Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.letzten Jahren Ednard Schulz-Briesen zu einer angesehenen Stellung empor¬ Wenn man in diesem Sandmeere durchaus nach "Perlen" fischen will, so Grenzboten III. 1880. 49
letzten Jahren Ednard Schulz-Briesen zu einer angesehenen Stellung empor¬ Wenn man in diesem Sandmeere durchaus nach „Perlen" fischen will, so Grenzboten III. 1880. 49
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letzten Jahren Ednard Schulz-Briesen zu einer angesehenen Stellung empor¬
gearbeitet. Aber er verdankt dieselbe mehr der glücklichen Wahl seiner Stoffe
als seinen künstlerischen Qualitäten, die zur Zeit noch sehr der Entwicklung
bedürfen. Zunächst krankt auch sein Colorit an einer großen Flausen und
Unbestimmtheit. Man möchte es als sentimental beeichnen, wenn man mit ihm
die gesunde Bestimmtheit Bokelmanns vergleicht, welche Loealton neben Local-
ton ohne Verschleierung setzt und doch dem Ganzen einen festen Halt zu ver¬
leihen weiß. Der „Streit auf dem Tanzboden", ein Bauernstück im Stile
Bankiers, ist ein ganz schwächliches Ding. Eine Kneipgesellschaft der Hono¬
ratioren einer kleinen Stadt „im Herrenstübchen" bietet wenigstens einige
komische, dem Leben abgelauschte Typen. Nur das dritte Bild, „Zur Unter¬
suchung" — ein gefesselter Mann nimmt auf dem Wege zum Polizeigefängniß
Abschied von Weib und Kind —, hat etwas eoloristische Haltung, die viel¬
leicht hauptsächlich dadurch hineingekommen ist, daß der Maler die Scene in
einer so charaktervoller architektonischen Umgebung spielen läßt, wie sie das
Rathhaus von Rothenburg an der Tauber bietet. Alle drei Bilder waren schon
in München zu sehen, haben also nicht einmal den Reiz der Neuheit für sich, was
wir nnr darum bemerken wollen, weil man diese drei Genrebilder nebst te
Peerdts „Mönche bei der Toilette", die ich schon seit mindestens sechs Jahren
kenne, als die „Perlen der Ausstellung" ausgerufen hat.
Wenn man in diesem Sandmeere durchaus nach „Perlen" fischen will, so
muß man sich schon an Meister Kraus wenden, welcher auf seinem neuesten,
in Düsseldorf zuerst zur öffentlichen Ausstellung gelangten Bilde „Hinter den
Coulissen" wieder einmal alle Register seines Humors aufgezogen hat. Die
Düsseldorfer scheinen freilich vor dieser Schöpfung des ehemaligen Hauptes ihrer
Genremaler keinen großen Respekt zu empfinden. Sie sagen, es sei ein „Ber¬
liner" Kraus, das heißt mit anderen Worten nicht mehr der alte naiv-humo¬
ristische Kraus, sondern der vom Berliner Witz angekränkelte, der nach Pointen
hascht und dadurch zu absichtlich wirkt. Ich habe das nicht herausfinden können.
Ich habe im Gegentheil gefunden, daß dieses neueste seiner Bilder coloristisch
weitaus gesünder und kräftiger ist als seine letzten Vorgänger, die namentlich
wi Fleischton der Figuren manche krankhafte Partieen zeigten. Der Vorwurf
des köstlichen Bildes ist aus der zweideutigen Romantik des Gauklerlebens ge¬
schupft. Man blickt „hinter die Coulissen", welche durch eine aufgespannte
schmutzige Leinwand gebildet werden, auf das durch keinen Flitterkram verdeckte Elend
einer Seiltäuzertruppe. Während im Mittelgrunde ein Mitglied der Gesellschaft auf
dem aufgespannten Seile seine Künste zeigt, pausiren andere hinter der Leinwand,
um einen eisernen Ofen gruppirt, auf welchem eine Schüssel Kartoffeln dampft.
Zwei Kinder in dünnen Triots kauern friernd vor der Ofenthüre, hinter ihnen
Grenzboten III. 1880. 49
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