Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

werden gereinigt und gelüftet, der Baarerlös festgestellt, auf telegraphischem
Wege dem Versender in New-Iork durch die englische Bank Zahlung ange¬
wiesen, und so ist das ganze Geschäft vom Oeffnen des Fleischschiffes im Hafen
an bis zum nächsten Montag Mittag, der Zahlungsstunde in New-Aork, fix
und fertig.

So anerkennenswerth diese Leistungen aber auch sind, von einem durch¬
greifend wohlthätigen und segensreichen Erfolge für die Bevölkerung Europas
im Großen dürfte wohl noch lange nicht die Rede sein, wenn es nicht gelingt,
mit gleicher Leichtigkeit und Sicherheit, statt der 2000 Stück ausgeschlachteten
Ochsen wöchentlich, deren 20000 täglich nach Europa zu schassen. Dann erst
wird Aussicht vorhanden fein, die Bevölkerung mit ausreichender und billiger
Fleischnahrung zu versehen. Heute ist das amerikanische Fleisch noch viel zu
theuer zur Volksernährung im großen Maßstabe; es ist nämlich kaum 6 --L
Procent billiger als einheimisches frisches Fleisch. Auch ist der Zwischenhändler-
Gewinn noch enorm hoch. Die gewünschte Aussicht ist nun aber wirklich vor¬
handen und zwar in Folge der Erfindung, Kälte anstatt durch Eis durch Com-
pression und Expansion der Luft zu erzeugen.

Zu leichterem Verständniß dieser Erfindung mögen zwei physikalische Ge¬
setze in Erinnerung gebracht sein. Erstens: Wenn Luft in einem abgeschlossenen
Raume möglichst schnell zusammengedrückt wird, so treten die schwingenden
Molleküle einander näher und das Bewegungsmoment eines jeden einzelnen
wird durch das der übrigen um so mehr unterstützt, je näher sie aneinander
kommen. Da sich dasselbe aber wegen der Raumverminderung nicht in der
Vergrößerung der Schwingungsweite zeigen kann, insofern der dazu nöthige
Spielraum sogar vermindert wird, so geschieht es durch Vermehrung der Schwin¬
gungszahl, d. h. die Luft wird wärmer als sie war, oder es wird Wärme frei.
Kann im Gegensatze hierzu die in einem geschlossenen Gefäße comprimirte Luft
schnell ausströmen, so daß sich ihr Raum erweitert, so vermindert sich die
Schwingungszahl ihrer Molleküle, d. h. die Luft wird kälter als sie war, oder
es wird Wärme gebunden. Zweitens: Die Menge des in einem bestimmten
Volumen Luft gasförmig enthaltenen Wassers hat für jeden Temperaturgrad
ein fest bestimmtes Maximum. Diese Feuchtigkeitskapacität der Luft steht in
directem Verhältniß zur Höhe ihrer Temperatur. Ein Kubikmeter Luft z. B.
vermag bei 0° Celsius etwa 5 Gramm Wasser aufzunehmen, bei 20° Celsius
17 Gramm und bei 100 - Celsius 592 Gramm u. s. f. Ist die Luft in einem
Raume mit einer hinreichenden Wassermenge in Bernburg, und hat sie jene
bestimmte Menge von Wasserdampf aufgenommen, so hört jede weitere Ver¬
dunstung auf, so viel anch an tropfbar flüssigem Wasser noch vorhanden sein
mag, und jede nun erfolgende Abkühlung der Luft giebt einen Niederschlag an


werden gereinigt und gelüftet, der Baarerlös festgestellt, auf telegraphischem
Wege dem Versender in New-Iork durch die englische Bank Zahlung ange¬
wiesen, und so ist das ganze Geschäft vom Oeffnen des Fleischschiffes im Hafen
an bis zum nächsten Montag Mittag, der Zahlungsstunde in New-Aork, fix
und fertig.

So anerkennenswerth diese Leistungen aber auch sind, von einem durch¬
greifend wohlthätigen und segensreichen Erfolge für die Bevölkerung Europas
im Großen dürfte wohl noch lange nicht die Rede sein, wenn es nicht gelingt,
mit gleicher Leichtigkeit und Sicherheit, statt der 2000 Stück ausgeschlachteten
Ochsen wöchentlich, deren 20000 täglich nach Europa zu schassen. Dann erst
wird Aussicht vorhanden fein, die Bevölkerung mit ausreichender und billiger
Fleischnahrung zu versehen. Heute ist das amerikanische Fleisch noch viel zu
theuer zur Volksernährung im großen Maßstabe; es ist nämlich kaum 6 —L
Procent billiger als einheimisches frisches Fleisch. Auch ist der Zwischenhändler-
Gewinn noch enorm hoch. Die gewünschte Aussicht ist nun aber wirklich vor¬
handen und zwar in Folge der Erfindung, Kälte anstatt durch Eis durch Com-
pression und Expansion der Luft zu erzeugen.

