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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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die wichtigsten mit. Dahin gehören z. B. nachstehende Bestimmungen. Die Zahl
der ordentlichen und außerordentlichen Schutzjuden ist fixirt (nach den dem
Reglement beigelegten Listen), unvergleitete Juden werden nicht geduldet, die
ordentlichen dürfen ihren Schutz auf ein Kind vererben, wenn dasselbe 1(M
Thaler Baarvermögen besitzt. Juden, die nicht Kaufleute oder Gemeindediener
sind, gehören zu den außerordentlichen Schutzjuden. Jüdische Dienstboten dürfen
nicht heirathen. Für die richtige Zahlung des Schutzgeldes haftet "die ganze
Judenschaft der rsLxßvtlvo Provintzien in solicwm". Um zu große Concurrenz
der Juden unter einander und den christlichen Kaufleuten und Handwerkern
gegenüber zu verhindern, verfügte Artikel 11: "Daß kein Jude ein bürgerliches
Handwerck treiben, noch anßer dem Petschierstechen, Mahlen, Optischen-, Gläser-,
Diamant- und Stein-Schleifen, Gold- und Silbersticken, wovon sich keine privllo
Zirto Zünfte finden, sich anmaßen, besonders auch kein Bier brauen und Brandte-
wein brennen solle. Er meldete Petschierstecher aber müssen sich bei jeder Ortsobrig¬
keit eydlich verbinden, daß sie keine falsche ^"oiss-, Zoll- und andere tgi. Siegel,
noch weniger aber Müntzstempel, sie seyen von Unserem oder anderer Potentaten
Gepräge, bei Straffe der Karre und gäntzlichen Verluste des Schutzes stechen
oder verkaufen wollen. Diejenigen Juden, welche von Uns zur Errichtung ge¬
wisser Sorten von Fabriqnen besondere Lonosssionss erhalten mögen, sollen da¬
bey aufs kräftigste geschützet werde"." Der Handel mit inländischer Wolle und
Garn wurde den Juden dnrch das Reglement verboten, der mit Händen und
Leder mit Beschränkungen umgeben. Sie sollten weder Hausirer noch ihre
Waaren anpreisen dürfen. Betteljuden wurden im Lande nicht geduldet. Der
höchste jüdischen Geldleuten erlaubte Zinsfuß sollte 12 Procent sein. Die Zahl
der jüdischen Häuser in Berlin, damals 40, durste nicht vermehrt werden, nir¬
gends durften die Juden Wirthshäuser besitzen, und ebenso wenig war ihnen
der Ankauf ländlicher Güter gestattet. Nach Artikel 33 endlich durfte kein Jude
auf dem platten Lande wohnen, und die Zahl der für jede Stadt bestimmten
Schutzbriefe durfte ohne besondere Erlaubniß nicht überschritten werden.

Dieses Reglement erging am 17. April 1750. Bald aber bemerkte der
König mit Mißfallen, daß die Juden sich in seinen Landen mehrten, und so
folgte schon am 13. Januar 1751 ein Rescript, welches nur denjenigen ein
Privilegium ertheilt wissen wollte, die neue Fabriken anlegten. Den gleichen
Zweck hatte ein Erlaß vom 2b. März 1753, welcher den Kriegs- und Domänen-
kammern anbefahl, "alle ersinnlichen Mittel anzuwenden, daß die Anzahl der
Judenköpfe nicht vermehret werden möge", und insbesondere verbot, die dnrch
Tod oder in Folge von Verbrechen cassirten Schutzbriefe ans andere Personen
übergehen zu lassen. Wiederholt wurden einzelne Bestimmungen des Reglements,


Von den hierauf folgenden 33 Artikeln des Reglements theilt unfere Schrift
die wichtigsten mit. Dahin gehören z. B. nachstehende Bestimmungen. Die Zahl
der ordentlichen und außerordentlichen Schutzjuden ist fixirt (nach den dem
Reglement beigelegten Listen), unvergleitete Juden werden nicht geduldet, die
ordentlichen dürfen ihren Schutz auf ein Kind vererben, wenn dasselbe 1(M
Thaler Baarvermögen besitzt. Juden, die nicht Kaufleute oder Gemeindediener
sind, gehören zu den außerordentlichen Schutzjuden. Jüdische Dienstboten dürfen
nicht heirathen. Für die richtige Zahlung des Schutzgeldes haftet „die ganze
Judenschaft der rsLxßvtlvo Provintzien in solicwm". Um zu große Concurrenz
der Juden unter einander und den christlichen Kaufleuten und Handwerkern
gegenüber zu verhindern, verfügte Artikel 11: „Daß kein Jude ein bürgerliches
Handwerck treiben, noch anßer dem Petschierstechen, Mahlen, Optischen-, Gläser-,
Diamant- und Stein-Schleifen, Gold- und Silbersticken, wovon sich keine privllo
Zirto Zünfte finden, sich anmaßen, besonders auch kein Bier brauen und Brandte-
wein brennen solle. Er meldete Petschierstecher aber müssen sich bei jeder Ortsobrig¬
keit eydlich verbinden, daß sie keine falsche ^«oiss-, Zoll- und andere tgi. Siegel,
noch weniger aber Müntzstempel, sie seyen von Unserem oder anderer Potentaten
Gepräge, bei Straffe der Karre und gäntzlichen Verluste des Schutzes stechen
oder verkaufen wollen. Diejenigen Juden, welche von Uns zur Errichtung ge¬
wisser Sorten von Fabriqnen besondere Lonosssionss erhalten mögen, sollen da¬
bey aufs kräftigste geschützet werde«." Der Handel mit inländischer Wolle und
Garn wurde den Juden dnrch das Reglement verboten, der mit Händen und
Leder mit Beschränkungen umgeben. Sie sollten weder Hausirer noch ihre
Waaren anpreisen dürfen. Betteljuden wurden im Lande nicht geduldet. Der
höchste jüdischen Geldleuten erlaubte Zinsfuß sollte 12 Procent sein. Die Zahl
der jüdischen Häuser in Berlin, damals 40, durste nicht vermehrt werden, nir¬
gends durften die Juden Wirthshäuser besitzen, und ebenso wenig war ihnen
der Ankauf ländlicher Güter gestattet. Nach Artikel 33 endlich durfte kein Jude
auf dem platten Lande wohnen, und die Zahl der für jede Stadt bestimmten
Schutzbriefe durfte ohne besondere Erlaubniß nicht überschritten werden.

Dieses Reglement erging am 17. April 1750. Bald aber bemerkte der
König mit Mißfallen, daß die Juden sich in seinen Landen mehrten, und so
folgte schon am 13. Januar 1751 ein Rescript, welches nur denjenigen ein
Privilegium ertheilt wissen wollte, die neue Fabriken anlegten. Den gleichen
Zweck hatte ein Erlaß vom 2b. März 1753, welcher den Kriegs- und Domänen-
kammern anbefahl, „alle ersinnlichen Mittel anzuwenden, daß die Anzahl der
Judenköpfe nicht vermehret werden möge", und insbesondere verbot, die dnrch
Tod oder in Folge von Verbrechen cassirten Schutzbriefe ans andere Personen
übergehen zu lassen. Wiederholt wurden einzelne Bestimmungen des Reglements,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/333>, abgerufen am 23.07.2024.