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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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Nach dem seitdem eingelaufenen Berichte des Obersten Se. John, der als
"politischer Offizier" des Generals Bnrrows der Schlacht beiwohnte, war die
letztere bis gegen Mittag ein Artilleriekampf, bei welchem die Artilleristen der
Engländer trotz ihrer besseren Geschütze dem Feinde, der fünf bis sechs Batterien
vor seiner Front aufgefahren hatte, keinen Erfolg abzuringen vermochten. Die
Kanonen der Heratis waren so gut bedient, daß deren numerische Ueberlegenheit
die Vorzüge der englischen Geschützeonstrnction vollständig aufwog. Die Ge¬
wehre der britischen Infanterie, die man hierauf vorrücken ließ, wirkten besser,
aber die Heratis ließen den englischen Befehlshabern wenig Zeit zur Ausnutzung
dieses Vortheils. Der rechte Flügel des Feindes, der aus 2000 Reitern und
einem Haufen von Gazis bestand, führte einen so kräftigen Angriff auf den linken
Flügel der britischen Stellung ans, daß die hier postirten indischen Soldaten
geworfen wurden, in Verwirrung auf das hinter ihnen stehende 66. Regiment
zurückwichen und zwei Geschütze stehen ließen. Auch die Sechsundsechziger ge-
riethen in Unordnung und wurden von der Reiterei und Artillerie abgeschnitten.
Der Rückmarsch erfolgte zuerst laugsam, aber trotzdem unfreiwillig. Bnrrows
that, was er konnte, um ihn aufzuhalten, aber bei der ungeheuren Uebermacht
der Gegner ohne dauernden Erfolg. Gegen drei Uhr befand sich sein ganzer
linker Flügel getrennt vom rechten in voller Flucht auf Kandahar. Mit den
übrigen Truppen schlug der General sich nach hartem Kampfe durch, und ein
kleiner Theil der Sechsnndsechziger vermochte sich wieder mit ihm zu vereinigen;
aber das dauerte uicht lange. Die Reste der indischen Infanterie-Regimenter
begannen von neuem davonzulaufen, und die Engländer folgten ihnen allmählich.
Alle Bemühungen, die Flüchtenden wenigstens von der Hauptstraße abzulenken,
wo es an Wasser fehlte, waren vergeblich, und so kamen viele, die der Säbel
der Herati-Reiter verschont, vor Durst um. Der Feind verfolgte das geschla¬
gene Heer etwas weiter als zwei deutsche Meilen und gab keinen Pardon. Am
folgenden Morgen erreichten die Trümmer der Bnrrowsschen Brigade den etwa
neun Meilen von der Wahlstatt entfernten Fluß Argaudab. Sie bestanden fast
nur aus Cavallerie und reitender Artillerie. Die Infanterie war mit geringen
Ausnahmen ans dein Platze geblieben, und von den zahlreichen "Camvfollowers"
(Troß, Diener und Familienglieder der Soldaten) werden sich ebenfalls nnr
wenige gerettet haben. Ueberdies erbeuteten Heratis zwei neunpfündige Geschütze,
400 Martinibüchsen, 700 Snyder-Gewehre und fast die gesammte Munition
der Brigade.

Zwei andere Nachrichten neueren Datums, die nämlich, daß uicht die ganze
Garnison von Kandahar von der Stadt nach der Citadelle abgerückt ist, und
die, daß Chalat i Gilzai, der nächste größere Ort auf dem Wege von Kandahar
nach Gazni und Kabul, von den Heratis oder aufständischen Afghanen einge-


Nach dem seitdem eingelaufenen Berichte des Obersten Se. John, der als
„politischer Offizier" des Generals Bnrrows der Schlacht beiwohnte, war die
letztere bis gegen Mittag ein Artilleriekampf, bei welchem die Artilleristen der
Engländer trotz ihrer besseren Geschütze dem Feinde, der fünf bis sechs Batterien
vor seiner Front aufgefahren hatte, keinen Erfolg abzuringen vermochten. Die
Kanonen der Heratis waren so gut bedient, daß deren numerische Ueberlegenheit
die Vorzüge der englischen Geschützeonstrnction vollständig aufwog. Die Ge¬
wehre der britischen Infanterie, die man hierauf vorrücken ließ, wirkten besser,
aber die Heratis ließen den englischen Befehlshabern wenig Zeit zur Ausnutzung
dieses Vortheils. Der rechte Flügel des Feindes, der aus 2000 Reitern und
einem Haufen von Gazis bestand, führte einen so kräftigen Angriff auf den linken
Flügel der britischen Stellung ans, daß die hier postirten indischen Soldaten
geworfen wurden, in Verwirrung auf das hinter ihnen stehende 66. Regiment
zurückwichen und zwei Geschütze stehen ließen. Auch die Sechsundsechziger ge-
riethen in Unordnung und wurden von der Reiterei und Artillerie abgeschnitten.
Der Rückmarsch erfolgte zuerst laugsam, aber trotzdem unfreiwillig. Bnrrows
that, was er konnte, um ihn aufzuhalten, aber bei der ungeheuren Uebermacht
der Gegner ohne dauernden Erfolg. Gegen drei Uhr befand sich sein ganzer
linker Flügel getrennt vom rechten in voller Flucht auf Kandahar. Mit den
übrigen Truppen schlug der General sich nach hartem Kampfe durch, und ein
kleiner Theil der Sechsnndsechziger vermochte sich wieder mit ihm zu vereinigen;
aber das dauerte uicht lange. Die Reste der indischen Infanterie-Regimenter
begannen von neuem davonzulaufen, und die Engländer folgten ihnen allmählich.
Alle Bemühungen, die Flüchtenden wenigstens von der Hauptstraße abzulenken,
wo es an Wasser fehlte, waren vergeblich, und so kamen viele, die der Säbel
der Herati-Reiter verschont, vor Durst um. Der Feind verfolgte das geschla¬
gene Heer etwas weiter als zwei deutsche Meilen und gab keinen Pardon. Am
folgenden Morgen erreichten die Trümmer der Bnrrowsschen Brigade den etwa
neun Meilen von der Wahlstatt entfernten Fluß Argaudab. Sie bestanden fast
nur aus Cavallerie und reitender Artillerie. Die Infanterie war mit geringen
Ausnahmen ans dein Platze geblieben, und von den zahlreichen „Camvfollowers"
(Troß, Diener und Familienglieder der Soldaten) werden sich ebenfalls nnr
wenige gerettet haben. Ueberdies erbeuteten Heratis zwei neunpfündige Geschütze,
400 Martinibüchsen, 700 Snyder-Gewehre und fast die gesammte Munition
der Brigade.

