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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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von Celeja gilt, und niemals würde ohne solche Zuwanderung, die naturgemäß
beständig fortdauerte, die Erhebung Virunums zu einer römisch organisirten
Gemeinde so rasch erfolgt sein, als es in der That der Fall gewesen sein muß.
Schon unter Tiberius (14 -- 37 n. Chr.) haben hier zahlreiche Eingeborene
das römische Bürgerrecht empfangen, daher denn unter den Virunensern die
Illzgrii ^nul überwiegen, dein Brauche der römischen Kaiserzeit zufolge, nach
welchem die Neubürger in den Provinzen gewöhnlich den Geschlechtsnamen des
jeweilig regierenden Hauses sich beilegten; Claudius, wenn nicht schon Tiberius,
hat dann dem Keltenorte, der den Römern rechtlich nur als ein Dorf galt, die
römische Stadtverfassung und den Namen des Clcmdischen ((AauclwrQ Virurmin)
gegeben. Seitdem regierten diese Stadtgemeinde nach römischem Vorbilde die
"Zweimänner für die Rechtsprechung" (ärwviri Wrs äiermäo), Aedilen für die
Polizei, Quästoren für die Finanzen, alle aus dem Stande der Decurionen, der
den Senatoren entsprach und wie diese in einem Senate sich zusammenfand.
Das platte Land, das ihr als Gebiet überwiesen worden, war des römischen
Bürgerrechtes nicht theilhaftig, höchstens des ladinischen Rechts; nur dann konnte
ein Bewohner desselben es erlangen, wenn er zur städtischen Aedilität ausrückte.
Gerade dadurch, daß das römische Staatsrecht die Ertheilung der civitas ab¬
hängig machte von dem völligen Eingehen in das römische Wesen, wie es die
Uebernahme eines städtischen Amtes voraussetzte, hat es diese Stadtgemeinden
im Barbarenlande zu einem mächtigen Werkzeuge der Romanisirung gemacht.

Ein anderes nicht minder kräftiges Werkzeug besaß das Reich im Militär¬
dienste. Den Provinzialen, welche das Bürgerrecht noch nicht besaßen, stand der
Eintritt in die Hilfstruppen offen, den Bürgern unter ihnen der in die Legionen,
ja sogar in die Garden. Sehr zahlreich sind denn nun auch diejenigen Viru-
neuser, welche in allen Theilen der alten Welt den römischen Adlern folgten.
Da dient einer in der ersten Aelischen Bretonencohorte, die am Ende des ersten
Jahrhunderts in Pannonien garnisonirte, ein anderer in der ersten thrakischen
Ala, welche abwechselnd in Britannien, in Rätier und an der österreichischen
Donau stand. Als später Mark Aurel eine besondere norische Legion unter dem
Namen der zweiten italischen errichtete, scheint sie zur Lieblingstruppe wie der
Noriker überhaupt so der Virunenser insbesondere geworden zu sein: nicht
weniger als elf von ihnen werden als Soldaten oder Offiziere dieser Legion
genannt. Aber sie stehen ebenso gut als Krieger der dritten italischen auch am
Hadrianswalle in Rätier oder sie bewachen in der fünften macedonischen das
von Trajan eroberte Dacier. Und wie wurden sie im weiten Reiche umher¬
geworfen! Ein Valerius Quintius, der erst in der zweiten italischen Legion
zu Lauriacum (bei Enns) diente, stand dann in der dritten gleichen Namens an
der oberen Donan und starb schließlich als Führer einer Cohorte der dritten


Grenzboten III. 1880. 56

von Celeja gilt, und niemals würde ohne solche Zuwanderung, die naturgemäß
beständig fortdauerte, die Erhebung Virunums zu einer römisch organisirten
Gemeinde so rasch erfolgt sein, als es in der That der Fall gewesen sein muß.
Schon unter Tiberius (14 — 37 n. Chr.) haben hier zahlreiche Eingeborene
das römische Bürgerrecht empfangen, daher denn unter den Virunensern die
Illzgrii ^nul überwiegen, dein Brauche der römischen Kaiserzeit zufolge, nach
welchem die Neubürger in den Provinzen gewöhnlich den Geschlechtsnamen des
jeweilig regierenden Hauses sich beilegten; Claudius, wenn nicht schon Tiberius,
hat dann dem Keltenorte, der den Römern rechtlich nur als ein Dorf galt, die
römische Stadtverfassung und den Namen des Clcmdischen ((AauclwrQ Virurmin)
gegeben. Seitdem regierten diese Stadtgemeinde nach römischem Vorbilde die
„Zweimänner für die Rechtsprechung" (ärwviri Wrs äiermäo), Aedilen für die
Polizei, Quästoren für die Finanzen, alle aus dem Stande der Decurionen, der
den Senatoren entsprach und wie diese in einem Senate sich zusammenfand.
Das platte Land, das ihr als Gebiet überwiesen worden, war des römischen
Bürgerrechtes nicht theilhaftig, höchstens des ladinischen Rechts; nur dann konnte
ein Bewohner desselben es erlangen, wenn er zur städtischen Aedilität ausrückte.
Gerade dadurch, daß das römische Staatsrecht die Ertheilung der civitas ab¬
hängig machte von dem völligen Eingehen in das römische Wesen, wie es die
Uebernahme eines städtischen Amtes voraussetzte, hat es diese Stadtgemeinden
im Barbarenlande zu einem mächtigen Werkzeuge der Romanisirung gemacht.

