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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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Aus dem Obigen geht hervor, daß es in Hamburg nur ein Theil, wenn
auch ein sehr einflußreicher und mächtiger Theil der Bevölkerung ist, der sich
mit einigem Bewußtsein dessen, um was es sich handelt, gegen die Einverleibung
der Stadt und ihrer unmittelbaren Nachbarschaft in das Reichszollgebiet sträubt.
Seit Jahren schon besteht dort eine Partei, welche diese Maßregel ersehnt und
erstrebt, weil der Egoismus gewisser Großhändler und die doctrinäre Weisheit
rechthaberischer Advocaten ganze Klassen der Staatsbürger in dieser Frage
materiell schwer beeinträchtigen. Aber diese Partei wurde von den Machthabern
von Anfang an und bis auf die jüngste Zeit mit aller Macht befehdet, geschmäht
und muudtodt zu machen versucht. "Die Meinungsäußerung, daß der Ham¬
burger Staat," so heißt es in unserem Flugblatte, "auch wirthschaftlich einen
integrirenden Theil des Reiches bilden müsse, daß nur die Ausscheidung des
wirklichen Hafengebietes mit Freivierteln, welche Deutschland die Wahrung
seines internationalen Zwischenhandels und der damit verbundenen Industrie
gewährleiste", wünschenswerth sei -- diese Meinungsäußerung war in der
freien Stadt Hamburg Jahre hindurch eine schwer und leidenschaftlich ver¬
folgte. Auch heute noch dauern die Einschüchterungsversuche in ungeschwächtem
Maße fort. Seitdem indeß der Reichskanzler die Initiative ergriffen, seitdem
derselbe an Hamburg und Bremen die Mahnung hat ergehen lassen, sich darauf
zu besinnest, daß sie vor Allem deutsche Städte sind, seitdem haben viele Kauf¬
leute und Gewerbetreibende den Muth wiedergewonnen, zu glauben und zu
hoffen, daß ihr Nothschrei nicht länger ungehört verhallen wird". Bereits haben
sich, wie wir weiter erfahren, an dreitausend Hamburger Bürger und
Einwohner in die Listen der Zvllanschluß - Partei eingetragen, und zwar sind
dies sämmtlich selbständig etablirte Geschäftsleute, welche einer Menge von
Handlungsgehülfen, Gesellen und Arbeitern Beschäftigung und Verdienst geben.
Diese Zahl hat sich rasch zusammengefunden "trotz einer fast unglaublichen Be¬
einflussung im privaten Leben und trotz des Zusammenwirkens eiuer Presse,
die gegen den Zvllanschluß wüthet, mehr oder weniger nicht um der Sache
willen, sondern einestheils aus faetivser Opposition gegen die Politik des Reichs¬
kanzlers, anderntheils aus partieularistischen Velleitäten."

Besonders that sich dabei die Fortschritts-Presse hervor, während der
"Correspondent", das Amtsblatt des Senats, diplomatisch mild auftrat und die
"Hamburger Nachrichten" lavirten, um es mit keiner Partei zu verderben. Ganz
erschrecklicher Unsinn wurde schon vor Eintritt der Sommerhitze von den Pala¬
dinen des Fortschritts auf den Markt gebracht. "Die Reform" erklärte pathetisch,
indem sie das Project einer Eisenbahn zwischen Harburg und Cuxhafen und
die ins Auge gefaßten Hafenanlagen bei letzterem Orte besprach: "Jedes Flecken
Elbufer im ganzen Amte Ritzebüttel, welches zu Hafenbauten geeignet ist, sollte


Aus dem Obigen geht hervor, daß es in Hamburg nur ein Theil, wenn
auch ein sehr einflußreicher und mächtiger Theil der Bevölkerung ist, der sich
mit einigem Bewußtsein dessen, um was es sich handelt, gegen die Einverleibung
der Stadt und ihrer unmittelbaren Nachbarschaft in das Reichszollgebiet sträubt.
Seit Jahren schon besteht dort eine Partei, welche diese Maßregel ersehnt und
erstrebt, weil der Egoismus gewisser Großhändler und die doctrinäre Weisheit
rechthaberischer Advocaten ganze Klassen der Staatsbürger in dieser Frage
materiell schwer beeinträchtigen. Aber diese Partei wurde von den Machthabern
von Anfang an und bis auf die jüngste Zeit mit aller Macht befehdet, geschmäht
und muudtodt zu machen versucht. „Die Meinungsäußerung, daß der Ham¬
burger Staat," so heißt es in unserem Flugblatte, „auch wirthschaftlich einen
integrirenden Theil des Reiches bilden müsse, daß nur die Ausscheidung des
wirklichen Hafengebietes mit Freivierteln, welche Deutschland die Wahrung
seines internationalen Zwischenhandels und der damit verbundenen Industrie
gewährleiste», wünschenswerth sei — diese Meinungsäußerung war in der
freien Stadt Hamburg Jahre hindurch eine schwer und leidenschaftlich ver¬
folgte. Auch heute noch dauern die Einschüchterungsversuche in ungeschwächtem
Maße fort. Seitdem indeß der Reichskanzler die Initiative ergriffen, seitdem
derselbe an Hamburg und Bremen die Mahnung hat ergehen lassen, sich darauf
zu besinnest, daß sie vor Allem deutsche Städte sind, seitdem haben viele Kauf¬
leute und Gewerbetreibende den Muth wiedergewonnen, zu glauben und zu
hoffen, daß ihr Nothschrei nicht länger ungehört verhallen wird". Bereits haben
sich, wie wir weiter erfahren, an dreitausend Hamburger Bürger und
Einwohner in die Listen der Zvllanschluß - Partei eingetragen, und zwar sind
dies sämmtlich selbständig etablirte Geschäftsleute, welche einer Menge von
Handlungsgehülfen, Gesellen und Arbeitern Beschäftigung und Verdienst geben.
Diese Zahl hat sich rasch zusammengefunden „trotz einer fast unglaublichen Be¬
einflussung im privaten Leben und trotz des Zusammenwirkens eiuer Presse,
die gegen den Zvllanschluß wüthet, mehr oder weniger nicht um der Sache
willen, sondern einestheils aus faetivser Opposition gegen die Politik des Reichs¬
kanzlers, anderntheils aus partieularistischen Velleitäten."

