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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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Domes von Orvieto wie in dem umfangreichen Gemälde im Dom von Cortona,
wo beidemal das Hnnpt des am Boden liegenden Leichnams von der knieenden
Madonna gestützt wird, während Magdalena die eine Hand desselben umfaßt
hält und mehrere andere Figuren der Scene stehend beiwohnen. Namentlich
die letztgenannte der beiden Compositionen, in der eine zweite weibliche Gestalt
zu Füßen des Todten knieet, ist von ergreifendster tragischer Stimmung durch¬
drungen.

Die nächste Hauptstufe der Entwicklung des Gegenstandes innerhalb der
toscanischen Kunst, welche durch die schöne Composition des Fra Barto-
lommeo im Palazzo Pitti bezeichnet wird, macht einen Rückblick auf die ein¬
schlägigen Leistungen der Umbrier nöthig, da eine derselben die unverkennbare
Grundlage für jene bildet.

Eine für die Zeit ihrer Entstehung "och ziemlich unbeholfene umbrische
Arbeit findet sich in S. Pietro fuori bei Perugia am Ende des linken Seiten¬
schiffes. Es ist dies ein mit dem Datum 1469 bezeichnetes Fresco des Benedetto
Bonfigli. Die heil. Jungfrau, welche umgeben von den Heiligen Hieronymus
und Leonardo auf dem Grabe sitzt, hält den auf ihrem Schoße liegenden Leichnam
mit beiden Armen umschlungen, ihr Antlitz dem seinigen zuneigend. Die Körper¬
verhältnisse der Figuren sind fehlerhaft, die Hände sogar arg verzeichnet, die
schmerzliche Erregung der Madonna mehr durch die Haltung ihres Körpers und
das feste Umschlingen des Todten als durch deu Ausdruck des Gesichtes gekenn¬
zeichnet. Indem wir anonyme Werke umbrischen Ursprungs, wie sich deren
z. B. mehrere in der Pinakothek zu Perugia siudeu, übergehen, wenden wir uns
zu dem Hauptmeister der Schule, zu Perugino, der sich mehrere Male mit
dem Gegenstande beschäftigt hat. Zwei dieser Werke sind verschollen, von den
übrigen drei, die uns bekannt, erscheint es gerathen, das zweite, seiner reifsten
Periode angehörige Gemälde, zuletzt zu betrachten, da dasselbe, wie bereits an¬
gedeutet, mit der Entwicklung der Pietädarstellungen ans toscanischen Boden
in unmittelbarem Zusammenhange steht, und zunächst die beiden anderen, übrigens
einander näher verwandten Compositionen ins Auge zu fassen. Die erste derselben,
in der Akademie der schönen Künste zu Florenz aufbewahrt*), von dein Künstler
während seines Florentiner Aufenthaltes ausgeführt, zeigt die in tiefe Trauer
versunkene Madonna vor einer Säulenhalle sitzend, auf dem Schoße den trefflich
gezeichneten Leichnam des Sohnes, dessen Oberkörper Joseph von Arimathia
stützt, während die knieende Magdalena die Füße des Todten auf ihrem Schoße
ruhen läßt. "Unter Perugino's Händen," so lautet die treffende Charakteristik
des Bildes bei Crowe und Cavalcaselle**), die hier unverkürzt Platz finden



*) pati. aei eins,ari xraliäi Ur. 63. -- **) Deutsche Ausgabe IV, 202.

Domes von Orvieto wie in dem umfangreichen Gemälde im Dom von Cortona,
wo beidemal das Hnnpt des am Boden liegenden Leichnams von der knieenden
Madonna gestützt wird, während Magdalena die eine Hand desselben umfaßt
hält und mehrere andere Figuren der Scene stehend beiwohnen. Namentlich
die letztgenannte der beiden Compositionen, in der eine zweite weibliche Gestalt
zu Füßen des Todten knieet, ist von ergreifendster tragischer Stimmung durch¬
drungen.

Die nächste Hauptstufe der Entwicklung des Gegenstandes innerhalb der
toscanischen Kunst, welche durch die schöne Composition des Fra Barto-
lommeo im Palazzo Pitti bezeichnet wird, macht einen Rückblick auf die ein¬
schlägigen Leistungen der Umbrier nöthig, da eine derselben die unverkennbare
Grundlage für jene bildet.

Eine für die Zeit ihrer Entstehung «och ziemlich unbeholfene umbrische
Arbeit findet sich in S. Pietro fuori bei Perugia am Ende des linken Seiten¬
schiffes. Es ist dies ein mit dem Datum 1469 bezeichnetes Fresco des Benedetto
Bonfigli. Die heil. Jungfrau, welche umgeben von den Heiligen Hieronymus
und Leonardo auf dem Grabe sitzt, hält den auf ihrem Schoße liegenden Leichnam
mit beiden Armen umschlungen, ihr Antlitz dem seinigen zuneigend. Die Körper¬
verhältnisse der Figuren sind fehlerhaft, die Hände sogar arg verzeichnet, die
schmerzliche Erregung der Madonna mehr durch die Haltung ihres Körpers und
das feste Umschlingen des Todten als durch deu Ausdruck des Gesichtes gekenn¬
zeichnet. Indem wir anonyme Werke umbrischen Ursprungs, wie sich deren
z. B. mehrere in der Pinakothek zu Perugia siudeu, übergehen, wenden wir uns
zu dem Hauptmeister der Schule, zu Perugino, der sich mehrere Male mit
dem Gegenstande beschäftigt hat. Zwei dieser Werke sind verschollen, von den
übrigen drei, die uns bekannt, erscheint es gerathen, das zweite, seiner reifsten
Periode angehörige Gemälde, zuletzt zu betrachten, da dasselbe, wie bereits an¬
gedeutet, mit der Entwicklung der Pietädarstellungen ans toscanischen Boden
in unmittelbarem Zusammenhange steht, und zunächst die beiden anderen, übrigens
einander näher verwandten Compositionen ins Auge zu fassen. Die erste derselben,
in der Akademie der schönen Künste zu Florenz aufbewahrt*), von dein Künstler
während seines Florentiner Aufenthaltes ausgeführt, zeigt die in tiefe Trauer
versunkene Madonna vor einer Säulenhalle sitzend, auf dem Schoße den trefflich
gezeichneten Leichnam des Sohnes, dessen Oberkörper Joseph von Arimathia
stützt, während die knieende Magdalena die Füße des Todten auf ihrem Schoße
ruhen läßt. „Unter Perugino's Händen," so lautet die treffende Charakteristik
des Bildes bei Crowe und Cavalcaselle**), die hier unverkürzt Platz finden



*) pati. aei eins,ari xraliäi Ur. 63. — **) Deutsche Ausgabe IV, 202.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/37>, abgerufen am 23.07.2024.