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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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Wasser kann nicht schnell abfließen, es muß durch zahllose Adern Spalten und
Klüfte in Berg- und Flachländer eindringe", um selbst in den heißesten Som¬
mern die Quellen zu speisen. Das in der feuchten Waldatmosphäre als Dunst
enthaltene Wasser verhütet die Extreme von Hitze und Kälte, lindert die trockenen
Nord- und Ostwinde, mäßigt dadurch das Klima und erhöht die Fruchtbarkeit.
Selbst wenn das Wasser in Waldrevieren in geschlossenen Becken sich ange¬
sammelt hat, ist seine Verdunstung etwa 62 Proc. geringer als in freiem Felde,
und wenn auch im Sommer die Verdunstung viermal so stark ist als im Winter,
so bleibt das Verhältniß doch immer stetig dasselbe, ja dies Verhältniß behält
sogar seine Richtigkeit für diejenige" Wasser, welche vom Boden durch Capillar-
attraction festgehalten werden, d. h. für die Bodenfeuchtigkeit. Die Ver¬
wüstung dieser Bodenfeuchtigkeit jedoch kann wieder um 58 Proc. vermindert
werden durch eine schützende Streudecke, d, h.: Wenn auf einer gegebenen
Fläche im Freien 100 Liter von dem im Boden befindlichen Wasser verdunsten,
so verliert ein streufreier Waldboden unter sonst gleichen Verhältnissen nur 38,
ein streubedeckter sogar nur 15 Liter. Aber auch die Bodentemperatur
wird wesentlich durch den Einfluß des Waldes bedingt. Die mittlere Jahres¬
temperatur des Waldbodens ist nämlich in allen Tiefen geringer, als die des
unbewaldeten Bodens und zwar beträgt diese Differenz nahezu 1,50° I>, ver¬
theilt sich aber sehr ungleichmäßig und darum sehr wohlthätig auf die einzelnen
Jahreszeiten. Während im Sommer der Waldboden im Allgemeinen um 3,20"
kühler ist als der unbewaldete, beträgt dieser Unterschied im Frühjahr nur
1,60°, im Herbste 1,20° und im Winter nur 0,02°, d. h. währeud die Differenz
im Sommer sehr beträchtlich ist, verschwindet sie im Winter fast ganz. Die
Differenz der Lufttemperatur im Walde und im Freien läßt sich im Jahres¬
mittel auf 0,80° schätzen. Viel lebhafter als in den Jahresmitteln, zeigt sich")
die Wirkung des Waldes in der Abstufung der Extreme. Der Unterschied der
höchsten Tagestemperaturen im Walde und im Freien steigt im Juli bis auf
3,60", während jener der tiefsten Nachttemperatur in gleichem Monat nur 1,90°
beträgt. Im Januar dagegen ist es zur wärmsten Tagesstunde im Walde nur
um 0,50° kälter, zur kühlsten Nachtstunde dagegen 1,20° wärmer als im Freien.
Daß Wälder als Wasserreservoire eine große klimatische Bedeutung haben, ist
noch durch andere vielseitig ausgeführte Versuche der Neuzeit festgestellt worden.
Man hat gefunden, daß die mittlere Jahrestemperatur im Walde '/s bis 1 Grad
geringer ist als im gleichgelegenen waldlosen Gelände. Dies Verhältniß ist in
den verschiedenen Jahreszeiten zwar ein sehr verschiedenes, die Wärme-Maxima



*) Nach Dr. E> Ebermcycr, "Die physikalischen Einwirkungen des Waldes auf Luft
und Boden, begründet durch die Beobachtungen der forstlicher meteorologischen Stationen
im Königreich Baiern." Aschaffenburg, Krebs, 1873.

Wasser kann nicht schnell abfließen, es muß durch zahllose Adern Spalten und
Klüfte in Berg- und Flachländer eindringe», um selbst in den heißesten Som¬
mern die Quellen zu speisen. Das in der feuchten Waldatmosphäre als Dunst
enthaltene Wasser verhütet die Extreme von Hitze und Kälte, lindert die trockenen
Nord- und Ostwinde, mäßigt dadurch das Klima und erhöht die Fruchtbarkeit.
Selbst wenn das Wasser in Waldrevieren in geschlossenen Becken sich ange¬
sammelt hat, ist seine Verdunstung etwa 62 Proc. geringer als in freiem Felde,
und wenn auch im Sommer die Verdunstung viermal so stark ist als im Winter,
so bleibt das Verhältniß doch immer stetig dasselbe, ja dies Verhältniß behält
sogar seine Richtigkeit für diejenige» Wasser, welche vom Boden durch Capillar-
attraction festgehalten werden, d. h. für die Bodenfeuchtigkeit. Die Ver¬
wüstung dieser Bodenfeuchtigkeit jedoch kann wieder um 58 Proc. vermindert
werden durch eine schützende Streudecke, d, h.: Wenn auf einer gegebenen
Fläche im Freien 100 Liter von dem im Boden befindlichen Wasser verdunsten,
so verliert ein streufreier Waldboden unter sonst gleichen Verhältnissen nur 38,
ein streubedeckter sogar nur 15 Liter. Aber auch die Bodentemperatur
wird wesentlich durch den Einfluß des Waldes bedingt. Die mittlere Jahres¬
temperatur des Waldbodens ist nämlich in allen Tiefen geringer, als die des
unbewaldeten Bodens und zwar beträgt diese Differenz nahezu 1,50° I>, ver¬
theilt sich aber sehr ungleichmäßig und darum sehr wohlthätig auf die einzelnen
Jahreszeiten. Während im Sommer der Waldboden im Allgemeinen um 3,20"
kühler ist als der unbewaldete, beträgt dieser Unterschied im Frühjahr nur
1,60°, im Herbste 1,20° und im Winter nur 0,02°, d. h. währeud die Differenz
im Sommer sehr beträchtlich ist, verschwindet sie im Winter fast ganz. Die
Differenz der Lufttemperatur im Walde und im Freien läßt sich im Jahres¬
mittel auf 0,80° schätzen. Viel lebhafter als in den Jahresmitteln, zeigt sich")
die Wirkung des Waldes in der Abstufung der Extreme. Der Unterschied der
höchsten Tagestemperaturen im Walde und im Freien steigt im Juli bis auf
3,60«, während jener der tiefsten Nachttemperatur in gleichem Monat nur 1,90°
beträgt. Im Januar dagegen ist es zur wärmsten Tagesstunde im Walde nur
um 0,50° kälter, zur kühlsten Nachtstunde dagegen 1,20° wärmer als im Freien.
Daß Wälder als Wasserreservoire eine große klimatische Bedeutung haben, ist
noch durch andere vielseitig ausgeführte Versuche der Neuzeit festgestellt worden.
Man hat gefunden, daß die mittlere Jahrestemperatur im Walde '/s bis 1 Grad
geringer ist als im gleichgelegenen waldlosen Gelände. Dies Verhältniß ist in
den verschiedenen Jahreszeiten zwar ein sehr verschiedenes, die Wärme-Maxima



