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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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Rhodus, aus dieser Epoche. Der Sonnengott ist noch im Profil vorgestellt nud
von unglaublicher Schönheit, anstatt daß die spätern nach der Errichtung des
Coloß geprägten, das Gesicht von vorne zeigen. Die Mionetsche Müuzpasten-
sammluug hat keine andere als von dieser Art, Wie sehr wünschte ich mich
durch das Anschauen solcher Schätze unter Ihrer Leitung und Auslegung be¬
lehren zu können.

In diesen Tagen sind ein paar geschickte Musiker, von Weber und Bar-
acan, bey uns mit großem Beyfall aufgenommen worden, den sie auf alle
Weise verdienen. Ew. Wohlgeboren kennen diese schönen Talente gewiß selbst
und haben schon durch sie manches Vergnügen genossen.

Darf ich noch ein Blättchen beylegen, in -welchem eine Sammlung von
Handschriften verzeichnet ist, die ich besitze. Könnten Sie von frühern und mit¬
lebenden Baiern mir dergleichen verschaffen, so geschähe mir eine besondere Ge¬
fälligkeit. Sollte nicht von dem wackern Aventin eine Zeile vorhanden seyn.


Mich zu geneigtem Andencken empfehlend
W. d. 31 Jan. Ew. Wohlgeb. ergebenster Dr
Goethe 1812

Der Brief wurde Riemern in die Feder dictirt; Goethe fügte nur die (ge¬
sperrt gedruckten) Worte am Schlüsse und die Unterschrift hinzu. Die auf Jacob i
bezügliche Stelle ist bereits von Henke, Jac. Fricdr. Fries S. 321 mitgetheilt worden,
nach einer Abschrift, die Jacobi selbst einem von München aus am 23. Februar
1812 an Gries gerichteten Briefe mit den Worten: "Ich lege Ihnen eiuen Goethe'-
schen Gruß an mich in Abschrift bei, er wird Ihnen gefallen", beifügte.

Adolf Heinrich Friedrich Schlichtegroll war im Jahre 1807 Director und
Geueralseeretär der neugestifteten Akademie zu München geworden. Schon an seinem
früheren Wohnort Gotha, wo er Bibliothekar und Aufseher des Münzcabiuets ge¬
wesen, wird Goethe seine Bekanntschaft gemacht haben. Mivnnet, Beamter des
Münzcabincts an der großen Pariser Bibliothek, hatte ein neues Verfahren erfunden,
überaus gelungene Münzpasten zu machen, und Goethe hatte solche nach Pariser
Originalen bereits im Jahre 1802 erhalten und sehr bewundert.

Die Auslassung über Jacobi geschieht auf Grund der von diesem 1811 heraus¬
gegebenen Schrift: "Von den göttlichen Dingen und ihrer Offenbarung", die, wie
wir aus sonstigen Aeußerungen Goethes entnehmen können, diesem recht mißfallen
hatte, wenn er sich auch im vorliegenden Briefe, so wie in einen: an Jacobi selbst
am 10. Mai 1812 gesandten, nicht in der Schärfe, wie z. B. gegen seinen Vertrauten
Knebel, aussprach. Das Gedicht "Groß ist die Diana der Epheser" gab seiner
Ansicht Ausdruck. Wurde es auch erst 1815 in die Werke aufgenommen, so konnte
Jacobi die Beziehung, die in demselben lag, unmöglich verkennen, denn bereits in
dem Briefe Goethes vom 10. Mai 1812 findet sich Folgendes: "Ich würde jedoch
die alte Reinheit und Aufrichtigkeit verletzen, wenn ich Dir verschwiege, daß mich
das Büchlein ziemlich indisponirt hat. Ich bin nun einmal einer der Ephesischen


Rhodus, aus dieser Epoche. Der Sonnengott ist noch im Profil vorgestellt nud
von unglaublicher Schönheit, anstatt daß die spätern nach der Errichtung des
Coloß geprägten, das Gesicht von vorne zeigen. Die Mionetsche Müuzpasten-
sammluug hat keine andere als von dieser Art, Wie sehr wünschte ich mich
durch das Anschauen solcher Schätze unter Ihrer Leitung und Auslegung be¬
lehren zu können.

In diesen Tagen sind ein paar geschickte Musiker, von Weber und Bar-
acan, bey uns mit großem Beyfall aufgenommen worden, den sie auf alle
Weise verdienen. Ew. Wohlgeboren kennen diese schönen Talente gewiß selbst
und haben schon durch sie manches Vergnügen genossen.

Darf ich noch ein Blättchen beylegen, in -welchem eine Sammlung von
Handschriften verzeichnet ist, die ich besitze. Könnten Sie von frühern und mit¬
lebenden Baiern mir dergleichen verschaffen, so geschähe mir eine besondere Ge¬
fälligkeit. Sollte nicht von dem wackern Aventin eine Zeile vorhanden seyn.


Mich zu geneigtem Andencken empfehlend
W. d. 31 Jan. Ew. Wohlgeb. ergebenster Dr
Goethe 1812

Der Brief wurde Riemern in die Feder dictirt; Goethe fügte nur die (ge¬
sperrt gedruckten) Worte am Schlüsse und die Unterschrift hinzu. Die auf Jacob i
bezügliche Stelle ist bereits von Henke, Jac. Fricdr. Fries S. 321 mitgetheilt worden,
nach einer Abschrift, die Jacobi selbst einem von München aus am 23. Februar
1812 an Gries gerichteten Briefe mit den Worten: „Ich lege Ihnen eiuen Goethe'-
schen Gruß an mich in Abschrift bei, er wird Ihnen gefallen", beifügte.

Adolf Heinrich Friedrich Schlichtegroll war im Jahre 1807 Director und
Geueralseeretär der neugestifteten Akademie zu München geworden. Schon an seinem
früheren Wohnort Gotha, wo er Bibliothekar und Aufseher des Münzcabiuets ge¬
wesen, wird Goethe seine Bekanntschaft gemacht haben. Mivnnet, Beamter des
Münzcabincts an der großen Pariser Bibliothek, hatte ein neues Verfahren erfunden,
überaus gelungene Münzpasten zu machen, und Goethe hatte solche nach Pariser
Originalen bereits im Jahre 1802 erhalten und sehr bewundert.

Die Auslassung über Jacobi geschieht auf Grund der von diesem 1811 heraus¬
gegebenen Schrift: „Von den göttlichen Dingen und ihrer Offenbarung", die, wie
wir aus sonstigen Aeußerungen Goethes entnehmen können, diesem recht mißfallen
hatte, wenn er sich auch im vorliegenden Briefe, so wie in einen: an Jacobi selbst
am 10. Mai 1812 gesandten, nicht in der Schärfe, wie z. B. gegen seinen Vertrauten
Knebel, aussprach. Das Gedicht „Groß ist die Diana der Epheser" gab seiner
Ansicht Ausdruck. Wurde es auch erst 1815 in die Werke aufgenommen, so konnte
Jacobi die Beziehung, die in demselben lag, unmöglich verkennen, denn bereits in
dem Briefe Goethes vom 10. Mai 1812 findet sich Folgendes: „Ich würde jedoch
die alte Reinheit und Aufrichtigkeit verletzen, wenn ich Dir verschwiege, daß mich
das Büchlein ziemlich indisponirt hat. Ich bin nun einmal einer der Ephesischen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/361>, abgerufen am 23.07.2024.