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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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Mit Jacob und Wilhelm Grimm wurde Mensebach schon früh bekannt.
An die öfteren persönlichen Berührungen in Cassel und Göttingen knüpfte sich
ein Briefwechsel, der bis wenige Tage vor Meusebachs Tode fortgesetzt worden
ist. Dem Herausgeber dieser Korrespondenz gebührt das Lob fleißiger Arbeit
und sorgfältiger Forschung. Er hat in den beigegebenen Anmerkungen nicht
nur mit Gelehrsamkeit und richtigem Maß alles der Erklärung bedürftige Detail
möglichst aufgehellt, sondern auch nach der biographischen Seite hin und zur
Entwicklungsgeschichte der zwischen den Schreibenden verhandelten wissenschaft¬
lichen Fragen aus gleichzeitigen, besonders ungedruckten Quellen weitere dan-
kenswerthe Beiträge geliefert. Mit der betreffenden Literatur ist der Heraus¬
geber hinreichend vertraut, um in den Zusätzen seinem Stoffe gegenüber die
nothwendige Selbständigkeit behaupten zu können. Die scharf ausgeprägte Eigen¬
art der drei bedeutenden, so verschieden gearteten Männer tritt, abgesehen von
ihren eigenen, ebenso bestimmten wie wohlthuenden und immer natürlichen Aeuße¬
rungen in ihren Briefen durch Weudelers Erläuterungen noch in ein helleres
Licht. Der Briefwechsel umfaßt einen Zeitraum von 26 Jahren; der erste
mitgetheilte Brief von Meusebach ist datirt Berlin den 10. Juli 1820, der
letzte abgedruckte Brief von Wilhelm Grimm trägt das Datum Berlin 9. Juli
1840. Es sind das also die Jahre, während deren die deutsche Alterthums¬
wissenschaft eigentlich erst von den beiden Brüdern Grimm geschaffen wurde,
während deren der ältere, Jacob, mit seinen drei unvergänglichen Werken, der
"Deutschen Grammatik", den "Rechts-Alterthümern" und der "Mythologie" geradezu
je eine Wissenschaft begründete, der jüngere, Wilhelm, durch eine Reihe muster-
giltiger Ausgaben mittelhochdeutscher Dichter und feine, geistvolle, gleichmüßig
saubere Abhandlungen die Wissenschaft bereicherte. In den Briefen dieser beiden
richt denn auch unverkennbar der Schwerpunkt des vorliegenden Werkes. Wir
erhalten auch hier wiederum aus rührenden Einzelheiten die Bestätigung, daß
die Brüder Grimm in der trautesten Gemeinschaft unzertrennlich mit einander
gelebt, gedacht und gearbeitet haben, jeder aber seinen eigenen Weg ging nach
der Verschiedenheit der gegenseitig anerkannten Individualität. Die Briefe sind
mit kindlicher Frische und immer gleicher hingebender Empfindung geschrieben
-- durchweg ein Ausdruck der edelsten Natur, reichen Geistes und wahrhaft
jugendlichen Gemüthes. Sie gewähren uns neben reicher wissenschaftlicher Aus¬
beute auch ein liebenswürdiges Bild von dem gemüthlichen Familiensinne des
berühmten Brüderpaares und ergänzen nach dieser Richtung in erfreulicher Weise
die von Neifferscheid herausgegebenen Freundesbriefe von W. und I. Grimm


der Brüder Grimm nach Berlin. Hcrmisgcgcvcn von Or> Ccimillns Wendeler. Mit
einem Bildnis! in Lichtdruck. Heilbronn, Gebr. Henninger, 1880.

Mit Jacob und Wilhelm Grimm wurde Mensebach schon früh bekannt.
An die öfteren persönlichen Berührungen in Cassel und Göttingen knüpfte sich
ein Briefwechsel, der bis wenige Tage vor Meusebachs Tode fortgesetzt worden
ist. Dem Herausgeber dieser Korrespondenz gebührt das Lob fleißiger Arbeit
und sorgfältiger Forschung. Er hat in den beigegebenen Anmerkungen nicht
nur mit Gelehrsamkeit und richtigem Maß alles der Erklärung bedürftige Detail
möglichst aufgehellt, sondern auch nach der biographischen Seite hin und zur
Entwicklungsgeschichte der zwischen den Schreibenden verhandelten wissenschaft¬
lichen Fragen aus gleichzeitigen, besonders ungedruckten Quellen weitere dan-
kenswerthe Beiträge geliefert. Mit der betreffenden Literatur ist der Heraus¬
geber hinreichend vertraut, um in den Zusätzen seinem Stoffe gegenüber die
nothwendige Selbständigkeit behaupten zu können. Die scharf ausgeprägte Eigen¬
art der drei bedeutenden, so verschieden gearteten Männer tritt, abgesehen von
ihren eigenen, ebenso bestimmten wie wohlthuenden und immer natürlichen Aeuße¬
rungen in ihren Briefen durch Weudelers Erläuterungen noch in ein helleres
Licht. Der Briefwechsel umfaßt einen Zeitraum von 26 Jahren; der erste
mitgetheilte Brief von Meusebach ist datirt Berlin den 10. Juli 1820, der
letzte abgedruckte Brief von Wilhelm Grimm trägt das Datum Berlin 9. Juli
1840. Es sind das also die Jahre, während deren die deutsche Alterthums¬
wissenschaft eigentlich erst von den beiden Brüdern Grimm geschaffen wurde,
während deren der ältere, Jacob, mit seinen drei unvergänglichen Werken, der
„Deutschen Grammatik", den „Rechts-Alterthümern" und der „Mythologie" geradezu
je eine Wissenschaft begründete, der jüngere, Wilhelm, durch eine Reihe muster-
giltiger Ausgaben mittelhochdeutscher Dichter und feine, geistvolle, gleichmüßig
saubere Abhandlungen die Wissenschaft bereicherte. In den Briefen dieser beiden
richt denn auch unverkennbar der Schwerpunkt des vorliegenden Werkes. Wir
erhalten auch hier wiederum aus rührenden Einzelheiten die Bestätigung, daß
die Brüder Grimm in der trautesten Gemeinschaft unzertrennlich mit einander
gelebt, gedacht und gearbeitet haben, jeder aber seinen eigenen Weg ging nach
der Verschiedenheit der gegenseitig anerkannten Individualität. Die Briefe sind
mit kindlicher Frische und immer gleicher hingebender Empfindung geschrieben
— durchweg ein Ausdruck der edelsten Natur, reichen Geistes und wahrhaft
jugendlichen Gemüthes. Sie gewähren uns neben reicher wissenschaftlicher Aus¬
beute auch ein liebenswürdiges Bild von dem gemüthlichen Familiensinne des
berühmten Brüderpaares und ergänzen nach dieser Richtung in erfreulicher Weise
die von Neifferscheid herausgegebenen Freundesbriefe von W. und I. Grimm