*) Nach Dr. E> Ebermcycr, „Die physikalischen Einwirkungen des Waldes auf Luft
und Boden, begründet durch die Beobachtungen der forstlicher meteorologischen Stationen
im Königreich Baiern." Aschaffenburg, Krebs, 1873.
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[0157] Wasser kann nicht schnell abfließen, es muß durch zahllose Adern Spalten und Klüfte in Berg- und Flachländer eindringe», um selbst in den heißesten Som¬ mern die Quellen zu speisen. Das in der feuchten Waldatmosphäre als Dunst enthaltene Wasser verhütet die Extreme von Hitze und Kälte, lindert die trockenen Nord- und Ostwinde, mäßigt dadurch das Klima und erhöht die Fruchtbarkeit. Selbst wenn das Wasser in Waldrevieren in geschlossenen Becken sich ange¬ sammelt hat, ist seine Verdunstung etwa 62 Proc. geringer als in freiem Felde, und wenn auch im Sommer die Verdunstung viermal so stark ist als im Winter, so bleibt das Verhältniß doch immer stetig dasselbe, ja dies Verhältniß behält sogar seine Richtigkeit für diejenige» Wasser, welche vom Boden durch Capillar- attraction festgehalten werden, d. h. für die Bodenfeuchtigkeit. Die Ver¬ wüstung dieser Bodenfeuchtigkeit jedoch kann wieder um 58 Proc. vermindert werden durch eine schützende Streudecke, d, h.: Wenn auf einer gegebenen Fläche im Freien 100 Liter von dem im Boden befindlichen Wasser verdunsten, so verliert ein streufreier Waldboden unter sonst gleichen Verhältnissen nur 38, ein streubedeckter sogar nur 15 Liter. Aber auch die Bodentemperatur wird wesentlich durch den Einfluß des Waldes bedingt. Die mittlere Jahres¬ temperatur des Waldbodens ist nämlich in allen Tiefen geringer, als die des unbewaldeten Bodens und zwar beträgt diese Differenz nahezu 1,50° I>, ver¬ theilt sich aber sehr ungleichmäßig und darum sehr wohlthätig auf die einzelnen Jahreszeiten. Während im Sommer der Waldboden im Allgemeinen um 3,20" kühler ist als der unbewaldete, beträgt dieser Unterschied im Frühjahr nur 1,60°, im Herbste 1,20° und im Winter nur 0,02°, d. h. währeud die Differenz im Sommer sehr beträchtlich ist, verschwindet sie im Winter fast ganz. Die Differenz der Lufttemperatur im Walde und im Freien läßt sich im Jahres¬ mittel auf 0,80° schätzen. Viel lebhafter als in den Jahresmitteln, zeigt sich") die Wirkung des Waldes in der Abstufung der Extreme. Der Unterschied der höchsten Tagestemperaturen im Walde und im Freien steigt im Juli bis auf 3,60«, während jener der tiefsten Nachttemperatur in gleichem Monat nur 1,90° beträgt. Im Januar dagegen ist es zur wärmsten Tagesstunde im Walde nur um 0,50° kälter, zur kühlsten Nachtstunde dagegen 1,20° wärmer als im Freien. Daß Wälder als Wasserreservoire eine große klimatische Bedeutung haben, ist noch durch andere vielseitig ausgeführte Versuche der Neuzeit festgestellt worden. Man hat gefunden, daß die mittlere Jahrestemperatur im Walde '/s bis 1 Grad geringer ist als im gleichgelegenen waldlosen Gelände. Dies Verhältniß ist in den verschiedenen Jahreszeiten zwar ein sehr verschiedenes, die Wärme-Maxima *) Nach Dr. E> Ebermcycr, „Die physikalischen Einwirkungen des Waldes auf Luft und Boden, begründet durch die Beobachtungen der forstlicher meteorologischen Stationen im Königreich Baiern." Aschaffenburg, Krebs, 1873.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/157>, abgerufen am 23.07.2024.