Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

Bild:
<< vorherige Seite

Die junge Gräfin dann nach der Niederlausitz zu schaffen, werde sich unzweifel¬
haft ausführen lassen.

Nach Empfang dieses Briefes wurde sofort an den Vormund der jungen
Gräfin, den Grafen Erdmann von Proinnitz auf Sorau, berichtet, der sich mit
der Ausführung einer eventuellen Entführung einverstanden erklärte, wenn eine
geeignete Persönlichkeit dazu gefunden sei. Eine solche glaubte die Herzogin in
der Person eines jungen Franzosen, Namens le More, gefunden zu haben,
welcher Hofmeister des jungen Grafen Erdmann Friedrich war. Dieser unter¬
zog sich denn anch bereitwillig der gefährlichen Mission, das Kind den Händen
der bösen Mutter zu entführen.

Die Gräfin muß indessen zeitig von den Plänen der Herzogin Kunde er¬
halten haben, denn schon im Mai 1723 beschwerte sie sich, daß ihr in vorer¬
wähnter Treck stehendes Töchterl, das sie bis ins 12. Jahr sorgfältig aufer-
zogen, durch obbenannte Vormünder genommen und nach Sachsen ack sÄu,"s,u,-
ÄuiQ gebracht werden solle, in Folge dessen auch bereu über 200000 Gulden
betragendes Vermögen gleichfalls dahin gezogen werden solle. Daraufhin war
sofort die Außerlandesfnhrung der jungen Pupillin und ihres Vermögens vom
Oberamte verboten worden. Der Ort der Erziehung sollte nach Vernehmung
der Gräfin von Callenberg festgestellt werden. Wiewohl jedoch der Vormund
der jungen Gräfin Kenntniß von diesem Erlaß haben mußte, war er doch im
Verein mit der Herzogin von Weißenfels daran gegangen, das Kind zu befreien.

Die Herzogin entsandte baldigst den genannten le More mit drei Bedienten
und den nöthigen Mitteln versehen nach Böhmen ins Kuknsbad. Dort ange¬
kommen machte er unter dem Namen eines Baron von Metau bald von sich
reden und näherte sich der Gräfin von Callenberg, erfuhr aber von ihr, daß
ihre Tochter krankheitshalber zu Hause geblieben sei. Nach Empfang eines
Briefes über den Krankheitszustand derselben reiste die Gräfin ab, und le More
sah sich genöthigt, einer Einladung, sie in Steinau zu besuchen, Folge zu geben.
Acht Tage nach ihrer Abreise begab auch er sich nach Steinau. Der Herzogin
hatte er inzwischen berichtet, daß die Gräfin sich ans nichts etwas mache, daß
sie bedauere, ihrem zweiten Manne nicht eine Kugel dnrch den Kopf geschossen
zu haben u. dergl. mehr. Stets habe sie zwei geladene Pistolen bei ihrem
Bette hängen und schieße höchst geschickt. In vierzehn Tagen werde er entweder
die junge Gräfin liefern oder todt sein.

In Steinau wartete le Fevre Tag für Tag auf eine Gelegenheit zur Aus¬
führung seines Vorhabens. Die Tochter der Gräfin war in Kenntniß gesetzt
und freute sich herzlich, zu ihrer Großmutter zu kommen. Le Fevre, der sein
Zimmer neben dem Schlafgemach der Gräfin hatte, wäre durch die unvorsich¬
tige Bemerkung eines seiner Diener beinahe verrathen worden; doch hatte sich


Die junge Gräfin dann nach der Niederlausitz zu schaffen, werde sich unzweifel¬
haft ausführen lassen.

Nach Empfang dieses Briefes wurde sofort an den Vormund der jungen
Gräfin, den Grafen Erdmann von Proinnitz auf Sorau, berichtet, der sich mit
der Ausführung einer eventuellen Entführung einverstanden erklärte, wenn eine
geeignete Persönlichkeit dazu gefunden sei. Eine solche glaubte die Herzogin in
der Person eines jungen Franzosen, Namens le More, gefunden zu haben,
welcher Hofmeister des jungen Grafen Erdmann Friedrich war. Dieser unter¬
zog sich denn anch bereitwillig der gefährlichen Mission, das Kind den Händen
der bösen Mutter zu entführen.

Die Gräfin muß indessen zeitig von den Plänen der Herzogin Kunde er¬
halten haben, denn schon im Mai 1723 beschwerte sie sich, daß ihr in vorer¬
wähnter Treck stehendes Töchterl, das sie bis ins 12. Jahr sorgfältig aufer-
zogen, durch obbenannte Vormünder genommen und nach Sachsen ack sÄu,«s,u,-
ÄuiQ gebracht werden solle, in Folge dessen auch bereu über 200000 Gulden
betragendes Vermögen gleichfalls dahin gezogen werden solle. Daraufhin war
sofort die Außerlandesfnhrung der jungen Pupillin und ihres Vermögens vom
Oberamte verboten worden. Der Ort der Erziehung sollte nach Vernehmung
der Gräfin von Callenberg festgestellt werden. Wiewohl jedoch der Vormund
der jungen Gräfin Kenntniß von diesem Erlaß haben mußte, war er doch im
Verein mit der Herzogin von Weißenfels daran gegangen, das Kind zu befreien.