der Brüder Grimm nach Berlin. Hcrmisgcgcvcn von Or> Ccimillns Wendeler. Mit
einem Bildnis! in Lichtdruck. Heilbronn, Gebr. Henninger, 1880.
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[0341] Mit Jacob und Wilhelm Grimm wurde Mensebach schon früh bekannt. An die öfteren persönlichen Berührungen in Cassel und Göttingen knüpfte sich ein Briefwechsel, der bis wenige Tage vor Meusebachs Tode fortgesetzt worden ist. Dem Herausgeber dieser Korrespondenz gebührt das Lob fleißiger Arbeit und sorgfältiger Forschung. Er hat in den beigegebenen Anmerkungen nicht nur mit Gelehrsamkeit und richtigem Maß alles der Erklärung bedürftige Detail möglichst aufgehellt, sondern auch nach der biographischen Seite hin und zur Entwicklungsgeschichte der zwischen den Schreibenden verhandelten wissenschaft¬ lichen Fragen aus gleichzeitigen, besonders ungedruckten Quellen weitere dan- kenswerthe Beiträge geliefert. Mit der betreffenden Literatur ist der Heraus¬ geber hinreichend vertraut, um in den Zusätzen seinem Stoffe gegenüber die nothwendige Selbständigkeit behaupten zu können. Die scharf ausgeprägte Eigen¬ art der drei bedeutenden, so verschieden gearteten Männer tritt, abgesehen von ihren eigenen, ebenso bestimmten wie wohlthuenden und immer natürlichen Aeuße¬ rungen in ihren Briefen durch Weudelers Erläuterungen noch in ein helleres Licht. Der Briefwechsel umfaßt einen Zeitraum von 26 Jahren; der erste mitgetheilte Brief von Meusebach ist datirt Berlin den 10. Juli 1820, der letzte abgedruckte Brief von Wilhelm Grimm trägt das Datum Berlin 9. Juli 1840. Es sind das also die Jahre, während deren die deutsche Alterthums¬ wissenschaft eigentlich erst von den beiden Brüdern Grimm geschaffen wurde, während deren der ältere, Jacob, mit seinen drei unvergänglichen Werken, der „Deutschen Grammatik", den „Rechts-Alterthümern" und der „Mythologie" geradezu je eine Wissenschaft begründete, der jüngere, Wilhelm, durch eine Reihe muster- giltiger Ausgaben mittelhochdeutscher Dichter und feine, geistvolle, gleichmüßig saubere Abhandlungen die Wissenschaft bereicherte. In den Briefen dieser beiden richt denn auch unverkennbar der Schwerpunkt des vorliegenden Werkes. Wir erhalten auch hier wiederum aus rührenden Einzelheiten die Bestätigung, daß die Brüder Grimm in der trautesten Gemeinschaft unzertrennlich mit einander gelebt, gedacht und gearbeitet haben, jeder aber seinen eigenen Weg ging nach der Verschiedenheit der gegenseitig anerkannten Individualität. Die Briefe sind mit kindlicher Frische und immer gleicher hingebender Empfindung geschrieben — durchweg ein Ausdruck der edelsten Natur, reichen Geistes und wahrhaft jugendlichen Gemüthes. Sie gewähren uns neben reicher wissenschaftlicher Aus¬ beute auch ein liebenswürdiges Bild von dem gemüthlichen Familiensinne des berühmten Brüderpaares und ergänzen nach dieser Richtung in erfreulicher Weise die von Neifferscheid herausgegebenen Freundesbriefe von W. und I. Grimm der Brüder Grimm nach Berlin. Hcrmisgcgcvcn von Or> Ccimillns Wendeler. Mit einem Bildnis! in Lichtdruck. Heilbronn, Gebr. Henninger, 1880.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/341>, abgerufen am 23.07.2024.