Ein anderes nicht minder kräftiges Werkzeug besaß das Reich im Militär¬
dienste. Den Provinzialen, welche das Bürgerrecht noch nicht besaßen, stand der
Eintritt in die Hilfstruppen offen, den Bürgern unter ihnen der in die Legionen,
ja sogar in die Garden. Sehr zahlreich sind denn nun auch diejenigen Viru-
neuser, welche in allen Theilen der alten Welt den römischen Adlern folgten.
Da dient einer in der ersten Aelischen Bretonencohorte, die am Ende des ersten
Jahrhunderts in Pannonien garnisonirte, ein anderer in der ersten thrakischen
Ala, welche abwechselnd in Britannien, in Rätier und an der österreichischen
Donau stand. Als später Mark Aurel eine besondere norische Legion unter dem
Namen der zweiten italischen errichtete, scheint sie zur Lieblingstruppe wie der
Noriker überhaupt so der Virunenser insbesondere geworden zu sein: nicht
weniger als elf von ihnen werden als Soldaten oder Offiziere dieser Legion
genannt. Aber sie stehen ebenso gut als Krieger der dritten italischen auch am
Hadrianswalle in Rätier oder sie bewachen in der fünften macedonischen das
von Trajan eroberte Dacier. Und wie wurden sie im weiten Reiche umher¬
geworfen! Ein Valerius Quintius, der erst in der zweiten italischen Legion
zu Lauriacum (bei Enns) diente, stand dann in der dritten gleichen Namens an
der oberen Donan und starb schließlich als Führer einer Cohorte der dritten


Grenzboten III. 1880. 56
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[0438] von Celeja gilt, und niemals würde ohne solche Zuwanderung, die naturgemäß beständig fortdauerte, die Erhebung Virunums zu einer römisch organisirten Gemeinde so rasch erfolgt sein, als es in der That der Fall gewesen sein muß. Schon unter Tiberius (14 — 37 n. Chr.) haben hier zahlreiche Eingeborene das römische Bürgerrecht empfangen, daher denn unter den Virunensern die Illzgrii ^nul überwiegen, dein Brauche der römischen Kaiserzeit zufolge, nach welchem die Neubürger in den Provinzen gewöhnlich den Geschlechtsnamen des jeweilig regierenden Hauses sich beilegten; Claudius, wenn nicht schon Tiberius, hat dann dem Keltenorte, der den Römern rechtlich nur als ein Dorf galt, die römische Stadtverfassung und den Namen des Clcmdischen ((AauclwrQ Virurmin) gegeben. Seitdem regierten diese Stadtgemeinde nach römischem Vorbilde die „Zweimänner für die Rechtsprechung" (ärwviri Wrs äiermäo), Aedilen für die Polizei, Quästoren für die Finanzen, alle aus dem Stande der Decurionen, der den Senatoren entsprach und wie diese in einem Senate sich zusammenfand. Das platte Land, das ihr als Gebiet überwiesen worden, war des römischen Bürgerrechtes nicht theilhaftig, höchstens des ladinischen Rechts; nur dann konnte ein Bewohner desselben es erlangen, wenn er zur städtischen Aedilität ausrückte. Gerade dadurch, daß das römische Staatsrecht die Ertheilung der civitas ab¬ hängig machte von dem völligen Eingehen in das römische Wesen, wie es die Uebernahme eines städtischen Amtes voraussetzte, hat es diese Stadtgemeinden im Barbarenlande zu einem mächtigen Werkzeuge der Romanisirung gemacht. Ein anderes nicht minder kräftiges Werkzeug besaß das Reich im Militär¬ dienste. Den Provinzialen, welche das Bürgerrecht noch nicht besaßen, stand der Eintritt in die Hilfstruppen offen, den Bürgern unter ihnen der in die Legionen, ja sogar in die Garden. Sehr zahlreich sind denn nun auch diejenigen Viru- neuser, welche in allen Theilen der alten Welt den römischen Adlern folgten. Da dient einer in der ersten Aelischen Bretonencohorte, die am Ende des ersten Jahrhunderts in Pannonien garnisonirte, ein anderer in der ersten thrakischen Ala, welche abwechselnd in Britannien, in Rätier und an der österreichischen Donau stand. Als später Mark Aurel eine besondere norische Legion unter dem Namen der zweiten italischen errichtete, scheint sie zur Lieblingstruppe wie der Noriker überhaupt so der Virunenser insbesondere geworden zu sein: nicht weniger als elf von ihnen werden als Soldaten oder Offiziere dieser Legion genannt. Aber sie stehen ebenso gut als Krieger der dritten italischen auch am Hadrianswalle in Rätier oder sie bewachen in der fünften macedonischen das von Trajan eroberte Dacier. Und wie wurden sie im weiten Reiche umher¬ geworfen! Ein Valerius Quintius, der erst in der zweiten italischen Legion zu Lauriacum (bei Enns) diente, stand dann in der dritten gleichen Namens an der oberen Donan und starb schließlich als Führer einer Cohorte der dritten Grenzboten III. 1880. 56

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/438>, abgerufen am 23.07.2024.