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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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kehren. "Nicht aus, Excellenz," so ruft er, als dieselbe der Verwesung anheim¬
gefallen; "die Zunge der Poeten geht stets am letzten zu Grunde. Glücklich
ihr, wenn ihr da droben einen gefunden hättet, der es gewagt hätte, euch nur
ein einziges Mal als Thoren zu behandeln! Wenn ich wieder auferstehen könnte,
so möcht' ich vor allem ein rechtschaffener Mensch sein, demnächst gesund, dann
geistig begabt, weiterhin reich, und zuletzt, wenn nichts mehr zu wünschen übrig,
könnte mir vielleicht aus Uebersättigung der Wunsch kommen adlich zu sein, in
dem Sinne, den das Wort beim großen Haufen hat."

Ueber die lyrischen Dichtungen, deren Parmi während seines langen Lebens,
eine stattliche Anzahl producirte, können wir schneller hinweggehen, da sie von
secundärer Bedeutung sind. Die geringe Anregung, welche Zeit und Umgebung
ihm für diese Sphäre poetischen Schaffens darboten, mag mit der Grund sein,
daß er hier nichts Außerordentliches leistete, obwohl sich seine Lyrik immerhin
von der großen Masse jener leeren Reimereien, die das Zeitalter überschwemmten,
vortheilhaft unterscheidet. Aber auch seine Begabung bestimmte ihn nicht eigent¬
lich für das lyrische Gebiet. Bei männlichem Ernst, edler Gesinnung und einer
oft großen Kraft und Präcision des an den besten Mustern geschulten Aus¬
drucks überwiegt in seinen "Oden" die Reflexion den unmittelbaren Erguß des
Gefühls, und ein wirkliches Lied ist ihm nie gelungen. "Die Botschaft", "Die
Gefahr" und eine Apostrophe "An die Muse" gelten in Italien für die besten
seiner lyrischen Dichtungen. Auch innerhalb dieses Gebietes verfolgt Parmi
übrigens den Zweck, veredelnd auf die Sitten der Nation zu wirken, wie er
z. B. in dem Gedichte "An Silvia" gegen die französische Mode der roth Z. la
ssviillotwö scharf zu Felde zieht.

Das, was Parmi als Satiriker groß macht, ist außer seiner originellen
Darstellung sein durchaus lauterer Charakter, der sich nirgends von dem Krank¬
heitsstoffe einer entarteten Umgebung inficirt zeigt, wie es bei Horaz und fran¬
zösischen Satirikern so häufig der Fall ist. Der tiefe sittliche Ernst, die Ten¬
denz, durch Spott das Zeitalter zum Besseren zurückzuführen, erinnern lebhaft
an jene herben Wahrheiten, die Aristophanes in der Form des Witzes dem
seinem Verfalle entgegensteuernden Athen entgegenhielt. Bei Parmi deckt sich der
Mensch mit dem Dichter, und daraus erklärt sich seine große Wirkung auf die
Zeitgenossen. Makellos steht sein Bild als Mensch da. Seine Treue und Auf¬
opferung als Freund, seine Verehrung für edle und geistvolle Frauen, die ihm,
dem Abbate, bis zum Alter eigen war, seine Zuneigung zu der Kinderwelt
werden von denen, die ihn kannten, rühmend hervorgehoben. Fern von An-
maßung und Ueberhebung, aber gleich fern davon, seine Ueberzeugungen per¬
sönlichen Interessen zu opfern, brachte er es nie zu einem auch nur behaglichen
äußeren Leben. Seine Stellung als Professor der schönen Wissenschaften, die


kehren. „Nicht aus, Excellenz," so ruft er, als dieselbe der Verwesung anheim¬
gefallen; „die Zunge der Poeten geht stets am letzten zu Grunde. Glücklich
ihr, wenn ihr da droben einen gefunden hättet, der es gewagt hätte, euch nur
ein einziges Mal als Thoren zu behandeln! Wenn ich wieder auferstehen könnte,
so möcht' ich vor allem ein rechtschaffener Mensch sein, demnächst gesund, dann
geistig begabt, weiterhin reich, und zuletzt, wenn nichts mehr zu wünschen übrig,
könnte mir vielleicht aus Uebersättigung der Wunsch kommen adlich zu sein, in
dem Sinne, den das Wort beim großen Haufen hat."

Ueber die lyrischen Dichtungen, deren Parmi während seines langen Lebens,
eine stattliche Anzahl producirte, können wir schneller hinweggehen, da sie von
secundärer Bedeutung sind. Die geringe Anregung, welche Zeit und Umgebung
ihm für diese Sphäre poetischen Schaffens darboten, mag mit der Grund sein,
daß er hier nichts Außerordentliches leistete, obwohl sich seine Lyrik immerhin
von der großen Masse jener leeren Reimereien, die das Zeitalter überschwemmten,
vortheilhaft unterscheidet. Aber auch seine Begabung bestimmte ihn nicht eigent¬
lich für das lyrische Gebiet. Bei männlichem Ernst, edler Gesinnung und einer
oft großen Kraft und Präcision des an den besten Mustern geschulten Aus¬
drucks überwiegt in seinen „Oden" die Reflexion den unmittelbaren Erguß des
Gefühls, und ein wirkliches Lied ist ihm nie gelungen. „Die Botschaft", „Die
Gefahr" und eine Apostrophe „An die Muse" gelten in Italien für die besten
seiner lyrischen Dichtungen. Auch innerhalb dieses Gebietes verfolgt Parmi
übrigens den Zweck, veredelnd auf die Sitten der Nation zu wirken, wie er
z. B. in dem Gedichte „An Silvia" gegen die französische Mode der roth Z. la
ssviillotwö scharf zu Felde zieht.

