Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.keit, sich poetisch darzustellen, dem Geschäftsmanne mehr und mehr. Die poetische keit, sich poetisch darzustellen, dem Geschäftsmanne mehr und mehr. Die poetische <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0476" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/147570"/> <p xml:id="ID_1334" prev="#ID_1333" next="#ID_1335"> keit, sich poetisch darzustellen, dem Geschäftsmanne mehr und mehr. Die poetische<lb/> Ader machte sich nicht mehr in Romanen Luft, obwohl sie ihn die ungeheuer¬<lb/> liche Idee des britischen Imperialismus, die Nachahmung des kaiserlich napo¬<lb/> leonischen, träumen ließ; er überließ es seinen Gehilfen in der Presse, die Her¬<lb/> stellung des Elisabethanischen Zeitalters und die Demüthigung der verwünschten<lb/> naseweisen Demokratie anzukündigen. Die demokratisch monarchische Partei,<lb/> d. h. die überwiegende gebildete Masse der britischen Nation, hat dem Politiker<lb/> sowohl wie dem Poeten Disraeli viel zu Leide gethan, und da er selbst sich als<lb/> sehr empfindlich bekennt, so müssen wir den englischen Auslegern seiner Romane<lb/> wohl darin Recht geben, wenn sie behaupten, daß sie der Ausfluß des Aergers<lb/> sind, den Disraeli über die empfand, die ihn in der Ausübung seines genialen<lb/> Berufes störten und die, wie Gladstone und Bright, in jeder Hinsicht seine<lb/> Antipoden waren. Doch genügt diese Auslegung nicht, um große und mit Vor¬<lb/> liebe ausgeführte Partien seiner Romane zu erklären. Er ist vielmehr in<lb/> dieser Beziehung ein echter Sohn seines Volks, daß er groß von sich selbst<lb/> denkt, sein rasches Verständniß für Genie hält und sich die Kraft zutraut, es<lb/> Anderen, Größesten gleich zu thun. Er glaubte ein Dichter und Staatsmann<lb/> ü. trixls oarillon zu sein. Dank seiner Selbstüberschätzung ist seine Schrift-<lb/> stellerei ebenso unvorsichtig wie aufrichtig, indem er nicht bloß die geheimsten<lb/> Falten seines Busens enthüllt, sondern auch beweist, daß er keinenfalls die Gabe<lb/> besaß, seiner Zeit an den Puls zu fühlen. Als Früchte seiner Phantasie sind<lb/> seine Romane sür die englische Literatur ohne Werth, und die Früchte seiner<lb/> Politik sind nicht England, sondern anderen zu Gute gekommen. In der blinden<lb/> Begierde, auf der politischen Bühne eine Heldenrolle zu spielen, ist er stets nur<lb/> ein Culissenreißer gewesen, und als matter Farceur ist er abgetreten. Es hat<lb/> ihm nicht an Bewunderern gefehlt, weder in England noch bei uns. Der ur¬<lb/> theilslosen Menge imponirt überall die zähe Aufdringlichkeit, wenn sie mit Witz<lb/> und Geld in der Tasche auftritt. Als er 1833 in Marylebone für einen Sitz<lb/> im Parlament ccmdidirte und, gefragt, worauf er denn süße, antwortete: „Auf<lb/> meinem Kopf", da war er schon als Verfasser des „Vivian Grey" bekannt und<lb/> um so viel mehr gelesen, je mehr er angegriffen und verlästert war; er hatte<lb/> es durchgesetzt, durch Paradoxie berühmt zu sein. Nachdem er unter den Flügeln<lb/> des irischen Agitators O'Connell, mit dem er sich schlug und mit dem er sich<lb/> vertrug, ins Parlament gelangt war, und als die Whigs den anmaßenden Juden-<lb/> jungen als Baustein verwarfen, empfahl ihn die dialeetische Kunst, mit der er<lb/> alles zu beweisen und herunterzureißen verstand, den Tones zum Eckstein, da<lb/> sie gerade an großer Dürre an Talenten litten. Theils durch seine Heirath,<lb/> theils durch seine panurgischen Manieren brachte er sich in einflußreiche Ver¬<lb/> bindungen, die ihm den Weg ins Ministerium öffneten. Wie er an sein eigenes</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0476]
