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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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Entschuldigung, daß deren nicht wenige sind. Es geht ein Tag nach dem andern,
unter so mancherley Beschäftigungen hin, daß mau immer die Augen aus die
Nähe gerichtet haben muß, und der Blick in die Ferne weniger frisch bleibt.

In dem gegenwärtigen Falle kommt noch dazu, daß die bey mir gethane
Anfrage zwar ehrenvoll, aber bedenklich ist: denn es ist aus manchen Gründen
schwer, eine Inschrift zu finden, ja sogar zu beurtheilen; nud so viel deren
in der Welt auch aufgestellt sind, so schwierig wird immer eine neue für
jeden der nicht ein angebornes Talent dazu hat; in welchem Fall Herr von
Birkenstock war, der gleichsam im Lapidarstyl dachte. Hier folgen ein paar
lnteiuische und deutsche, die wir gleich, nachdem wir Ihren Wunsch vernommen,
aufgesetzt hatten, aber selbst zweifelhaft darüber sie bis jetzt liegen ließen. Nun
aber mögen sie denn doch abgehen. Das Frühjahr naht allmählich und Sie
sind vielleicht in dem Fall nächstens Ihren Garten einzuweihen; wozu ich alles
Glück wünsche. Das mir mitgetheilte Distichon würde die innere Seite des
Portals recht wohl zieren.

Grüßen Sie meinen Freund Jacobi auf das allerbeste. Ich habe sein Werk
mit vielem Antheil, ja wiederholt gelesen. Er setzt die Ueberzeugung und das
Interesse der Seite auf der er steht mit so großer Einsicht als Liebe und
Wärme auseinander, und dieß muß ja auch demjenigen höchst erwünscht seyn,
der sich von der andern Seite her in einem so treuen, tief und wohldenkenden
Freunde bespiegelt.

Freylich tritt er mir der lieben Natur, wie man zu sagen pflegt, etwas zu
nahe; allein das verarge ich ihm nicht. Nach seiner Natur, und dem Wege,
den er von jeher genommen, muß sein Gott sich immer mehr von der Welt
absondern, da der meinige sich immermehr in sie verschlingt. Beydes ist auch
ganz recht: denn gerade dadurch wird es eine Menschheit, daß, wie so manches
andere sich entgegensteht, es auch Autiuomieen der Ueberzeugung gibt. Diese zu
studiren macht mir das größte Vergnügen, seitdem ich mich zur Wissenschaft und
ihrer Geschichte gewandt habe.

Grüßen Sie mir den Freund wiederholt zum allerschönsten.

Da in Absicht auf antike Kunst das Beste was ich neben mir habe die
'"ionetischen Münzpasten sind, so denke ich manchmal mit einigem Neid an das
Glück das Ihnen geschenkt ist, die kostbarste" Originale vor sich zu haben.
Sollte sich wie mir nicht unwahrscheinlich ist, in München Jemand finden, der
solche Schwefelabgüsse nach Mionetischer Art verfertigte, so würde ich Sie er¬
suchen, mir gefällig einige, und wenn es auch nur ein Duzzend wären, gelegent¬
lich zu senden. Da mich der Styl der Kunst darau vorzüglich interessirt, so
würden mir besonders solche höchst erfreulich seyn, welche in der Zeit zwischen
Phidias und Lysippus geprägt sind. Ich besitze selbst eine kleine Münze von


Entschuldigung, daß deren nicht wenige sind. Es geht ein Tag nach dem andern,
unter so mancherley Beschäftigungen hin, daß mau immer die Augen aus die
Nähe gerichtet haben muß, und der Blick in die Ferne weniger frisch bleibt.

In dem gegenwärtigen Falle kommt noch dazu, daß die bey mir gethane
Anfrage zwar ehrenvoll, aber bedenklich ist: denn es ist aus manchen Gründen
schwer, eine Inschrift zu finden, ja sogar zu beurtheilen; nud so viel deren
in der Welt auch aufgestellt sind, so schwierig wird immer eine neue für
jeden der nicht ein angebornes Talent dazu hat; in welchem Fall Herr von
Birkenstock war, der gleichsam im Lapidarstyl dachte. Hier folgen ein paar
lnteiuische und deutsche, die wir gleich, nachdem wir Ihren Wunsch vernommen,
aufgesetzt hatten, aber selbst zweifelhaft darüber sie bis jetzt liegen ließen. Nun
aber mögen sie denn doch abgehen. Das Frühjahr naht allmählich und Sie
sind vielleicht in dem Fall nächstens Ihren Garten einzuweihen; wozu ich alles
Glück wünsche. Das mir mitgetheilte Distichon würde die innere Seite des
Portals recht wohl zieren.

Grüßen Sie meinen Freund Jacobi auf das allerbeste. Ich habe sein Werk
mit vielem Antheil, ja wiederholt gelesen. Er setzt die Ueberzeugung und das
Interesse der Seite auf der er steht mit so großer Einsicht als Liebe und
Wärme auseinander, und dieß muß ja auch demjenigen höchst erwünscht seyn,
der sich von der andern Seite her in einem so treuen, tief und wohldenkenden
Freunde bespiegelt.

Freylich tritt er mir der lieben Natur, wie man zu sagen pflegt, etwas zu
nahe; allein das verarge ich ihm nicht. Nach seiner Natur, und dem Wege,
den er von jeher genommen, muß sein Gott sich immer mehr von der Welt
absondern, da der meinige sich immermehr in sie verschlingt. Beydes ist auch
ganz recht: denn gerade dadurch wird es eine Menschheit, daß, wie so manches
andere sich entgegensteht, es auch Autiuomieen der Ueberzeugung gibt. Diese zu
studiren macht mir das größte Vergnügen, seitdem ich mich zur Wissenschaft und
ihrer Geschichte gewandt habe.

Grüßen Sie mir den Freund wiederholt zum allerschönsten.

Da in Absicht auf antike Kunst das Beste was ich neben mir habe die
'"ionetischen Münzpasten sind, so denke ich manchmal mit einigem Neid an das
Glück das Ihnen geschenkt ist, die kostbarste« Originale vor sich zu haben.
Sollte sich wie mir nicht unwahrscheinlich ist, in München Jemand finden, der
solche Schwefelabgüsse nach Mionetischer Art verfertigte, so würde ich Sie er¬
suchen, mir gefällig einige, und wenn es auch nur ein Duzzend wären, gelegent¬
lich zu senden. Da mich der Styl der Kunst darau vorzüglich interessirt, so
würden mir besonders solche höchst erfreulich seyn, welche in der Zeit zwischen
Phidias und Lysippus geprägt sind. Ich besitze selbst eine kleine Münze von


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/360>, abgerufen am 23.07.2024.