Das, was Parmi als Satiriker groß macht, ist außer seiner originellen
Darstellung sein durchaus lauterer Charakter, der sich nirgends von dem Krank¬
heitsstoffe einer entarteten Umgebung inficirt zeigt, wie es bei Horaz und fran¬
zösischen Satirikern so häufig der Fall ist. Der tiefe sittliche Ernst, die Ten¬
denz, durch Spott das Zeitalter zum Besseren zurückzuführen, erinnern lebhaft
an jene herben Wahrheiten, die Aristophanes in der Form des Witzes dem
seinem Verfalle entgegensteuernden Athen entgegenhielt. Bei Parmi deckt sich der
Mensch mit dem Dichter, und daraus erklärt sich seine große Wirkung auf die
Zeitgenossen. Makellos steht sein Bild als Mensch da. Seine Treue und Auf¬
opferung als Freund, seine Verehrung für edle und geistvolle Frauen, die ihm,
dem Abbate, bis zum Alter eigen war, seine Zuneigung zu der Kinderwelt
werden von denen, die ihn kannten, rühmend hervorgehoben. Fern von An-
maßung und Ueberhebung, aber gleich fern davon, seine Ueberzeugungen per¬
sönlichen Interessen zu opfern, brachte er es nie zu einem auch nur behaglichen
äußeren Leben. Seine Stellung als Professor der schönen Wissenschaften, die


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[0227] kehren. „Nicht aus, Excellenz," so ruft er, als dieselbe der Verwesung anheim¬ gefallen; „die Zunge der Poeten geht stets am letzten zu Grunde. Glücklich ihr, wenn ihr da droben einen gefunden hättet, der es gewagt hätte, euch nur ein einziges Mal als Thoren zu behandeln! Wenn ich wieder auferstehen könnte, so möcht' ich vor allem ein rechtschaffener Mensch sein, demnächst gesund, dann geistig begabt, weiterhin reich, und zuletzt, wenn nichts mehr zu wünschen übrig, könnte mir vielleicht aus Uebersättigung der Wunsch kommen adlich zu sein, in dem Sinne, den das Wort beim großen Haufen hat." Ueber die lyrischen Dichtungen, deren Parmi während seines langen Lebens, eine stattliche Anzahl producirte, können wir schneller hinweggehen, da sie von secundärer Bedeutung sind. Die geringe Anregung, welche Zeit und Umgebung ihm für diese Sphäre poetischen Schaffens darboten, mag mit der Grund sein, daß er hier nichts Außerordentliches leistete, obwohl sich seine Lyrik immerhin von der großen Masse jener leeren Reimereien, die das Zeitalter überschwemmten, vortheilhaft unterscheidet. Aber auch seine Begabung bestimmte ihn nicht eigent¬ lich für das lyrische Gebiet. Bei männlichem Ernst, edler Gesinnung und einer oft großen Kraft und Präcision des an den besten Mustern geschulten Aus¬ drucks überwiegt in seinen „Oden" die Reflexion den unmittelbaren Erguß des Gefühls, und ein wirkliches Lied ist ihm nie gelungen. „Die Botschaft", „Die Gefahr" und eine Apostrophe „An die Muse" gelten in Italien für die besten seiner lyrischen Dichtungen. Auch innerhalb dieses Gebietes verfolgt Parmi übrigens den Zweck, veredelnd auf die Sitten der Nation zu wirken, wie er z. B. in dem Gedichte „An Silvia" gegen die französische Mode der roth Z. la ssviillotwö scharf zu Felde zieht. Das, was Parmi als Satiriker groß macht, ist außer seiner originellen Darstellung sein durchaus lauterer Charakter, der sich nirgends von dem Krank¬ heitsstoffe einer entarteten Umgebung inficirt zeigt, wie es bei Horaz und fran¬ zösischen Satirikern so häufig der Fall ist. Der tiefe sittliche Ernst, die Ten¬ denz, durch Spott das Zeitalter zum Besseren zurückzuführen, erinnern lebhaft an jene herben Wahrheiten, die Aristophanes in der Form des Witzes dem seinem Verfalle entgegensteuernden Athen entgegenhielt. Bei Parmi deckt sich der Mensch mit dem Dichter, und daraus erklärt sich seine große Wirkung auf die Zeitgenossen. Makellos steht sein Bild als Mensch da. Seine Treue und Auf¬ opferung als Freund, seine Verehrung für edle und geistvolle Frauen, die ihm, dem Abbate, bis zum Alter eigen war, seine Zuneigung zu der Kinderwelt werden von denen, die ihn kannten, rühmend hervorgehoben. Fern von An- maßung und Ueberhebung, aber gleich fern davon, seine Ueberzeugungen per¬ sönlichen Interessen zu opfern, brachte er es nie zu einem auch nur behaglichen äußeren Leben. Seine Stellung als Professor der schönen Wissenschaften, die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/227>, abgerufen am 23.07.2024.