Die Herzogin entsandte baldigst den genannten le More mit drei Bedienten
und den nöthigen Mitteln versehen nach Böhmen ins Kuknsbad. Dort ange¬
kommen machte er unter dem Namen eines Baron von Metau bald von sich
reden und näherte sich der Gräfin von Callenberg, erfuhr aber von ihr, daß
ihre Tochter krankheitshalber zu Hause geblieben sei. Nach Empfang eines
Briefes über den Krankheitszustand derselben reiste die Gräfin ab, und le More
sah sich genöthigt, einer Einladung, sie in Steinau zu besuchen, Folge zu geben.
Acht Tage nach ihrer Abreise begab auch er sich nach Steinau. Der Herzogin
hatte er inzwischen berichtet, daß die Gräfin sich ans nichts etwas mache, daß
sie bedauere, ihrem zweiten Manne nicht eine Kugel dnrch den Kopf geschossen
zu haben u. dergl. mehr. Stets habe sie zwei geladene Pistolen bei ihrem
Bette hängen und schieße höchst geschickt. In vierzehn Tagen werde er entweder
die junge Gräfin liefern oder todt sein.

In Steinau wartete le Fevre Tag für Tag auf eine Gelegenheit zur Aus¬
führung seines Vorhabens. Die Tochter der Gräfin war in Kenntniß gesetzt
und freute sich herzlich, zu ihrer Großmutter zu kommen. Le Fevre, der sein
Zimmer neben dem Schlafgemach der Gräfin hatte, wäre durch die unvorsich¬
tige Bemerkung eines seiner Diener beinahe verrathen worden; doch hatte sich