Zwei andere Nachrichten neueren Datums, die nämlich, daß uicht die ganze
Garnison von Kandahar von der Stadt nach der Citadelle abgerückt ist, und
die, daß Chalat i Gilzai, der nächste größere Ort auf dem Wege von Kandahar
nach Gazni und Kabul, von den Heratis oder aufständischen Afghanen einge-


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[0266] Nach dem seitdem eingelaufenen Berichte des Obersten Se. John, der als „politischer Offizier" des Generals Bnrrows der Schlacht beiwohnte, war die letztere bis gegen Mittag ein Artilleriekampf, bei welchem die Artilleristen der Engländer trotz ihrer besseren Geschütze dem Feinde, der fünf bis sechs Batterien vor seiner Front aufgefahren hatte, keinen Erfolg abzuringen vermochten. Die Kanonen der Heratis waren so gut bedient, daß deren numerische Ueberlegenheit die Vorzüge der englischen Geschützeonstrnction vollständig aufwog. Die Ge¬ wehre der britischen Infanterie, die man hierauf vorrücken ließ, wirkten besser, aber die Heratis ließen den englischen Befehlshabern wenig Zeit zur Ausnutzung dieses Vortheils. Der rechte Flügel des Feindes, der aus 2000 Reitern und einem Haufen von Gazis bestand, führte einen so kräftigen Angriff auf den linken Flügel der britischen Stellung ans, daß die hier postirten indischen Soldaten geworfen wurden, in Verwirrung auf das hinter ihnen stehende 66. Regiment zurückwichen und zwei Geschütze stehen ließen. Auch die Sechsundsechziger ge- riethen in Unordnung und wurden von der Reiterei und Artillerie abgeschnitten. Der Rückmarsch erfolgte zuerst laugsam, aber trotzdem unfreiwillig. Bnrrows that, was er konnte, um ihn aufzuhalten, aber bei der ungeheuren Uebermacht der Gegner ohne dauernden Erfolg. Gegen drei Uhr befand sich sein ganzer linker Flügel getrennt vom rechten in voller Flucht auf Kandahar. Mit den übrigen Truppen schlug der General sich nach hartem Kampfe durch, und ein kleiner Theil der Sechsnndsechziger vermochte sich wieder mit ihm zu vereinigen; aber das dauerte uicht lange. Die Reste der indischen Infanterie-Regimenter begannen von neuem davonzulaufen, und die Engländer folgten ihnen allmählich. Alle Bemühungen, die Flüchtenden wenigstens von der Hauptstraße abzulenken, wo es an Wasser fehlte, waren vergeblich, und so kamen viele, die der Säbel der Herati-Reiter verschont, vor Durst um. Der Feind verfolgte das geschla¬ gene Heer etwas weiter als zwei deutsche Meilen und gab keinen Pardon. Am folgenden Morgen erreichten die Trümmer der Bnrrowsschen Brigade den etwa neun Meilen von der Wahlstatt entfernten Fluß Argaudab. Sie bestanden fast nur aus Cavallerie und reitender Artillerie. Die Infanterie war mit geringen Ausnahmen ans dein Platze geblieben, und von den zahlreichen „Camvfollowers" (Troß, Diener und Familienglieder der Soldaten) werden sich ebenfalls nnr wenige gerettet haben. Ueberdies erbeuteten Heratis zwei neunpfündige Geschütze, 400 Martinibüchsen, 700 Snyder-Gewehre und fast die gesammte Munition der Brigade. Zwei andere Nachrichten neueren Datums, die nämlich, daß uicht die ganze Garnison von Kandahar von der Stadt nach der Citadelle abgerückt ist, und die, daß Chalat i Gilzai, der nächste größere Ort auf dem Wege von Kandahar nach Gazni und Kabul, von den Heratis oder aufständischen Afghanen einge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/266>, abgerufen am 03.07.2024.