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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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abgewonnen hat. Man sieht auf dem ersten eine in der Wüste verirrte Kara¬
wane und den Streit ihrer Führer um die einzuschlagende Richtung, auf dem
zweiten die Auffindung einer im Sandsturm umgekommenen Familie und auf
dem dritten als friedlichen Abschluß dieser Scenen der Angst und des Schreckens
die Darstellung einer lieblichen Oase. Bendemanns Talent fehlt der dramatische
Zug. Er war von jeher mehr elegisch gestimmt, und das ist auch der Grund¬
zug dieser Compositionen, die mit seinen bekannten Cartons zu Lessings "Nathan
dem Weisen" eng verwandt sind. Ihr Vorzug liegt weiter in der Weichheit
der Formengebung und in dem eigenthümlichen Rhythmus der Umrißlinien.

Weniger mit Ruhm bedeckt haben sich seine Schüler Ernst und Fritz
Roeber, die zur Zeit in Düsseldorf eine große Rolle zu spielen scheinen.
Schon bei ihren Arbeiten in der Berliner Nationalgalerie haben sie kein starkes
Gefühl für die Erfordernisse des monumentalen oder auch nur des decorativer
Stils entwickelt. Was sie da zu Wege gebracht, sieht beinahe so süßlich und
geziert wie die bunten Devisen für Zuckerbäcker aus. In Düsseldorf sind sie
gar ins Kolossale gestiegen, und dabei haben sie noch gründlicher Fiasco gemacht.
Fritz Roeber hat zwei gewaltige lünettenförmige Compositionen für die Kopf¬
seiten des Hauptschiffs der Maschinenhalle gemalt; die eine will den Kampf
des Wassers und Feuers darstellen, also einen Vorwurf für eine nur im Großen
schaffende Phantasie, die andere das Feuer im Dienste der Industrie und den
Austausch der Landesproducte gegen die Erzeugnisse des Gewerbes. Er wie
sein Bruder Ernst, welcher die Halle der Textilindustrie mit Friesen mehr
genrehaften Charakters decorirt hat, ist nicht im Stande gewesen, so große
Flächen mit Geist und Leben zu erfüllen. Die riesigen Figuren sehen blutlos
wie Gespenster aus, und den Compositionen fehlt jenes Maß von Klarheit,
dessen die Malerei großen Stils bedarf, falls sie zu einer einheitlichen Wirkung
gelangen will. Man würde diese Versuche der jungen Leute milder beurtheilen,
wenn ihre in der Knnsthalle ausgestellten Oelgemälde ein günstigeres Urtheil
gestatteten. Aber Fritz Roebers Schauerscene aus der Geschichte der Päpste,
die übrigeus schon von einer Berliner Ausstellung in grauenhaften Angedenken
steht -- Papst Johann XII. wird von einem vornehmen Römer im Ehebruch
mit dessen Frau überrascht und ermordet --, erweckt von den malerischen Fähig¬
keiten wie von dem Geschmack des Künstlers eine gleich geringe Vorstellung.

Doch hat selbst ein so gereifter Maler wie Albert Baur, der seit einiger
Zeit wieder in Düsseldorf ansässig ist, wo er unter dem älteren Sohn 1854
seine Studien begann, mit decorativer Malereien, die er für den Pavillon der
Schalter Eisenwerke ausgeführt hat, Unglück gehabt. Auch diese Tableaux, welche
die Gewinnung und Bearbeitung des Eisens in verschiedenen Stadien darstellen,
leiden an einer auffallenden Leblosigkeit und an großer Trockenheit der Farbe.


abgewonnen hat. Man sieht auf dem ersten eine in der Wüste verirrte Kara¬
wane und den Streit ihrer Führer um die einzuschlagende Richtung, auf dem
zweiten die Auffindung einer im Sandsturm umgekommenen Familie und auf
dem dritten als friedlichen Abschluß dieser Scenen der Angst und des Schreckens
die Darstellung einer lieblichen Oase. Bendemanns Talent fehlt der dramatische
Zug. Er war von jeher mehr elegisch gestimmt, und das ist auch der Grund¬
zug dieser Compositionen, die mit seinen bekannten Cartons zu Lessings „Nathan
dem Weisen" eng verwandt sind. Ihr Vorzug liegt weiter in der Weichheit
der Formengebung und in dem eigenthümlichen Rhythmus der Umrißlinien.

