Empfindens hat sich unter diesen Malern der Pole Josef Brandt entwickelt,
der jedoch nicht ausschließlich in der Pilotyschule herangebildet worden ist.

In der Gruppe der Ungarn steht durch seine Productivität und seine
Erfolge Alexander Liezen-Mayer, geboren am 24. Januar 1839 in Raab,
obenan. Nachdem er die Akademien von Wien und München besucht, trat er
1862 in das Atelier Pilotys ein, um sich dort als Historienmaler in großem
Stile auszubilden. Er begann diese Laufbahn mit einem Stoffe aus der un¬
garischen Geschichte, der "Krönung Karl Durazzos in Stuhlweißenburg". Aber
sowohl dieses Bild als das folgende, "Die Heiligsprechung der Landgräfin Elisa¬
beth von Thüringen", verriethen durchaus keine hervorragende Begabung für das
Fach der großen Historien, sondern sie legten durch die verständig abgewogene
Komposition und durch das glänzende und gediegene Colorit nur ein Zeugniß
dafür ab, daß der junge Maler sich alles sehr fleißig angeeignet, was in der
Schule Pilotys zu lernen war. Als er 1867 einen genrehaften Stoff behan¬
delte, eine gemüthvolle Episode aus dem Leben Maria Theresias (die Kaiserin
ein armes Kind stillend), schlug er einen Ton an, der ganz anders zu Herzen
drang als die geräuschvolle, aber kalte Jnstrumentation seiner Historienbilder.
In demselben Jahre begann er auch, sich tiefer in das Studium der deutschell
Classiker zu versenken und seinen gewandten Zeichenstift der Illustration, beson¬
ders von Goethe und Schiller, zu widmen. Zu gleicher Zeit machte er einige
Versuche in der Porträtmalern, die sowohl um ihrer coloristischen Vorzüge als
um ihrer scharfen Charakteristik willen solchen Beifall fanden, daß er 1870 zur
Ausführung verschiedener Porträtaufträge nach Wien berufen wurde, wo er bis
1872 blieb und u. a. auch den Kaiser Franz Josef malte. Nach München
zurückgekehrt, schuf er bis 1874 vier Gemälde, deren Stoffe classischen Dichtern
entlehnt waren: Jmogen und Jachimo nach Shakespeares "Cymbeline", Faust
und Gretchen vor der Kirche und im Garten, und Elisabeth, in Begriff das
Todesurtheil der Maria Stuart zu unterzeichnen. In dem letztern Bilde, welches
die Königin in schwarzem Gewände und in ganzer Figur, das scharf geschnittene,
adlerartige Profil dem Beschauer zugekehrt, darstellte, entfaltete er noch einmal
in der Behandlung der Stoffe seine ungewöhnliche coloristische Bravour, um
dann für lange Zeit der Oelmalerei Valet zu sagen. Die Königin Elisabeth
war allerdings so aufgefaßt, daß der Moment hart auf die Spitze getrieben
war, und wenn man das Bild längere Zeit oder mehrere Male nach einander


Benczur, Genremaler wie Gysis gestatten nur durch die Wahl ihrer Stoffe
einen Schluß auf ihre Nationalität. Malt einer von ihnen einmal eine Seine
aus dem bairischen Volksleben, fo deutet keine Spur darauf hin, daß sich ein
Ungar oder ein Grieche an einem ihm innerlich fremdartigen Stoffe versucht
hat. Am selbständigsten und eigenartigsten auf der Basis seines nationalen
Empfindens hat sich unter diesen Malern der Pole Josef Brandt entwickelt,
der jedoch nicht ausschließlich in der Pilotyschule herangebildet worden ist.

