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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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sich nicht mehr weigern. Diese Annahme erwies sich als unrichtig: Waddington
lehnte die Botschafterstelle und Sah das Verbleiben im Cabinet >b, und so
blieb de Freycinet nichts übrig, als ein Ministerium zu bilden, wie es der
28. December entstehen sah.

In diesem neuen Cabinet sind von dem alten verblieben: de Freycinet, jetzt
Premier und zugleich Minister der auswärtigen Angelegenheiten, Tirard, der
Minister für Ackerbau und Handel, Cochery für Post und Telegraphen, Ferry
sür den Unterricht, Lepere für innere Verwaltung und Cultus, endlich der
Marineminister Jauresguiberry. Neu eingetreten sind: Varroy für die öffent¬
lichen Arbeiten, Farre für das Departement des Krieges, Magnin als Finanz¬
minister und Cazot für das Justizwesen. Farre, ein Genieoffizier und specieller
Freund Gambettas, war 1870 Generalstabschef Bvurbcikis und zuletzt mit dem
Kommando in Lyon betraut; Cazot und Magnin sind Mitglieder der republi¬
kanischen Union. Jener, früher Professor der Rechte in Paris, folgte, am
4. September 1870 zum Generalsecretair des Ministeriums des Innern ernannt,
der Delegation der provisorischen Regierung nach Tours und Bordeaux und
gab dann gleichzeitig mit Gambetta seine Entlassung. Im Juli 1871 wählten
ihn die Radikalen des Gard in die Nationalversammlung. Magnin, ursprüng¬
lich ein Eisenfabrikant, dann unter dem Kaiserreiche Mitglied der Linken im
Oorxs I^isIMv und 1870 als Ackerbauminister Mitglied der Regierung der
nationalen Vertheidigung, war von 1871 an Mitglied der republikanischen
Linken, als deren Führer er eine Zeit lang wirkte. Varroy endlich, ein Mit¬
glied der republikanischen Linken des Senats, ist seines Fachs Ingenieur, in
welcher Eigenschaft er früher bei den Arbeiten zur Schiffbarmachung des Rheins,
sowie bei der Ostbahn beschäftigt war. Er ist Mitglied des Generalraths der
Nsurtiis et Nosslls, dessen Präsident er ehedem war.

Betrachten wir die Träger dieser Namen näher, so ergiebt sich Folgendes.
Das neue französische Cabinet hat nicht die Beimischung radikaler Elemente
erhalten, die manche erwarteten. Andrerseits ist das linke Centrum zwar nicht
ganz aus demselben entfernt, wohl aber alles bedeutenden Einflusses beraubt.
Seine Betheiligung an der neuen Regierung ist auf einige Fachmänner beschränkt,
und der politische Schwerpunkt des Ministeriums Freycinet liegt ungefähr an der
Stelle, wo die republikanische Union sich mit der republikanischen Linken berührt.
Es muß und wird, nachdem die gemäßigten Elemente aus ihm entweder aus¬
geschieden sind oder nur wenig bedeutende Stellungen in ihm einnehmen, wesent¬
lich andere Wege einschlagen als das bisherige Cabinet des Präsidenten Grevy.
Gambetta steht zwar nicht an seiner Spitze, ist aber als sein geistiger Vater
und als sein künftiger stiller Dirigent, als sein Spiritus rsotor zu betrachten,
da es keim Kapacitäten ersten Ranges aufzuweisen hat. Der Exdictatvr von


sich nicht mehr weigern. Diese Annahme erwies sich als unrichtig: Waddington
lehnte die Botschafterstelle und Sah das Verbleiben im Cabinet >b, und so
blieb de Freycinet nichts übrig, als ein Ministerium zu bilden, wie es der
28. December entstehen sah.

In diesem neuen Cabinet sind von dem alten verblieben: de Freycinet, jetzt
Premier und zugleich Minister der auswärtigen Angelegenheiten, Tirard, der
Minister für Ackerbau und Handel, Cochery für Post und Telegraphen, Ferry
sür den Unterricht, Lepere für innere Verwaltung und Cultus, endlich der
Marineminister Jauresguiberry. Neu eingetreten sind: Varroy für die öffent¬
lichen Arbeiten, Farre für das Departement des Krieges, Magnin als Finanz¬
minister und Cazot für das Justizwesen. Farre, ein Genieoffizier und specieller
Freund Gambettas, war 1870 Generalstabschef Bvurbcikis und zuletzt mit dem
Kommando in Lyon betraut; Cazot und Magnin sind Mitglieder der republi¬
kanischen Union. Jener, früher Professor der Rechte in Paris, folgte, am
4. September 1870 zum Generalsecretair des Ministeriums des Innern ernannt,
der Delegation der provisorischen Regierung nach Tours und Bordeaux und
gab dann gleichzeitig mit Gambetta seine Entlassung. Im Juli 1871 wählten
ihn die Radikalen des Gard in die Nationalversammlung. Magnin, ursprüng¬
lich ein Eisenfabrikant, dann unter dem Kaiserreiche Mitglied der Linken im
Oorxs I^isIMv und 1870 als Ackerbauminister Mitglied der Regierung der
nationalen Vertheidigung, war von 1871 an Mitglied der republikanischen
Linken, als deren Führer er eine Zeit lang wirkte. Varroy endlich, ein Mit¬
glied der republikanischen Linken des Senats, ist seines Fachs Ingenieur, in
welcher Eigenschaft er früher bei den Arbeiten zur Schiffbarmachung des Rheins,
sowie bei der Ostbahn beschäftigt war. Er ist Mitglied des Generalraths der
Nsurtiis et Nosslls, dessen Präsident er ehedem war.

Betrachten wir die Träger dieser Namen näher, so ergiebt sich Folgendes.
Das neue französische Cabinet hat nicht die Beimischung radikaler Elemente
erhalten, die manche erwarteten. Andrerseits ist das linke Centrum zwar nicht
ganz aus demselben entfernt, wohl aber alles bedeutenden Einflusses beraubt.
Seine Betheiligung an der neuen Regierung ist auf einige Fachmänner beschränkt,
und der politische Schwerpunkt des Ministeriums Freycinet liegt ungefähr an der
Stelle, wo die republikanische Union sich mit der republikanischen Linken berührt.
Es muß und wird, nachdem die gemäßigten Elemente aus ihm entweder aus¬
geschieden sind oder nur wenig bedeutende Stellungen in ihm einnehmen, wesent¬
lich andere Wege einschlagen als das bisherige Cabinet des Präsidenten Grevy.
Gambetta steht zwar nicht an seiner Spitze, ist aber als sein geistiger Vater
und als sein künftiger stiller Dirigent, als sein Spiritus rsotor zu betrachten,
da es keim Kapacitäten ersten Ranges aufzuweisen hat. Der Exdictatvr von


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/91>, abgerufen am 23.07.2024.