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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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in Form von Schnee nieder, wie im Winter die Feuchtigkeit unserer Zimmer-
luft an den Fensterscheiben. Das Fleisch wird also, je länger es in der Kammer
bleibt, um so trockener und damit um so weniger geeignet zu verderben. Wenn
solches Fleisch im Sommer entladen wird, so hält es sich im Fleischerladen,
ohne Eis, länger als das eines Ochsen, der am Tage vorher geschlachtet worden
ist, weil dessen Fleisch nicht so trocken und kühl ist wie das aus Amerika im-
portirte. Nach Mittheilungen der österreichischen Monatsschrift für Gesellschafts-
Wissenschaft und Volkswirthschaft, deren Angaben wir hier benutzen, unterscheidet
sich übrigens der Geruch des aus dem Kühlraume entnommenen Fleisches von
dem des frischen durchaus uicht, ebenso wenig sein Geschmack. Früher,
als man die Räume durch Eiskammern in ihrer Mitte oder durch Einpumpen
von Luft kühlte, die durch eine mit Eis gefüllte Kammer getrieben und mittelst
Fächervorrichtung im Fleischraume vertheilt wurde, war ,der Geruch und der
Geschmack des importirten Fleisches allerdings ein auffälliger, denn man
konnte auf die angegebene Weise die Feuchtigkeit im Ktthlranme nicht be¬
seitigen; jetzt ist das amerikanische Fleisch von dem frisch geschlachteten so
wenig zu unterscheiden, daß in Smithfield wöchentlich 300 Viertel, von 4875
Vierteln, die überhaupt zum Verkaufe kommen, von Kleinhändlern als ein¬
heimisches frisches Fleisch verkauft werden können, weil das amerikanische
Fleisch nicht einmal mehr die dunklere Farbe hat wie früher. Nur gewiegte
Kenner sind im Stande, amerikanisches Fleisch von europäischem frisch geschlach¬
teten zu unterscheiden. Wenn nämlich die Kattunhülle beseitigt ist, so erscheint
der Thierkörper an seiner Oberfläche etwas "schrnmpelig" und an den Schnitt¬
flächen schwärzlich und auch etwas trockener als frisches Fleisch. Reihe man
aber die Oberflächen mit feuchten Tüchern und schält die Schnittflächen dünn
ab, so ist das Fleisch von frischem nicht mehr zu unterscheiden. Nur der Kenner
weiß, daß sehr bald, nachdem die Kälte geschwunden ist, der rothe Muskelsaft
sich langsam in die Fettschichten zieht, und so wird er an den schwach röthlich
gefärbten Fettschichten das amerikanische Fleisch leicht erkennen. Der Geschmack
des Fleisches leidet aber unter diesem Vorgange nicht.

Ueberaus einfach ist aber auch der Vertrieb überseeischen Fleisches in den
Hafenstädten. Die Fleischimporteure halten in den besten Straßen der Städte
elegante Läden. Der Fleifchraum des Schiffes wird Montags früh geöffnet,
ihm soviel Fleisch entnommen als man voraussichtlich während eines Tages in
den Läden zu verkaufen gedenkt und dann möglichst eilig wieder geschlossen.
Diese Manipulation wiederholt sich täglich. Am Sonnabend wird kehraus ge¬
macht. Was bis Sonnabend Abend nicht verkauft ist, wird in handliche Stücke
geschnitten, wie sie für Familien des Mittel- und Arbeiterstandes sich eignen,
und von 8 Uhr Abends an verauctionirt. Sonntags ist Ruhe, die Läden


in Form von Schnee nieder, wie im Winter die Feuchtigkeit unserer Zimmer-
luft an den Fensterscheiben. Das Fleisch wird also, je länger es in der Kammer
bleibt, um so trockener und damit um so weniger geeignet zu verderben. Wenn
solches Fleisch im Sommer entladen wird, so hält es sich im Fleischerladen,
ohne Eis, länger als das eines Ochsen, der am Tage vorher geschlachtet worden
ist, weil dessen Fleisch nicht so trocken und kühl ist wie das aus Amerika im-
portirte. Nach Mittheilungen der österreichischen Monatsschrift für Gesellschafts-
Wissenschaft und Volkswirthschaft, deren Angaben wir hier benutzen, unterscheidet
sich übrigens der Geruch des aus dem Kühlraume entnommenen Fleisches von
dem des frischen durchaus uicht, ebenso wenig sein Geschmack. Früher,
als man die Räume durch Eiskammern in ihrer Mitte oder durch Einpumpen
von Luft kühlte, die durch eine mit Eis gefüllte Kammer getrieben und mittelst
Fächervorrichtung im Fleischraume vertheilt wurde, war ,der Geruch und der
Geschmack des importirten Fleisches allerdings ein auffälliger, denn man
konnte auf die angegebene Weise die Feuchtigkeit im Ktthlranme nicht be¬
seitigen; jetzt ist das amerikanische Fleisch von dem frisch geschlachteten so
wenig zu unterscheiden, daß in Smithfield wöchentlich 300 Viertel, von 4875
Vierteln, die überhaupt zum Verkaufe kommen, von Kleinhändlern als ein¬
heimisches frisches Fleisch verkauft werden können, weil das amerikanische
Fleisch nicht einmal mehr die dunklere Farbe hat wie früher. Nur gewiegte
Kenner sind im Stande, amerikanisches Fleisch von europäischem frisch geschlach¬
teten zu unterscheiden. Wenn nämlich die Kattunhülle beseitigt ist, so erscheint
der Thierkörper an seiner Oberfläche etwas „schrnmpelig" und an den Schnitt¬
flächen schwärzlich und auch etwas trockener als frisches Fleisch. Reihe man
aber die Oberflächen mit feuchten Tüchern und schält die Schnittflächen dünn
ab, so ist das Fleisch von frischem nicht mehr zu unterscheiden. Nur der Kenner
weiß, daß sehr bald, nachdem die Kälte geschwunden ist, der rothe Muskelsaft
sich langsam in die Fettschichten zieht, und so wird er an den schwach röthlich
gefärbten Fettschichten das amerikanische Fleisch leicht erkennen. Der Geschmack
des Fleisches leidet aber unter diesem Vorgange nicht.