In der Gruppe der Ungarn steht durch seine Productivität und seine
Erfolge Alexander Liezen-Mayer, geboren am 24. Januar 1839 in Raab,
obenan. Nachdem er die Akademien von Wien und München besucht, trat er
1862 in das Atelier Pilotys ein, um sich dort als Historienmaler in großem
Stile auszubilden. Er begann diese Laufbahn mit einem Stoffe aus der un¬
garischen Geschichte, der „Krönung Karl Durazzos in Stuhlweißenburg". Aber
sowohl dieses Bild als das folgende, „Die Heiligsprechung der Landgräfin Elisa¬
beth von Thüringen", verriethen durchaus keine hervorragende Begabung für das
Fach der großen Historien, sondern sie legten durch die verständig abgewogene
Komposition und durch das glänzende und gediegene Colorit nur ein Zeugniß
dafür ab, daß der junge Maler sich alles sehr fleißig angeeignet, was in der
Schule Pilotys zu lernen war. Als er 1867 einen genrehaften Stoff behan¬
delte, eine gemüthvolle Episode aus dem Leben Maria Theresias (die Kaiserin
ein armes Kind stillend), schlug er einen Ton an, der ganz anders zu Herzen
drang als die geräuschvolle, aber kalte Jnstrumentation seiner Historienbilder.
In demselben Jahre begann er auch, sich tiefer in das Studium der deutschell
Classiker zu versenken und seinen gewandten Zeichenstift der Illustration, beson¬
ders von Goethe und Schiller, zu widmen. Zu gleicher Zeit machte er einige
Versuche in der Porträtmalern, die sowohl um ihrer coloristischen Vorzüge als
um ihrer scharfen Charakteristik willen solchen Beifall fanden, daß er 1870 zur
Ausführung verschiedener Porträtaufträge nach Wien berufen wurde, wo er bis
1872 blieb und u. a. auch den Kaiser Franz Josef malte. Nach München
zurückgekehrt, schuf er bis 1874 vier Gemälde, deren Stoffe classischen Dichtern
entlehnt waren: Jmogen und Jachimo nach Shakespeares „Cymbeline", Faust
und Gretchen vor der Kirche und im Garten, und Elisabeth, in Begriff das
Todesurtheil der Maria Stuart zu unterzeichnen. In dem letztern Bilde, welches
die Königin in schwarzem Gewände und in ganzer Figur, das scharf geschnittene,
adlerartige Profil dem Beschauer zugekehrt, darstellte, entfaltete er noch einmal
in der Behandlung der Stoffe seine ungewöhnliche coloristische Bravour, um
dann für lange Zeit der Oelmalerei Valet zu sagen. Die Königin Elisabeth
war allerdings so aufgefaßt, daß der Moment hart auf die Spitze getrieben
war, und wenn man das Bild längere Zeit oder mehrere Male nach einander


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[0196] Benczur, Genremaler wie Gysis gestatten nur durch die Wahl ihrer Stoffe einen Schluß auf ihre Nationalität. Malt einer von ihnen einmal eine Seine aus dem bairischen Volksleben, fo deutet keine Spur darauf hin, daß sich ein Ungar oder ein Grieche an einem ihm innerlich fremdartigen Stoffe versucht hat. Am selbständigsten und eigenartigsten auf der Basis seines nationalen Empfindens hat sich unter diesen Malern der Pole Josef Brandt entwickelt, der jedoch nicht ausschließlich in der Pilotyschule herangebildet worden ist. In der Gruppe der Ungarn steht durch seine Productivität und seine Erfolge Alexander Liezen-Mayer, geboren am 24. Januar 1839 in Raab, obenan. Nachdem er die Akademien von Wien und München besucht, trat er 1862 in das Atelier Pilotys ein, um sich dort als Historienmaler in großem Stile auszubilden. Er begann diese Laufbahn mit einem Stoffe aus der un¬ garischen Geschichte, der „Krönung Karl Durazzos in Stuhlweißenburg". Aber sowohl dieses Bild als das folgende, „Die Heiligsprechung der Landgräfin Elisa¬ beth von Thüringen", verriethen durchaus keine hervorragende Begabung für das Fach der großen Historien, sondern sie legten durch die verständig abgewogene Komposition und durch das glänzende und gediegene Colorit nur ein Zeugniß dafür ab, daß der junge Maler sich alles sehr fleißig angeeignet, was in der Schule Pilotys zu lernen war. Als er 1867 einen genrehaften Stoff behan¬ delte, eine gemüthvolle Episode aus dem Leben Maria Theresias (die Kaiserin ein armes Kind stillend), schlug er einen Ton an, der ganz anders zu Herzen drang als die geräuschvolle, aber kalte Jnstrumentation seiner Historienbilder. In demselben Jahre begann er auch, sich tiefer in das Studium der deutschell Classiker zu versenken und seinen gewandten Zeichenstift der Illustration, beson¬ ders von Goethe und Schiller, zu widmen. Zu gleicher Zeit machte er einige Versuche in der Porträtmalern, die sowohl um ihrer coloristischen Vorzüge als um ihrer scharfen Charakteristik willen solchen Beifall fanden, daß er 1870 zur Ausführung verschiedener Porträtaufträge nach Wien berufen wurde, wo er bis 1872 blieb und u. a. auch den Kaiser Franz Josef malte. Nach München zurückgekehrt, schuf er bis 1874 vier Gemälde, deren Stoffe classischen Dichtern entlehnt waren: Jmogen und Jachimo nach Shakespeares „Cymbeline", Faust und Gretchen vor der Kirche und im Garten, und Elisabeth, in Begriff das Todesurtheil der Maria Stuart zu unterzeichnen. In dem letztern Bilde, welches die Königin in schwarzem Gewände und in ganzer Figur, das scharf geschnittene, adlerartige Profil dem Beschauer zugekehrt, darstellte, entfaltete er noch einmal in der Behandlung der Stoffe seine ungewöhnliche coloristische Bravour, um dann für lange Zeit der Oelmalerei Valet zu sagen. Die Königin Elisabeth war allerdings so aufgefaßt, daß der Moment hart auf die Spitze getrieben war, und wenn man das Bild längere Zeit oder mehrere Male nach einander

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695/196>, abgerufen am 28.12.2024.