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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal.

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Sein Testament aber ist einerseits dazu geeignet, den liebenswürdigen
Zügen, welche sich uns aus Epikurs Leben eingeprägt haben, einen nachhaltigen
Stempel auszudrücken; andererseits spiegelt sich darin die hohe Verehrung,
welche Epikur bei seinen Schülern genoß, und das Bewußtsein, welches er,
etwas selbstgefällig wie er war, vou dieser Verehrung hatte. Er stiftete darin
zunächst bestimmte Feiertage zum Andenken seiner Eltern, denen er während
ihrer Lebzeiten immer die innigste kindliche Hochachtung bezeigt hatte, und seiner
vor ihm gestorbenen, stets warm geliebten Brüder, sowie zur Erinnerung an
ihn selber; er setzte ferner fest, daß am 20. jedes Monats ein gemeinschaftliches
Mahl, dessen Kosten aus seiner Hinterlassenschaft zu bestreiten seien, zu seiner und
Metrodors Ehre gefeiert werde; sodann wurde Hermarch, mit dem er "in der
Philosophie alt geworden war", zu seinem Nachfolger ernannt. Glanzpunkte
des Testamentes aber sind: die freigebigsten Bestimmungen für alle gegenwär¬
tigen und künftigen Schüler seines Princips, insbesondere die Schenkung seines
Hauses in Meine -- desselben, in welchem er gestorben -- und seines einst
um 80 Minen 1800 Thlr.) gekauften Gartens an die Schule, die eingehend-
sten, mit der größten Fürsorge getroffenen Anordnungen betreffs der Kinder
des Metrodor und des ebenfalls schon vor ihm gestorbenen Pvlyän und die
Freilassung seiner sämmtlichen Sclaven.

Die Stadt Athen widmete dem Andenken des edeln Philosophen mehrere
eherne Standbilder; der Dichter Menander aber hat ihn durch folgendes tref¬
fende Epigramm verherrlicht, in welchem er ihn mit Themistokles zusammen¬
stellt, dessen Vater ja ebenfalls Neokles hieß:


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Seid mir gegrüßt, ihr zwei Neokliden, von denen der Eine
Freiheit schenkte Athen, aber der Andre Vernunft.


Der Garten des Epikur war zu Ciceros Zeiten mit dem darauf befindlichen,
mittlerweile in Verfall gerathenen Hause in die Hände eines vornehmen Römers
Namens Menenius gekommen, der ihn als Bauplatz benutzen wollte; als er
diesen Plan ausgegeben, verwendete sich Cicero in einem noch erhaltenen Briefe
bei ihm um Zurückgabe an die Schule. Ob sie erfolgt ist, weiß man nicht.

Die Lehre Epikurs erhielt sich über 700 Jahre, also länger als fast jede
andere Schule, beinahe ganz unverändert, eine Thatsache, welche einerseits mit
der durch Epikur eingeführten schulmäßig an der Hand von autoritativen Leit¬
faden einübenden Lehrmethode, andererseits mit der göttlichen Verehrung zu¬
sammenhängt, mit welcher Epikur seine nächsten Schüler anhingen. Diese
Stetigkeit der Ueberlieferung epikureischer Lebensweisheit dürfte für den Leser
Grund genug sein, eine Erörterung über die wichtigsten Nachfolger Epikurs, wie


Sein Testament aber ist einerseits dazu geeignet, den liebenswürdigen
Zügen, welche sich uns aus Epikurs Leben eingeprägt haben, einen nachhaltigen
Stempel auszudrücken; andererseits spiegelt sich darin die hohe Verehrung,
welche Epikur bei seinen Schülern genoß, und das Bewußtsein, welches er,
etwas selbstgefällig wie er war, vou dieser Verehrung hatte. Er stiftete darin
zunächst bestimmte Feiertage zum Andenken seiner Eltern, denen er während
ihrer Lebzeiten immer die innigste kindliche Hochachtung bezeigt hatte, und seiner
vor ihm gestorbenen, stets warm geliebten Brüder, sowie zur Erinnerung an
ihn selber; er setzte ferner fest, daß am 20. jedes Monats ein gemeinschaftliches
Mahl, dessen Kosten aus seiner Hinterlassenschaft zu bestreiten seien, zu seiner und
Metrodors Ehre gefeiert werde; sodann wurde Hermarch, mit dem er „in der
Philosophie alt geworden war", zu seinem Nachfolger ernannt. Glanzpunkte
des Testamentes aber sind: die freigebigsten Bestimmungen für alle gegenwär¬
tigen und künftigen Schüler seines Princips, insbesondere die Schenkung seines
Hauses in Meine — desselben, in welchem er gestorben — und seines einst
um 80 Minen 1800 Thlr.) gekauften Gartens an die Schule, die eingehend-
sten, mit der größten Fürsorge getroffenen Anordnungen betreffs der Kinder
des Metrodor und des ebenfalls schon vor ihm gestorbenen Pvlyän und die
Freilassung seiner sämmtlichen Sclaven.