keit, sich poetisch darzustellen, dem Geschäftsmanne mehr und mehr. Die poetische
Ader machte sich nicht mehr in Romanen Luft, obwohl sie ihn die ungeheuer¬
liche Idee des britischen Imperialismus, die Nachahmung des kaiserlich napo¬
leonischen, träumen ließ; er überließ es seinen Gehilfen in der Presse, die Her¬
stellung des Elisabethanischen Zeitalters und die Demüthigung der verwünschten
naseweisen Demokratie anzukündigen. Die demokratisch monarchische Partei,
d. h. die überwiegende gebildete Masse der britischen Nation, hat dem Politiker
sowohl wie dem Poeten Disraeli viel zu Leide gethan, und da er selbst sich als
sehr empfindlich bekennt, so müssen wir den englischen Auslegern seiner Romane
wohl darin Recht geben, wenn sie behaupten, daß sie der Ausfluß des Aergers
sind, den Disraeli über die empfand, die ihn in der Ausübung seines genialen
Berufes störten und die, wie Gladstone und Bright, in jeder Hinsicht seine
Antipoden waren. Doch genügt diese Auslegung nicht, um große und mit Vor¬
liebe ausgeführte Partien seiner Romane zu erklären. Er ist vielmehr in
dieser Beziehung ein echter Sohn seines Volks, daß er groß von sich selbst
denkt, sein rasches Verständniß für Genie hält und sich die Kraft zutraut, es
Anderen, Größesten gleich zu thun. Er glaubte ein Dichter und Staatsmann
ü. trixls oarillon zu sein. Dank seiner Selbstüberschätzung ist seine Schrift-
stellerei ebenso unvorsichtig wie aufrichtig, indem er nicht bloß die geheimsten
Falten seines Busens enthüllt, sondern auch beweist, daß er keinenfalls die Gabe
besaß, seiner Zeit an den Puls zu fühlen. Als Früchte seiner Phantasie sind
seine Romane sür die englische Literatur ohne Werth, und die Früchte seiner
Politik sind nicht England, sondern anderen zu Gute gekommen. In der blinden
Begierde, auf der politischen Bühne eine Heldenrolle zu spielen, ist er stets nur
ein Culissenreißer gewesen, und als matter Farceur ist er abgetreten. Es hat
ihm nicht an Bewunderern gefehlt, weder in England noch bei uns. Der ur¬
theilslosen Menge imponirt überall die zähe Aufdringlichkeit, wenn sie mit Witz
und Geld in der Tasche auftritt. Als er 1833 in Marylebone für einen Sitz
im Parlament ccmdidirte und, gefragt, worauf er denn süße, antwortete: „Auf
meinem Kopf", da war er schon als Verfasser des „Vivian Grey" bekannt und
um so viel mehr gelesen, je mehr er angegriffen und verlästert war; er hatte
es durchgesetzt, durch Paradoxie berühmt zu sein. Nachdem er unter den Flügeln
des irischen Agitators O'Connell, mit dem er sich schlug und mit dem er sich
vertrug, ins Parlament gelangt war, und als die Whigs den anmaßenden Juden-
jungen als Baustein verwarfen, empfahl ihn die dialeetische Kunst, mit der er
alles zu beweisen und herunterzureißen verstand, den Tones zum Eckstein, da
sie gerade an großer Dürre an Talenten litten. Theils durch seine Heirath,
theils durch seine panurgischen Manieren brachte er sich in einflußreiche Ver¬
bindungen, die ihm den Weg ins Ministerium öffneten. Wie er an sein eigenes
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