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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal.

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Berufe nach zwischen beiden Parteien, obwohl in der Praxis meistens mehr
auf Seiten des Arbeiters. Doch ist er gerade auch wieder der Mann, welcher
in dem Bezirke des Schiedsgerichts am besten in der Lage ist, die Fehler der
Arbeiter wie der Arbeitgeber zu würdigen. Er kennt genau diejenigen Fabriken,
in welchen seine Anordnungen stritte befolgt werden, und solche, wo sie nur so
lange befolgt werden, als er selber in Sicht ist, und wo man bei seinem jedes¬
maligen Erscheinen schnell die Beschwernngssteine vom Dmnpsventil hinweg¬
räumt und die Fadenkinder aus der Spinnerei schickt. Im übrigen ist er
auch Sachverständiger über den Unfall selbst. Endlich besitzt er genug Erfcchruug,
um durch Leichtsinn und Simulation des Arbeiters sich nicht besonders täuschen
zu lassen. Der Fabrikinspector ist entschieden dasjenige Element, welches das
obengenanttte Uebergewicht der Arbeitgeber zu Gunsten der Arbeiter paralysiert.
Wäre er Mitglied des Richtereollegiums, so würde jede Einseitigkeit vermieden
werden. Mau stelle sich ein gewerbliches Schiedsgericht vor, bestehend aus drei
reichen Fabrikherren, drei Arbeitern, dem juristischen Vorsitzenden und dem Fabrik¬
inspector. Es wird nicht ausbleiben, daß der juristische Vorsitzende mehr zu
seinen College" aus dein Fabrikantenstcmde als zu den Arbeitern gravitiert. Die
letzter" werden sich meistens nicht ganz dein Einflüsse entziehen können, welche
höhere gesellschaftliche Stellung und Bildung dem zünftigen Richter und dem
Fabrikanten verleiht; nicht ausgeschlossen ist, daß sie mitunter auch eine voll¬
ständig abgeschlossene Haltung einnehmen werden. Solchen Einfluß zu paralysieren
und solche Gegensätze zu vermitteln ist der Vorsitzende allein nicht ausreichend,
weil er nicht zu beiden Theilen gleiche directe Beziehungen hat, wohl aber der
Fabrikinspector. Er ist die Person, um welche sich die Arbeiter, der juri¬
stische Vorsitzende die, um welche sich die Arbeitgeber gruppieren werden.
Beide Gruppenhäupter tragen in sich sowohl die Bedingungen, um die beiden
Gruppen einander vermittelnd zu nähern, als auch sich persönlich gegenseitig
vor einer allzu einseitigen Hinneigung zu der einen oder andern Gruppe zu
bewahren. Die Gewähr zu eiuer möglichst sachlichen, gerechten Entscheidung
und objectiven Vermittlung liegt alsdann in dem Verhältnisse, daß der juristische
Vorsitzende nach der gesetzlichen, principiellen und formalen, der Fabrikinspector
nach der erfahrungsmäßigen, technischen und praktischen Seite hin wirkliche Be¬
ziehungen und Autorität gegenüber beiden Gruppen des Gerichts besitzt. In dieser
Weise würde am besten dem Mißstände eines Systems "unter uns" und der
einseitigen Interessenvertretung gesteuert werden. Selbstverständlich müßte dabei
die Stellung des Fabrikinspectors zu einer völlig unabhängigen gemacht werden,
auch könnten seine Befugnisse in Rücksicht auf die Schutzverbünde eine ent¬
sprechende Erweiterung erfahren. Wenn Baare meint, es empfehle sich, den
Gerichtshof für Haftpflichtprocesse -- an welchen nach fruchtloser Verhandlung