Besonders that sich dabei die Fortschritts-Presse hervor, während der
„Correspondent", das Amtsblatt des Senats, diplomatisch mild auftrat und die
„Hamburger Nachrichten" lavirten, um es mit keiner Partei zu verderben. Ganz
erschrecklicher Unsinn wurde schon vor Eintritt der Sommerhitze von den Pala¬
dinen des Fortschritts auf den Markt gebracht. „Die Reform" erklärte pathetisch,
indem sie das Project einer Eisenbahn zwischen Harburg und Cuxhafen und
die ins Auge gefaßten Hafenanlagen bei letzterem Orte besprach: „Jedes Flecken
Elbufer im ganzen Amte Ritzebüttel, welches zu Hafenbauten geeignet ist, sollte


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[0254] Aus dem Obigen geht hervor, daß es in Hamburg nur ein Theil, wenn auch ein sehr einflußreicher und mächtiger Theil der Bevölkerung ist, der sich mit einigem Bewußtsein dessen, um was es sich handelt, gegen die Einverleibung der Stadt und ihrer unmittelbaren Nachbarschaft in das Reichszollgebiet sträubt. Seit Jahren schon besteht dort eine Partei, welche diese Maßregel ersehnt und erstrebt, weil der Egoismus gewisser Großhändler und die doctrinäre Weisheit rechthaberischer Advocaten ganze Klassen der Staatsbürger in dieser Frage materiell schwer beeinträchtigen. Aber diese Partei wurde von den Machthabern von Anfang an und bis auf die jüngste Zeit mit aller Macht befehdet, geschmäht und muudtodt zu machen versucht. „Die Meinungsäußerung, daß der Ham¬ burger Staat," so heißt es in unserem Flugblatte, „auch wirthschaftlich einen integrirenden Theil des Reiches bilden müsse, daß nur die Ausscheidung des wirklichen Hafengebietes mit Freivierteln, welche Deutschland die Wahrung seines internationalen Zwischenhandels und der damit verbundenen Industrie gewährleiste», wünschenswerth sei — diese Meinungsäußerung war in der freien Stadt Hamburg Jahre hindurch eine schwer und leidenschaftlich ver¬ folgte. Auch heute noch dauern die Einschüchterungsversuche in ungeschwächtem Maße fort. Seitdem indeß der Reichskanzler die Initiative ergriffen, seitdem derselbe an Hamburg und Bremen die Mahnung hat ergehen lassen, sich darauf zu besinnest, daß sie vor Allem deutsche Städte sind, seitdem haben viele Kauf¬ leute und Gewerbetreibende den Muth wiedergewonnen, zu glauben und zu hoffen, daß ihr Nothschrei nicht länger ungehört verhallen wird". Bereits haben sich, wie wir weiter erfahren, an dreitausend Hamburger Bürger und Einwohner in die Listen der Zvllanschluß - Partei eingetragen, und zwar sind dies sämmtlich selbständig etablirte Geschäftsleute, welche einer Menge von Handlungsgehülfen, Gesellen und Arbeitern Beschäftigung und Verdienst geben. Diese Zahl hat sich rasch zusammengefunden „trotz einer fast unglaublichen Be¬ einflussung im privaten Leben und trotz des Zusammenwirkens eiuer Presse, die gegen den Zvllanschluß wüthet, mehr oder weniger nicht um der Sache willen, sondern einestheils aus faetivser Opposition gegen die Politik des Reichs¬ kanzlers, anderntheils aus partieularistischen Velleitäten." Besonders that sich dabei die Fortschritts-Presse hervor, während der „Correspondent", das Amtsblatt des Senats, diplomatisch mild auftrat und die „Hamburger Nachrichten" lavirten, um es mit keiner Partei zu verderben. Ganz erschrecklicher Unsinn wurde schon vor Eintritt der Sommerhitze von den Pala¬ dinen des Fortschritts auf den Markt gebracht. „Die Reform" erklärte pathetisch, indem sie das Project einer Eisenbahn zwischen Harburg und Cuxhafen und die ins Auge gefaßten Hafenanlagen bei letzterem Orte besprach: „Jedes Flecken Elbufer im ganzen Amte Ritzebüttel, welches zu Hafenbauten geeignet ist, sollte

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/254>, abgerufen am 03.07.2024.