Die Stadt Athen widmete dem Andenken des edeln Philosophen mehrere
eherne Standbilder; der Dichter Menander aber hat ihn durch folgendes tref¬
fende Epigramm verherrlicht, in welchem er ihn mit Themistokles zusammen¬
stellt, dessen Vater ja ebenfalls Neokles hieß:


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Seid mir gegrüßt, ihr zwei Neokliden, von denen der Eine
Freiheit schenkte Athen, aber der Andre Vernunft.


Der Garten des Epikur war zu Ciceros Zeiten mit dem darauf befindlichen,
mittlerweile in Verfall gerathenen Hause in die Hände eines vornehmen Römers
Namens Menenius gekommen, der ihn als Bauplatz benutzen wollte; als er
diesen Plan ausgegeben, verwendete sich Cicero in einem noch erhaltenen Briefe
bei ihm um Zurückgabe an die Schule. Ob sie erfolgt ist, weiß man nicht.

Die Lehre Epikurs erhielt sich über 700 Jahre, also länger als fast jede
andere Schule, beinahe ganz unverändert, eine Thatsache, welche einerseits mit
der durch Epikur eingeführten schulmäßig an der Hand von autoritativen Leit¬
faden einübenden Lehrmethode, andererseits mit der göttlichen Verehrung zu¬
sammenhängt, mit welcher Epikur seine nächsten Schüler anhingen. Diese
Stetigkeit der Ueberlieferung epikureischer Lebensweisheit dürfte für den Leser
Grund genug sein, eine Erörterung über die wichtigsten Nachfolger Epikurs, wie


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[0116] Sein Testament aber ist einerseits dazu geeignet, den liebenswürdigen Zügen, welche sich uns aus Epikurs Leben eingeprägt haben, einen nachhaltigen Stempel auszudrücken; andererseits spiegelt sich darin die hohe Verehrung, welche Epikur bei seinen Schülern genoß, und das Bewußtsein, welches er, etwas selbstgefällig wie er war, vou dieser Verehrung hatte. Er stiftete darin zunächst bestimmte Feiertage zum Andenken seiner Eltern, denen er während ihrer Lebzeiten immer die innigste kindliche Hochachtung bezeigt hatte, und seiner vor ihm gestorbenen, stets warm geliebten Brüder, sowie zur Erinnerung an ihn selber; er setzte ferner fest, daß am 20. jedes Monats ein gemeinschaftliches Mahl, dessen Kosten aus seiner Hinterlassenschaft zu bestreiten seien, zu seiner und Metrodors Ehre gefeiert werde; sodann wurde Hermarch, mit dem er „in der Philosophie alt geworden war", zu seinem Nachfolger ernannt. Glanzpunkte des Testamentes aber sind: die freigebigsten Bestimmungen für alle gegenwär¬ tigen und künftigen Schüler seines Princips, insbesondere die Schenkung seines Hauses in Meine — desselben, in welchem er gestorben — und seines einst um 80 Minen 1800 Thlr.) gekauften Gartens an die Schule, die eingehend- sten, mit der größten Fürsorge getroffenen Anordnungen betreffs der Kinder des Metrodor und des ebenfalls schon vor ihm gestorbenen Pvlyän und die Freilassung seiner sämmtlichen Sclaven. Die Stadt Athen widmete dem Andenken des edeln Philosophen mehrere eherne Standbilder; der Dichter Menander aber hat ihn durch folgendes tref¬ fende Epigramm verherrlicht, in welchem er ihn mit Themistokles zusammen¬ stellt, dessen Vater ja ebenfalls Neokles hieß: ^«l^>«, /Veox^eÄ«, FtÄV>/t0v ^ni^os <»5> o ^/de»^ ^/«r^Äiz F»v^o<so^«s ^<7«A', ü i^«^o<7'v»>«e. Seid mir gegrüßt, ihr zwei Neokliden, von denen der Eine Freiheit schenkte Athen, aber der Andre Vernunft. Der Garten des Epikur war zu Ciceros Zeiten mit dem darauf befindlichen, mittlerweile in Verfall gerathenen Hause in die Hände eines vornehmen Römers Namens Menenius gekommen, der ihn als Bauplatz benutzen wollte; als er diesen Plan ausgegeben, verwendete sich Cicero in einem noch erhaltenen Briefe bei ihm um Zurückgabe an die Schule. Ob sie erfolgt ist, weiß man nicht. Die Lehre Epikurs erhielt sich über 700 Jahre, also länger als fast jede andere Schule, beinahe ganz unverändert, eine Thatsache, welche einerseits mit der durch Epikur eingeführten schulmäßig an der Hand von autoritativen Leit¬ faden einübenden Lehrmethode, andererseits mit der göttlichen Verehrung zu¬ sammenhängt, mit welcher Epikur seine nächsten Schüler anhingen. Diese Stetigkeit der Ueberlieferung epikureischer Lebensweisheit dürfte für den Leser Grund genug sein, eine Erörterung über die wichtigsten Nachfolger Epikurs, wie

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Drittes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157693/116>, abgerufen am 23.07.2024.