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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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und Marginalresolutionen, die sich auf die Verhältnisse der Juden unter Fried¬
richs Regierung beziehen.

1573 hatte Kurfürst Johann Georg sämmtliche Juden aus der Mark ver¬
trieben, "worüber im ganzen Lande eine allgemeine Freude entstanden war".
Dieselbe dauerte aber nicht lange, denn bald bezogen sie mit Erlaubniß der
Regierung wenigstens wieder die Jahrmärkte, und 16K1 gestattete ihnen der
große Kurfürst gegen ein Schutzgeld die Niederlassung in seinen Landen von
neuem und ließ es auch "nicht ohne wiederholte Klagen der Brandenburgischen
Stände" bei dieser Duldung. Sein Nachfolger, der erste König von Preußen,
war den Juden im allgemeinen gewogen und erwies ihnen manches Gute, ob¬
wohl er Ursache fand, in einem seiner Edicte zu bemerken, sie "sollten billig sich
entsetzen", seinem "Interesse so vorsätzlich zu schaden". Anders verfuhr sein
Sohn, Friedrich Wilhelm I.; er erließ gegen die Juden nicht nur Wuchergesetze,
sondern bemühte sich anch, ihre Zahl in Preußen zu beschränken. Doch schützte
und belohnte er auch andererseits rechtschaffene und nützliche Leute unter ihnen,
und 1730 erschien ans seinen Befehl das erste "Generaljndenprivileginm" in
Preußen, das auch unter seinem Nachfolger, Friedrich dem Großen, noch ge¬
raume Zeit fortgslt. Erst 1750 wurde es durch das vom Könige selbst sorg¬
fältig durchgesehene "Revidirte Generalprivilegium und Reglement vor die Juden¬
schaft in Preußen, der Chur- und Mark-Brandenburg" u. f. w. ersetzt, welches
w der Hauptsache bis 1812 in Geltung geblieben ist. Der Eingang dieses
wichtigen Documents lautet:

"Wir Friedrich ... thun kund und fügen hiermit zu wissen: Nachdem Wir
w Unserem Königreiche, besonders auch in hiesigen Residentzien bey denen da¬
rinnen vergleiteten (mit Geleits- oder Schutzbriefen versehenen) und geduldeten
^uden verschiedene Mängel und Mißbräuche angemerket, insonderheit aber gar
eigentlich beobachtet haben, daß derselben überHand nehmende Vermehrung
uicht nur dem?rMieo, besonders aber denen Christlichen Kaufleuten und Ein¬
wohnern ungemeinen Schaden und Bedrückung zugefüget, sondern auch der
"Nidenschaft selbst dadurch und dnrch Eiuschleichung unvergleiteter fremder und
s"se nirgends zu Hause gehörender Juden, viele Beschwerden und Nachtheil er¬
wachsen, Wir aber aus allergnädigster Landesväterlicher Fürsorge alle und jede
^u Unserem Schutz stehende getreue Unterthanen, sowohl Christen als Juden,
w beständigem guten Wesen und Flor ihrer Nahrung und Gewerbe soviel
wie immer möglich gesehen und gehalten wissen wollen, haben wir nöthig ge¬
sunden, daß diese Unsere allergnüdigste Absicht erreichet, zwischen der Christen
und der Juden Nahrung und Gewerbe Proportion gestifftet und ins¬
besondere dnrch unzulässig erweiterten jüdischen Handel und Wandel keinen: von
beyden zu nahe geschehen möge."


und Marginalresolutionen, die sich auf die Verhältnisse der Juden unter Fried¬
richs Regierung beziehen.

1573 hatte Kurfürst Johann Georg sämmtliche Juden aus der Mark ver¬
trieben, „worüber im ganzen Lande eine allgemeine Freude entstanden war".
Dieselbe dauerte aber nicht lange, denn bald bezogen sie mit Erlaubniß der
Regierung wenigstens wieder die Jahrmärkte, und 16K1 gestattete ihnen der
große Kurfürst gegen ein Schutzgeld die Niederlassung in seinen Landen von
neuem und ließ es auch „nicht ohne wiederholte Klagen der Brandenburgischen
Stände" bei dieser Duldung. Sein Nachfolger, der erste König von Preußen,
war den Juden im allgemeinen gewogen und erwies ihnen manches Gute, ob¬
wohl er Ursache fand, in einem seiner Edicte zu bemerken, sie „sollten billig sich
entsetzen", seinem „Interesse so vorsätzlich zu schaden". Anders verfuhr sein
Sohn, Friedrich Wilhelm I.; er erließ gegen die Juden nicht nur Wuchergesetze,
sondern bemühte sich anch, ihre Zahl in Preußen zu beschränken. Doch schützte
und belohnte er auch andererseits rechtschaffene und nützliche Leute unter ihnen,
und 1730 erschien ans seinen Befehl das erste „Generaljndenprivileginm" in
Preußen, das auch unter seinem Nachfolger, Friedrich dem Großen, noch ge¬
raume Zeit fortgslt. Erst 1750 wurde es durch das vom Könige selbst sorg¬
fältig durchgesehene „Revidirte Generalprivilegium und Reglement vor die Juden¬
schaft in Preußen, der Chur- und Mark-Brandenburg" u. f. w. ersetzt, welches
w der Hauptsache bis 1812 in Geltung geblieben ist. Der Eingang dieses
wichtigen Documents lautet:

