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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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beibringen lassen dürften. Auch in der ungemein sorgfältigen Ausführung des
Beiwerks, namentlich des landschaftlichen Hintergrundes, sind specifisch nordische
Einflüsse unverkennbar.

Von dem productiven Ferraresen Garofalo (1481 -- 1559) besitzt das
Museum von Neapel eine figurenreiche Compvsitivnderen Mittelpunkt Maria
mit dem Leichnam bildet, den sie aus dem Schoße liegen hat, mit der Rechten
seinen rechten Arm umfassend -- das Haupt des Todten befindet sich, abwei¬
chend von dein gewöhnlichen Schema, zu ihrer Linken -- während eine daneben
knieende weibliche Gestalt den Leichnam unter der linken Schulter stützt. Das
von Perugino verwendete Motiv der trauernden Frau, welche die Hände schmerz¬
voll erhebt, ist hier ins Pathetische gesteigert bei der links mit hocherhobenen
Armen in leidenschaftlicher Bewegung heraueilenden weiblichen Figur. Eine
Variation dieses Gemäldes von der Hand desselben Künstlers, in technischer
Beziehung demselben noch überlegen, besitzt die Galerie Borghese zu Rom**),
ein dritte Pieta, die uus jedoch weder im Original noch ans Abbildungen oder
Beschreibungen bekannt ist, die Brera zu Mailand (Ur. 177).

Thatsächlich später als das oben besprochene Gemälde des Cosimo Tura,
in stilistischer Hinsicht aber noch alterthümlicher wirkend ist ein Tafelgemälde
des ebenfalls unter Paduanischen Einfluß stehenden Filippo Mazzvla aus
Parma im Neapler Museum ^). Auch hier sitzt die Madonna auf dem offenen
Grabe und hält den Leichnam auf ihrem Schoße, mit der Linken ihn halb
emporrichtend. Fünf weibliche Heilige umgeben die Hauptgruppe, eine Berg¬
landschaft mit minutiös ausgeführter Vegetation bildet den Hintergrund. Die
Madonna ist von völlig matronalem Charakter, ihre Bewegung unfrei, das
lauge schwarze Gewand zeigt eine strenge, ja harte Behandlung, der Christns-
leichnam bei allgemeiner Correctheit des Anotomischen eine für die Entstehungs¬
zeit des Werkes auffallende Gebundenheit der Zeichnung.

Demselben Schema folgt, um andere zu übergehen, in der Hauptsache
auch Sodoma in dem schönen Fresco seiner Jugendzeit, welches sich im Re-
fecwrium der bei Siena gelegenen Kirche S. Anna in Creta befindet, sowie in
der mittleren der drei kleinen Darstellungen, welche die Predella der jetzt in der
Pinakothek zu Siena aufbewahrten berühmten Kreuzabnahme schmücken.

Eine ziemlich lange Reihe zum Theil bedeutender Pietädarstellungen hat
Venedig aufzuweisen; nicht sowohl auf dem Gebiete der Plastik wie auf dem-





7. Saal Ur. 26; von Mündler (Burckhardts Cicerone, 3. Aufl., S. 1037 fg.) ebenso
wie die folgende Darstellung wohl kaum mit Recht angezweifelt.
**) 2. Saal Ur. 9.
***) 2. Saal Ur. 23; bezeichnet mit Künstlernamen und dem Datum 1600.

beibringen lassen dürften. Auch in der ungemein sorgfältigen Ausführung des
Beiwerks, namentlich des landschaftlichen Hintergrundes, sind specifisch nordische
Einflüsse unverkennbar.

Von dem productiven Ferraresen Garofalo (1481 — 1559) besitzt das
Museum von Neapel eine figurenreiche Compvsitivnderen Mittelpunkt Maria
mit dem Leichnam bildet, den sie aus dem Schoße liegen hat, mit der Rechten
seinen rechten Arm umfassend — das Haupt des Todten befindet sich, abwei¬
chend von dein gewöhnlichen Schema, zu ihrer Linken — während eine daneben
knieende weibliche Gestalt den Leichnam unter der linken Schulter stützt. Das
von Perugino verwendete Motiv der trauernden Frau, welche die Hände schmerz¬
voll erhebt, ist hier ins Pathetische gesteigert bei der links mit hocherhobenen
Armen in leidenschaftlicher Bewegung heraueilenden weiblichen Figur. Eine
Variation dieses Gemäldes von der Hand desselben Künstlers, in technischer
Beziehung demselben noch überlegen, besitzt die Galerie Borghese zu Rom**),
ein dritte Pieta, die uus jedoch weder im Original noch ans Abbildungen oder
Beschreibungen bekannt ist, die Brera zu Mailand (Ur. 177).

Thatsächlich später als das oben besprochene Gemälde des Cosimo Tura,
in stilistischer Hinsicht aber noch alterthümlicher wirkend ist ein Tafelgemälde
des ebenfalls unter Paduanischen Einfluß stehenden Filippo Mazzvla aus
Parma im Neapler Museum ^). Auch hier sitzt die Madonna auf dem offenen
Grabe und hält den Leichnam auf ihrem Schoße, mit der Linken ihn halb
emporrichtend. Fünf weibliche Heilige umgeben die Hauptgruppe, eine Berg¬
landschaft mit minutiös ausgeführter Vegetation bildet den Hintergrund. Die
Madonna ist von völlig matronalem Charakter, ihre Bewegung unfrei, das
lauge schwarze Gewand zeigt eine strenge, ja harte Behandlung, der Christns-
leichnam bei allgemeiner Correctheit des Anotomischen eine für die Entstehungs¬
zeit des Werkes auffallende Gebundenheit der Zeichnung.

Demselben Schema folgt, um andere zu übergehen, in der Hauptsache
auch Sodoma in dem schönen Fresco seiner Jugendzeit, welches sich im Re-
fecwrium der bei Siena gelegenen Kirche S. Anna in Creta befindet, sowie in
der mittleren der drei kleinen Darstellungen, welche die Predella der jetzt in der
Pinakothek zu Siena aufbewahrten berühmten Kreuzabnahme schmücken.

Eine ziemlich lange Reihe zum Theil bedeutender Pietädarstellungen hat
Venedig aufzuweisen; nicht sowohl auf dem Gebiete der Plastik wie auf dem-





7. Saal Ur. 26; von Mündler (Burckhardts Cicerone, 3. Aufl., S. 1037 fg.) ebenso
wie die folgende Darstellung wohl kaum mit Recht angezweifelt.
**) 2. Saal Ur. 9.
***) 2. Saal Ur. 23; bezeichnet mit Künstlernamen und dem Datum 1600.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/70>, abgerufen am 23.07.2024.