Ueberaus einfach ist aber auch der Vertrieb überseeischen Fleisches in den
Hafenstädten. Die Fleischimporteure halten in den besten Straßen der Städte
elegante Läden. Der Fleifchraum des Schiffes wird Montags früh geöffnet,
ihm soviel Fleisch entnommen als man voraussichtlich während eines Tages in
den Läden zu verkaufen gedenkt und dann möglichst eilig wieder geschlossen.
Diese Manipulation wiederholt sich täglich. Am Sonnabend wird kehraus ge¬
macht. Was bis Sonnabend Abend nicht verkauft ist, wird in handliche Stücke
geschnitten, wie sie für Familien des Mittel- und Arbeiterstandes sich eignen,
und von 8 Uhr Abends an verauctionirt. Sonntags ist Ruhe, die Läden


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[0490] in Form von Schnee nieder, wie im Winter die Feuchtigkeit unserer Zimmer- luft an den Fensterscheiben. Das Fleisch wird also, je länger es in der Kammer bleibt, um so trockener und damit um so weniger geeignet zu verderben. Wenn solches Fleisch im Sommer entladen wird, so hält es sich im Fleischerladen, ohne Eis, länger als das eines Ochsen, der am Tage vorher geschlachtet worden ist, weil dessen Fleisch nicht so trocken und kühl ist wie das aus Amerika im- portirte. Nach Mittheilungen der österreichischen Monatsschrift für Gesellschafts- Wissenschaft und Volkswirthschaft, deren Angaben wir hier benutzen, unterscheidet sich übrigens der Geruch des aus dem Kühlraume entnommenen Fleisches von dem des frischen durchaus uicht, ebenso wenig sein Geschmack. Früher, als man die Räume durch Eiskammern in ihrer Mitte oder durch Einpumpen von Luft kühlte, die durch eine mit Eis gefüllte Kammer getrieben und mittelst Fächervorrichtung im Fleischraume vertheilt wurde, war ,der Geruch und der Geschmack des importirten Fleisches allerdings ein auffälliger, denn man konnte auf die angegebene Weise die Feuchtigkeit im Ktthlranme nicht be¬ seitigen; jetzt ist das amerikanische Fleisch von dem frisch geschlachteten so wenig zu unterscheiden, daß in Smithfield wöchentlich 300 Viertel, von 4875 Vierteln, die überhaupt zum Verkaufe kommen, von Kleinhändlern als ein¬ heimisches frisches Fleisch verkauft werden können, weil das amerikanische Fleisch nicht einmal mehr die dunklere Farbe hat wie früher. Nur gewiegte Kenner sind im Stande, amerikanisches Fleisch von europäischem frisch geschlach¬ teten zu unterscheiden. Wenn nämlich die Kattunhülle beseitigt ist, so erscheint der Thierkörper an seiner Oberfläche etwas „schrnmpelig" und an den Schnitt¬ flächen schwärzlich und auch etwas trockener als frisches Fleisch. Reihe man aber die Oberflächen mit feuchten Tüchern und schält die Schnittflächen dünn ab, so ist das Fleisch von frischem nicht mehr zu unterscheiden. Nur der Kenner weiß, daß sehr bald, nachdem die Kälte geschwunden ist, der rothe Muskelsaft sich langsam in die Fettschichten zieht, und so wird er an den schwach röthlich gefärbten Fettschichten das amerikanische Fleisch leicht erkennen. Der Geschmack des Fleisches leidet aber unter diesem Vorgange nicht. Ueberaus einfach ist aber auch der Vertrieb überseeischen Fleisches in den Hafenstädten. Die Fleischimporteure halten in den besten Straßen der Städte elegante Läden. Der Fleifchraum des Schiffes wird Montags früh geöffnet, ihm soviel Fleisch entnommen als man voraussichtlich während eines Tages in den Läden zu verkaufen gedenkt und dann möglichst eilig wieder geschlossen. Diese Manipulation wiederholt sich täglich. Am Sonnabend wird kehraus ge¬ macht. Was bis Sonnabend Abend nicht verkauft ist, wird in handliche Stücke geschnitten, wie sie für Familien des Mittel- und Arbeiterstandes sich eignen, und von 8 Uhr Abends an verauctionirt. Sonntags ist Ruhe, die Läden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/490>, abgerufen am 23.07.2024.