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0213" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/147307"/>
          <p xml:id="ID_553" prev="#ID_552"> Die junge Gräfin dann nach der Niederlausitz zu schaffen, werde sich unzweifel¬<lb/>
haft ausführen lassen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_554"> Nach Empfang dieses Briefes wurde sofort an den Vormund der jungen<lb/>
Gräfin, den Grafen Erdmann von Proinnitz auf Sorau, berichtet, der sich mit<lb/>
der Ausführung einer eventuellen Entführung einverstanden erklärte, wenn eine<lb/>
geeignete Persönlichkeit dazu gefunden sei. Eine solche glaubte die Herzogin in<lb/>
der Person eines jungen Franzosen, Namens le More, gefunden zu haben,<lb/>
welcher Hofmeister des jungen Grafen Erdmann Friedrich war. Dieser unter¬<lb/>
zog sich denn anch bereitwillig der gefährlichen Mission, das Kind den Händen<lb/>
der bösen Mutter zu entführen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_555"> Die Gräfin muß indessen zeitig von den Plänen der Herzogin Kunde er¬<lb/>
halten haben, denn schon im Mai 1723 beschwerte sie sich, daß ihr in vorer¬<lb/>
wähnter Treck stehendes Töchterl, das sie bis ins 12. Jahr sorgfältig aufer-<lb/>
zogen, durch obbenannte Vormünder genommen und nach Sachsen ack sÄu,«s,u,-<lb/>
ÄuiQ gebracht werden solle, in Folge dessen auch bereu über 200000 Gulden<lb/>
betragendes Vermögen gleichfalls dahin gezogen werden solle. Daraufhin war<lb/>
sofort die Außerlandesfnhrung der jungen Pupillin und ihres Vermögens vom<lb/>
Oberamte verboten worden. Der Ort der Erziehung sollte nach Vernehmung<lb/>
der Gräfin von Callenberg festgestellt werden. Wiewohl jedoch der Vormund<lb/>
der jungen Gräfin Kenntniß von diesem Erlaß haben mußte, war er doch im<lb/>
Verein mit der Herzogin von Weißenfels daran gegangen, das Kind zu befreien.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_556"> Die Herzogin entsandte baldigst den genannten le More mit drei Bedienten<lb/>
und den nöthigen Mitteln versehen nach Böhmen ins Kuknsbad. Dort ange¬<lb/>
kommen machte er unter dem Namen eines Baron von Metau bald von sich<lb/>
reden und näherte sich der Gräfin von Callenberg, erfuhr aber von ihr, daß<lb/>
ihre Tochter krankheitshalber zu Hause geblieben sei. Nach Empfang eines<lb/>
Briefes über den Krankheitszustand derselben reiste die Gräfin ab, und le More<lb/>
sah sich genöthigt, einer Einladung, sie in Steinau zu besuchen, Folge zu geben.<lb/>
Acht Tage nach ihrer Abreise begab auch er sich nach Steinau. Der Herzogin<lb/>
hatte er inzwischen berichtet, daß die Gräfin sich ans nichts etwas mache, daß<lb/>
sie bedauere, ihrem zweiten Manne nicht eine Kugel dnrch den Kopf geschossen<lb/>
zu haben u. dergl. mehr. Stets habe sie zwei geladene Pistolen bei ihrem<lb/>
Bette hängen und schieße höchst geschickt. In vierzehn Tagen werde er entweder<lb/>
die junge Gräfin liefern oder todt sein.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_557" next="#ID_558"> In Steinau wartete le Fevre Tag für Tag auf eine Gelegenheit zur Aus¬<lb/>
führung seines Vorhabens. Die Tochter der Gräfin war in Kenntniß gesetzt<lb/>
und freute sich herzlich, zu ihrer Großmutter zu kommen. Le Fevre, der sein<lb/>
Zimmer neben dem Schlafgemach der Gräfin hatte, wäre durch die unvorsich¬<lb/>
tige Bemerkung eines seiner Diener beinahe verrathen worden; doch hatte sich</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0213] Die junge Gräfin dann nach der Niederlausitz zu schaffen, werde sich unzweifel¬ haft ausführen lassen. Nach Empfang dieses Briefes wurde sofort an den Vormund der jungen Gräfin, den Grafen Erdmann von Proinnitz auf Sorau, berichtet, der sich mit der Ausführung einer eventuellen Entführung einverstanden erklärte, wenn eine geeignete Persönlichkeit dazu gefunden sei. Eine solche glaubte die Herzogin in der Person eines jungen Franzosen, Namens le More, gefunden zu haben, welcher Hofmeister des jungen Grafen Erdmann Friedrich war. Dieser unter¬ zog sich denn anch bereitwillig der gefährlichen Mission, das Kind den Händen der bösen Mutter zu entführen. Die Gräfin muß indessen zeitig von den Plänen der Herzogin Kunde er¬ halten haben, denn schon im Mai 1723 beschwerte sie sich, daß ihr in vorer¬ wähnter Treck stehendes Töchterl, das sie bis ins 12. Jahr sorgfältig aufer- zogen, durch obbenannte Vormünder genommen und nach Sachsen ack sÄu,«s,u,- ÄuiQ gebracht werden solle, in Folge dessen auch bereu über 200000 Gulden betragendes Vermögen gleichfalls dahin gezogen werden solle. Daraufhin war sofort die Außerlandesfnhrung der jungen Pupillin und ihres Vermögens vom Oberamte verboten worden. Der Ort der Erziehung sollte nach Vernehmung der Gräfin von Callenberg festgestellt werden. Wiewohl jedoch der Vormund der jungen Gräfin Kenntniß von diesem Erlaß haben mußte, war er doch im Verein mit der Herzogin von Weißenfels daran gegangen, das Kind zu befreien. Die Herzogin entsandte baldigst den genannten le More mit drei Bedienten und den nöthigen Mitteln versehen nach Böhmen ins Kuknsbad. Dort ange¬ kommen machte er unter dem Namen eines Baron von Metau bald von sich reden und näherte sich der Gräfin von Callenberg, erfuhr aber von ihr, daß ihre Tochter krankheitshalber zu Hause geblieben sei. Nach Empfang eines Briefes über den Krankheitszustand derselben reiste die Gräfin ab, und le More sah sich genöthigt, einer Einladung, sie in Steinau zu besuchen, Folge zu geben. Acht Tage nach ihrer Abreise begab auch er sich nach Steinau. Der Herzogin hatte er inzwischen berichtet, daß die Gräfin sich ans nichts etwas mache, daß sie bedauere, ihrem zweiten Manne nicht eine Kugel dnrch den Kopf geschossen zu haben u. dergl. mehr. Stets habe sie zwei geladene Pistolen bei ihrem Bette hängen und schieße höchst geschickt. In vierzehn Tagen werde er entweder die junge Gräfin liefern oder todt sein. In Steinau wartete le Fevre Tag für Tag auf eine Gelegenheit zur Aus¬ führung seines Vorhabens. Die Tochter der Gräfin war in Kenntniß gesetzt und freute sich herzlich, zu ihrer Großmutter zu kommen. Le Fevre, der sein Zimmer neben dem Schlafgemach der Gräfin hatte, wäre durch die unvorsich¬ tige Bemerkung eines seiner Diener beinahe verrathen worden; doch hatte sich

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/213
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/213>, abgerufen am 26.06.2024.