Zu leichterem Verständniß dieser Erfindung mögen zwei physikalische Ge¬
setze in Erinnerung gebracht sein. Erstens: Wenn Luft in einem abgeschlossenen
Raume möglichst schnell zusammengedrückt wird, so treten die schwingenden
Molleküle einander näher und das Bewegungsmoment eines jeden einzelnen
wird durch das der übrigen um so mehr unterstützt, je näher sie aneinander
kommen. Da sich dasselbe aber wegen der Raumverminderung nicht in der
Vergrößerung der Schwingungsweite zeigen kann, insofern der dazu nöthige
Spielraum sogar vermindert wird, so geschieht es durch Vermehrung der Schwin¬
gungszahl, d. h. die Luft wird wärmer als sie war, oder es wird Wärme frei.
Kann im Gegensatze hierzu die in einem geschlossenen Gefäße comprimirte Luft
schnell ausströmen, so daß sich ihr Raum erweitert, so vermindert sich die
Schwingungszahl ihrer Molleküle, d. h. die Luft wird kälter als sie war, oder
es wird Wärme gebunden. Zweitens: Die Menge des in einem bestimmten
Volumen Luft gasförmig enthaltenen Wassers hat für jeden Temperaturgrad
ein fest bestimmtes Maximum. Diese Feuchtigkeitskapacität der Luft steht in
directem Verhältniß zur Höhe ihrer Temperatur. Ein Kubikmeter Luft z. B.
vermag bei 0° Celsius etwa 5 Gramm Wasser aufzunehmen, bei 20° Celsius
17 Gramm und bei 100 - Celsius 592 Gramm u. s. f. Ist die Luft in einem
Raume mit einer hinreichenden Wassermenge in Bernburg, und hat sie jene
bestimmte Menge von Wasserdampf aufgenommen, so hört jede weitere Ver¬
dunstung auf, so viel anch an tropfbar flüssigem Wasser noch vorhanden sein
mag, und jede nun erfolgende Abkühlung der Luft giebt einen Niederschlag an