Weniger mit Ruhm bedeckt haben sich seine Schüler Ernst und Fritz
Roeber, die zur Zeit in Düsseldorf eine große Rolle zu spielen scheinen.
Schon bei ihren Arbeiten in der Berliner Nationalgalerie haben sie kein starkes
Gefühl für die Erfordernisse des monumentalen oder auch nur des decorativer
Stils entwickelt. Was sie da zu Wege gebracht, sieht beinahe so süßlich und
geziert wie die bunten Devisen für Zuckerbäcker aus. In Düsseldorf sind sie
gar ins Kolossale gestiegen, und dabei haben sie noch gründlicher Fiasco gemacht.
Fritz Roeber hat zwei gewaltige lünettenförmige Compositionen für die Kopf¬
seiten des Hauptschiffs der Maschinenhalle gemalt; die eine will den Kampf
des Wassers und Feuers darstellen, also einen Vorwurf für eine nur im Großen
schaffende Phantasie, die andere das Feuer im Dienste der Industrie und den
Austausch der Landesproducte gegen die Erzeugnisse des Gewerbes. Er wie
sein Bruder Ernst, welcher die Halle der Textilindustrie mit Friesen mehr
genrehaften Charakters decorirt hat, ist nicht im Stande gewesen, so große
Flächen mit Geist und Leben zu erfüllen. Die riesigen Figuren sehen blutlos
wie Gespenster aus, und den Compositionen fehlt jenes Maß von Klarheit,
dessen die Malerei großen Stils bedarf, falls sie zu einer einheitlichen Wirkung
gelangen will. Man würde diese Versuche der jungen Leute milder beurtheilen,
wenn ihre in der Knnsthalle ausgestellten Oelgemälde ein günstigeres Urtheil
gestatteten. Aber Fritz Roebers Schauerscene aus der Geschichte der Päpste,
die übrigeus schon von einer Berliner Ausstellung in grauenhaften Angedenken
steht — Papst Johann XII. wird von einem vornehmen Römer im Ehebruch
mit dessen Frau überrascht und ermordet —, erweckt von den malerischen Fähig¬
keiten wie von dem Geschmack des Künstlers eine gleich geringe Vorstellung.

Doch hat selbst ein so gereifter Maler wie Albert Baur, der seit einiger
Zeit wieder in Düsseldorf ansässig ist, wo er unter dem älteren Sohn 1854
seine Studien begann, mit decorativer Malereien, die er für den Pavillon der
Schalter Eisenwerke ausgeführt hat, Unglück gehabt. Auch diese Tableaux, welche
die Gewinnung und Bearbeitung des Eisens in verschiedenen Stadien darstellen,
leiden an einer auffallenden Leblosigkeit und an großer Trockenheit der Farbe.


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[0379] abgewonnen hat. Man sieht auf dem ersten eine in der Wüste verirrte Kara¬ wane und den Streit ihrer Führer um die einzuschlagende Richtung, auf dem zweiten die Auffindung einer im Sandsturm umgekommenen Familie und auf dem dritten als friedlichen Abschluß dieser Scenen der Angst und des Schreckens die Darstellung einer lieblichen Oase. Bendemanns Talent fehlt der dramatische Zug. Er war von jeher mehr elegisch gestimmt, und das ist auch der Grund¬ zug dieser Compositionen, die mit seinen bekannten Cartons zu Lessings „Nathan dem Weisen" eng verwandt sind. Ihr Vorzug liegt weiter in der Weichheit der Formengebung und in dem eigenthümlichen Rhythmus der Umrißlinien. Weniger mit Ruhm bedeckt haben sich seine Schüler Ernst und Fritz Roeber, die zur Zeit in Düsseldorf eine große Rolle zu spielen scheinen. Schon bei ihren Arbeiten in der Berliner Nationalgalerie haben sie kein starkes Gefühl für die Erfordernisse des monumentalen oder auch nur des decorativer Stils entwickelt. Was sie da zu Wege gebracht, sieht beinahe so süßlich und geziert wie die bunten Devisen für Zuckerbäcker aus. In Düsseldorf sind sie gar ins Kolossale gestiegen, und dabei haben sie noch gründlicher Fiasco gemacht. Fritz Roeber hat zwei gewaltige lünettenförmige Compositionen für die Kopf¬ seiten des Hauptschiffs der Maschinenhalle gemalt; die eine will den Kampf des Wassers und Feuers darstellen, also einen Vorwurf für eine nur im Großen schaffende Phantasie, die andere das Feuer im Dienste der Industrie und den Austausch der Landesproducte gegen die Erzeugnisse des Gewerbes. Er wie sein Bruder Ernst, welcher die Halle der Textilindustrie mit Friesen mehr genrehaften Charakters decorirt hat, ist nicht im Stande gewesen, so große Flächen mit Geist und Leben zu erfüllen. Die riesigen Figuren sehen blutlos wie Gespenster aus, und den Compositionen fehlt jenes Maß von Klarheit, dessen die Malerei großen Stils bedarf, falls sie zu einer einheitlichen Wirkung gelangen will. Man würde diese Versuche der jungen Leute milder beurtheilen, wenn ihre in der Knnsthalle ausgestellten Oelgemälde ein günstigeres Urtheil gestatteten. Aber Fritz Roebers Schauerscene aus der Geschichte der Päpste, die übrigeus schon von einer Berliner Ausstellung in grauenhaften Angedenken steht — Papst Johann XII. wird von einem vornehmen Römer im Ehebruch mit dessen Frau überrascht und ermordet —, erweckt von den malerischen Fähig¬ keiten wie von dem Geschmack des Künstlers eine gleich geringe Vorstellung. Doch hat selbst ein so gereifter Maler wie Albert Baur, der seit einiger Zeit wieder in Düsseldorf ansässig ist, wo er unter dem älteren Sohn 1854 seine Studien begann, mit decorativer Malereien, die er für den Pavillon der Schalter Eisenwerke ausgeführt hat, Unglück gehabt. Auch diese Tableaux, welche die Gewinnung und Bearbeitung des Eisens in verschiedenen Stadien darstellen, leiden an einer auffallenden Leblosigkeit und an großer Trockenheit der Farbe.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/379>, abgerufen am 01.10.2024.