Berufe nach zwischen beiden Parteien, obwohl in der Praxis meistens mehr
auf Seiten des Arbeiters. Doch ist er gerade auch wieder der Mann, welcher
in dem Bezirke des Schiedsgerichts am besten in der Lage ist, die Fehler der
Arbeiter wie der Arbeitgeber zu würdigen. Er kennt genau diejenigen Fabriken,
in welchen seine Anordnungen stritte befolgt werden, und solche, wo sie nur so
lange befolgt werden, als er selber in Sicht ist, und wo man bei seinem jedes¬
maligen Erscheinen schnell die Beschwernngssteine vom Dmnpsventil hinweg¬
räumt und die Fadenkinder aus der Spinnerei schickt. Im übrigen ist er
auch Sachverständiger über den Unfall selbst. Endlich besitzt er genug Erfcchruug,
um durch Leichtsinn und Simulation des Arbeiters sich nicht besonders täuschen
zu lassen. Der Fabrikinspector ist entschieden dasjenige Element, welches das
obengenanttte Uebergewicht der Arbeitgeber zu Gunsten der Arbeiter paralysiert.
Wäre er Mitglied des Richtereollegiums, so würde jede Einseitigkeit vermieden
werden. Mau stelle sich ein gewerbliches Schiedsgericht vor, bestehend aus drei
reichen Fabrikherren, drei Arbeitern, dem juristischen Vorsitzenden und dem Fabrik¬
inspector. Es wird nicht ausbleiben, daß der juristische Vorsitzende mehr zu
seinen College» aus dein Fabrikantenstcmde als zu den Arbeitern gravitiert. Die
letzter» werden sich meistens nicht ganz dein Einflüsse entziehen können, welche
höhere gesellschaftliche Stellung und Bildung dem zünftigen Richter und dem
Fabrikanten verleiht; nicht ausgeschlossen ist, daß sie mitunter auch eine voll¬
ständig abgeschlossene Haltung einnehmen werden. Solchen Einfluß zu paralysieren
und solche Gegensätze zu vermitteln ist der Vorsitzende allein nicht ausreichend,
weil er nicht zu beiden Theilen gleiche directe Beziehungen hat, wohl aber der
Fabrikinspector. Er ist die Person, um welche sich die Arbeiter, der juri¬
stische Vorsitzende die, um welche sich die Arbeitgeber gruppieren werden.
Beide Gruppenhäupter tragen in sich sowohl die Bedingungen, um die beiden
Gruppen einander vermittelnd zu nähern, als auch sich persönlich gegenseitig
vor einer allzu einseitigen Hinneigung zu der einen oder andern Gruppe zu
bewahren. Die Gewähr zu eiuer möglichst sachlichen, gerechten Entscheidung
und objectiven Vermittlung liegt alsdann in dem Verhältnisse, daß der juristische
Vorsitzende nach der gesetzlichen, principiellen und formalen, der Fabrikinspector
nach der erfahrungsmäßigen, technischen und praktischen Seite hin wirkliche Be¬
ziehungen und Autorität gegenüber beiden Gruppen des Gerichts besitzt. In dieser
Weise würde am besten dem Mißstände eines Systems „unter uns" und der
einseitigen Interessenvertretung gesteuert werden. Selbstverständlich müßte dabei
die Stellung des Fabrikinspectors zu einer völlig unabhängigen gemacht werden,
auch könnten seine Befugnisse in Rücksicht auf die Schutzverbünde eine ent¬
sprechende Erweiterung erfahren. Wenn Baare meint, es empfehle sich, den
Gerichtshof für Haftpflichtprocesse — an welchen nach fruchtloser Verhandlung


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[0147] Berufe nach zwischen beiden Parteien, obwohl in der Praxis meistens mehr auf Seiten des Arbeiters. Doch ist er gerade auch wieder der Mann, welcher in dem Bezirke des Schiedsgerichts am besten in der Lage ist, die Fehler der Arbeiter wie der Arbeitgeber zu würdigen. Er kennt genau diejenigen Fabriken, in welchen seine Anordnungen stritte befolgt werden, und solche, wo sie nur so lange befolgt werden, als er selber in Sicht ist, und wo man bei seinem jedes¬ maligen Erscheinen schnell die Beschwernngssteine vom Dmnpsventil hinweg¬ räumt und die Fadenkinder aus der Spinnerei schickt. Im übrigen ist er auch Sachverständiger über den Unfall selbst. Endlich besitzt er genug Erfcchruug, um durch Leichtsinn und Simulation des Arbeiters sich nicht besonders täuschen zu lassen. Der Fabrikinspector ist entschieden dasjenige Element, welches das obengenanttte Uebergewicht der Arbeitgeber zu Gunsten der Arbeiter paralysiert. Wäre er Mitglied des Richtereollegiums, so würde jede Einseitigkeit vermieden werden. Mau stelle sich ein gewerbliches Schiedsgericht vor, bestehend aus drei reichen Fabrikherren, drei Arbeitern, dem juristischen Vorsitzenden und dem Fabrik¬ inspector. Es wird nicht ausbleiben, daß der juristische Vorsitzende mehr zu seinen College» aus dein Fabrikantenstcmde als zu den Arbeitern gravitiert. Die letzter» werden sich meistens nicht ganz dein Einflüsse entziehen können, welche höhere gesellschaftliche Stellung und Bildung dem zünftigen Richter und dem Fabrikanten verleiht; nicht ausgeschlossen ist, daß sie mitunter auch eine voll¬ ständig abgeschlossene Haltung einnehmen werden. Solchen Einfluß zu paralysieren und solche Gegensätze zu vermitteln ist der Vorsitzende allein nicht ausreichend, weil er nicht zu beiden Theilen gleiche directe Beziehungen hat, wohl aber der Fabrikinspector. Er ist die Person, um welche sich die Arbeiter, der juri¬ stische Vorsitzende die, um welche sich die Arbeitgeber gruppieren werden. Beide Gruppenhäupter tragen in sich sowohl die Bedingungen, um die beiden Gruppen einander vermittelnd zu nähern, als auch sich persönlich gegenseitig vor einer allzu einseitigen Hinneigung zu der einen oder andern Gruppe zu bewahren. Die Gewähr zu eiuer möglichst sachlichen, gerechten Entscheidung und objectiven Vermittlung liegt alsdann in dem Verhältnisse, daß der juristische Vorsitzende nach der gesetzlichen, principiellen und formalen, der Fabrikinspector nach der erfahrungsmäßigen, technischen und praktischen Seite hin wirkliche Be¬ ziehungen und Autorität gegenüber beiden Gruppen des Gerichts besitzt. In dieser Weise würde am besten dem Mißstände eines Systems „unter uns" und der einseitigen Interessenvertretung gesteuert werden. Selbstverständlich müßte dabei die Stellung des Fabrikinspectors zu einer völlig unabhängigen gemacht werden, auch könnten seine Befugnisse in Rücksicht auf die Schutzverbünde eine ent¬ sprechende Erweiterung erfahren. Wenn Baare meint, es empfehle sich, den Gerichtshof für Haftpflichtprocesse — an welchen nach fruchtloser Verhandlung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Viertes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157695/147>, abgerufen am 28.12.2024.