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0491" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/147585"/>
          <p xml:id="ID_1371" prev="#ID_1370"> werden gereinigt und gelüftet, der Baarerlös festgestellt, auf telegraphischem<lb/>
Wege dem Versender in New-Iork durch die englische Bank Zahlung ange¬<lb/>
wiesen, und so ist das ganze Geschäft vom Oeffnen des Fleischschiffes im Hafen<lb/>
an bis zum nächsten Montag Mittag, der Zahlungsstunde in New-Aork, fix<lb/>
und fertig.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1372"> So anerkennenswerth diese Leistungen aber auch sind, von einem durch¬<lb/>
greifend wohlthätigen und segensreichen Erfolge für die Bevölkerung Europas<lb/>
im Großen dürfte wohl noch lange nicht die Rede sein, wenn es nicht gelingt,<lb/>
mit gleicher Leichtigkeit und Sicherheit, statt der 2000 Stück ausgeschlachteten<lb/>
Ochsen wöchentlich, deren 20000 täglich nach Europa zu schassen. Dann erst<lb/>
wird Aussicht vorhanden fein, die Bevölkerung mit ausreichender und billiger<lb/>
Fleischnahrung zu versehen. Heute ist das amerikanische Fleisch noch viel zu<lb/>
theuer zur Volksernährung im großen Maßstabe; es ist nämlich kaum 6 &#x2014;L<lb/>
Procent billiger als einheimisches frisches Fleisch. Auch ist der Zwischenhändler-<lb/>
Gewinn noch enorm hoch. Die gewünschte Aussicht ist nun aber wirklich vor¬<lb/>
handen und zwar in Folge der Erfindung, Kälte anstatt durch Eis durch Com-<lb/>
pression und Expansion der Luft zu erzeugen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1373" next="#ID_1374"> Zu leichterem Verständniß dieser Erfindung mögen zwei physikalische Ge¬<lb/>
setze in Erinnerung gebracht sein. Erstens: Wenn Luft in einem abgeschlossenen<lb/>
Raume möglichst schnell zusammengedrückt wird, so treten die schwingenden<lb/>
Molleküle einander näher und das Bewegungsmoment eines jeden einzelnen<lb/>
wird durch das der übrigen um so mehr unterstützt, je näher sie aneinander<lb/>
kommen. Da sich dasselbe aber wegen der Raumverminderung nicht in der<lb/>
Vergrößerung der Schwingungsweite zeigen kann, insofern der dazu nöthige<lb/>
Spielraum sogar vermindert wird, so geschieht es durch Vermehrung der Schwin¬<lb/>
gungszahl, d. h. die Luft wird wärmer als sie war, oder es wird Wärme frei.<lb/>
Kann im Gegensatze hierzu die in einem geschlossenen Gefäße comprimirte Luft<lb/>
schnell ausströmen, so daß sich ihr Raum erweitert, so vermindert sich die<lb/>
Schwingungszahl ihrer Molleküle, d. h. die Luft wird kälter als sie war, oder<lb/>
es wird Wärme gebunden. Zweitens: Die Menge des in einem bestimmten<lb/>
Volumen Luft gasförmig enthaltenen Wassers hat für jeden Temperaturgrad<lb/>
ein fest bestimmtes Maximum. Diese Feuchtigkeitskapacität der Luft steht in<lb/>
directem Verhältniß zur Höhe ihrer Temperatur. Ein Kubikmeter Luft z. B.<lb/>
vermag bei 0° Celsius etwa 5 Gramm Wasser aufzunehmen, bei 20° Celsius<lb/>
17 Gramm und bei 100 - Celsius 592 Gramm u. s. f. Ist die Luft in einem<lb/>
Raume mit einer hinreichenden Wassermenge in Bernburg, und hat sie jene<lb/>
bestimmte Menge von Wasserdampf aufgenommen, so hört jede weitere Ver¬<lb/>
dunstung auf, so viel anch an tropfbar flüssigem Wasser noch vorhanden sein<lb/>
mag, und jede nun erfolgende Abkühlung der Luft giebt einen Niederschlag an</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0491] werden gereinigt und gelüftet, der Baarerlös festgestellt, auf telegraphischem Wege dem Versender in New-Iork durch die englische Bank Zahlung ange¬ wiesen, und so ist das ganze Geschäft vom Oeffnen des Fleischschiffes im Hafen an bis zum nächsten Montag Mittag, der Zahlungsstunde in New-Aork, fix und fertig. So anerkennenswerth diese Leistungen aber auch sind, von einem durch¬ greifend wohlthätigen und segensreichen Erfolge für die Bevölkerung Europas im Großen dürfte wohl noch lange nicht die Rede sein, wenn es nicht gelingt, mit gleicher Leichtigkeit und Sicherheit, statt der 2000 Stück ausgeschlachteten Ochsen wöchentlich, deren 20000 täglich nach Europa zu schassen. Dann erst wird Aussicht vorhanden fein, die Bevölkerung mit ausreichender und billiger Fleischnahrung zu versehen. Heute ist das amerikanische Fleisch noch viel zu theuer zur Volksernährung im großen Maßstabe; es ist nämlich kaum 6 —L Procent billiger als einheimisches frisches Fleisch. Auch ist der Zwischenhändler- Gewinn noch enorm hoch. Die gewünschte Aussicht ist nun aber wirklich vor¬ handen und zwar in Folge der Erfindung, Kälte anstatt durch Eis durch Com- pression und Expansion der Luft zu erzeugen. Zu leichterem Verständniß dieser Erfindung mögen zwei physikalische Ge¬ setze in Erinnerung gebracht sein. Erstens: Wenn Luft in einem abgeschlossenen Raume möglichst schnell zusammengedrückt wird, so treten die schwingenden Molleküle einander näher und das Bewegungsmoment eines jeden einzelnen wird durch das der übrigen um so mehr unterstützt, je näher sie aneinander kommen. Da sich dasselbe aber wegen der Raumverminderung nicht in der Vergrößerung der Schwingungsweite zeigen kann, insofern der dazu nöthige Spielraum sogar vermindert wird, so geschieht es durch Vermehrung der Schwin¬ gungszahl, d. h. die Luft wird wärmer als sie war, oder es wird Wärme frei. Kann im Gegensatze hierzu die in einem geschlossenen Gefäße comprimirte Luft schnell ausströmen, so daß sich ihr Raum erweitert, so vermindert sich die Schwingungszahl ihrer Molleküle, d. h. die Luft wird kälter als sie war, oder es wird Wärme gebunden. Zweitens: Die Menge des in einem bestimmten Volumen Luft gasförmig enthaltenen Wassers hat für jeden Temperaturgrad ein fest bestimmtes Maximum. Diese Feuchtigkeitskapacität der Luft steht in directem Verhältniß zur Höhe ihrer Temperatur. Ein Kubikmeter Luft z. B. vermag bei 0° Celsius etwa 5 Gramm Wasser aufzunehmen, bei 20° Celsius 17 Gramm und bei 100 - Celsius 592 Gramm u. s. f. Ist die Luft in einem Raume mit einer hinreichenden Wassermenge in Bernburg, und hat sie jene bestimmte Menge von Wasserdampf aufgenommen, so hört jede weitere Ver¬ dunstung auf, so viel anch an tropfbar flüssigem Wasser noch vorhanden sein mag, und jede nun erfolgende Abkühlung der Luft giebt einen Niederschlag an

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/491
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/491>, abgerufen am 23.07.2024.