„Wir Friedrich ... thun kund und fügen hiermit zu wissen: Nachdem Wir
w Unserem Königreiche, besonders auch in hiesigen Residentzien bey denen da¬
rinnen vergleiteten (mit Geleits- oder Schutzbriefen versehenen) und geduldeten
^uden verschiedene Mängel und Mißbräuche angemerket, insonderheit aber gar
eigentlich beobachtet haben, daß derselben überHand nehmende Vermehrung
uicht nur dem?rMieo, besonders aber denen Christlichen Kaufleuten und Ein¬
wohnern ungemeinen Schaden und Bedrückung zugefüget, sondern auch der
"Nidenschaft selbst dadurch und dnrch Eiuschleichung unvergleiteter fremder und
s"se nirgends zu Hause gehörender Juden, viele Beschwerden und Nachtheil er¬
wachsen, Wir aber aus allergnädigster Landesväterlicher Fürsorge alle und jede
^u Unserem Schutz stehende getreue Unterthanen, sowohl Christen als Juden,
w beständigem guten Wesen und Flor ihrer Nahrung und Gewerbe soviel
wie immer möglich gesehen und gehalten wissen wollen, haben wir nöthig ge¬
sunden, daß diese Unsere allergnüdigste Absicht erreichet, zwischen der Christen
und der Juden Nahrung und Gewerbe Proportion gestifftet und ins¬
besondere dnrch unzulässig erweiterten jüdischen Handel und Wandel keinen: von
beyden zu nahe geschehen möge."


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[0332] und Marginalresolutionen, die sich auf die Verhältnisse der Juden unter Fried¬ richs Regierung beziehen. 1573 hatte Kurfürst Johann Georg sämmtliche Juden aus der Mark ver¬ trieben, „worüber im ganzen Lande eine allgemeine Freude entstanden war". Dieselbe dauerte aber nicht lange, denn bald bezogen sie mit Erlaubniß der Regierung wenigstens wieder die Jahrmärkte, und 16K1 gestattete ihnen der große Kurfürst gegen ein Schutzgeld die Niederlassung in seinen Landen von neuem und ließ es auch „nicht ohne wiederholte Klagen der Brandenburgischen Stände" bei dieser Duldung. Sein Nachfolger, der erste König von Preußen, war den Juden im allgemeinen gewogen und erwies ihnen manches Gute, ob¬ wohl er Ursache fand, in einem seiner Edicte zu bemerken, sie „sollten billig sich entsetzen", seinem „Interesse so vorsätzlich zu schaden". Anders verfuhr sein Sohn, Friedrich Wilhelm I.; er erließ gegen die Juden nicht nur Wuchergesetze, sondern bemühte sich anch, ihre Zahl in Preußen zu beschränken. Doch schützte und belohnte er auch andererseits rechtschaffene und nützliche Leute unter ihnen, und 1730 erschien ans seinen Befehl das erste „Generaljndenprivileginm" in Preußen, das auch unter seinem Nachfolger, Friedrich dem Großen, noch ge¬ raume Zeit fortgslt. Erst 1750 wurde es durch das vom Könige selbst sorg¬ fältig durchgesehene „Revidirte Generalprivilegium und Reglement vor die Juden¬ schaft in Preußen, der Chur- und Mark-Brandenburg" u. f. w. ersetzt, welches w der Hauptsache bis 1812 in Geltung geblieben ist. Der Eingang dieses wichtigen Documents lautet: „Wir Friedrich ... thun kund und fügen hiermit zu wissen: Nachdem Wir w Unserem Königreiche, besonders auch in hiesigen Residentzien bey denen da¬ rinnen vergleiteten (mit Geleits- oder Schutzbriefen versehenen) und geduldeten ^uden verschiedene Mängel und Mißbräuche angemerket, insonderheit aber gar eigentlich beobachtet haben, daß derselben überHand nehmende Vermehrung uicht nur dem?rMieo, besonders aber denen Christlichen Kaufleuten und Ein¬ wohnern ungemeinen Schaden und Bedrückung zugefüget, sondern auch der "Nidenschaft selbst dadurch und dnrch Eiuschleichung unvergleiteter fremder und s"se nirgends zu Hause gehörender Juden, viele Beschwerden und Nachtheil er¬ wachsen, Wir aber aus allergnädigster Landesväterlicher Fürsorge alle und jede ^u Unserem Schutz stehende getreue Unterthanen, sowohl Christen als Juden, w beständigem guten Wesen und Flor ihrer Nahrung und Gewerbe soviel wie immer möglich gesehen und gehalten wissen wollen, haben wir nöthig ge¬ sunden, daß diese Unsere allergnüdigste Absicht erreichet, zwischen der Christen und der Juden Nahrung und Gewerbe Proportion gestifftet und ins¬ besondere dnrch unzulässig erweiterten jüdischen Handel und Wandel keinen: von beyden zu nahe geschehen möge."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/332>, abgerufen am 23.07.2024.