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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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gesinnten, und im Frohgefühl des glücklichen Wechsels trotz der Bestrebungen
seiner Gegner, die er an einer anderen Stelle Wäscher und Zungendrescher
nennt, legt er seinen Freunden die Worte in den Mund: "Der Stein, den die
Bauleute, d. i. die Rathsherren, verworfen haben, ist zum Eckstein geworden."
In der Stellung eines ersten Dompredigers verblieb Bake bis zum Jahre 1631,
wo die Katastrophe über Magdeburg hereinbrach.

Eine Schilderung der Gräuel bei der Eroberung der Stadt giebt uns
Bake zu der Stelle Psalm 79, Vers 1: "Es sind Heiden in Dein Erbe gefalle",
die haben Deinen heiligen Tempel verunreinigt und aus Jerusalem Steinhaufen
gemacht." Dazu bemerkt er: "Sind nicht die Heiden den 10. Mai 1631 in
Gottes Erbe eingefallen? Haben sie nicht so viele herrliche Tempel entweiht
und dem Erdboden gleichgemacht? Haben sie nicht Magdeburg in einen Stein¬
haufen verwandelt? Haben sie nicht die Leichname der Diener Gottes den
Vögeln des Himmels zur Speise vorgeworfen und das Fleisch der Heiligen
den Thieren des Feldes und den Fischen in der Elbe? Haben sie nicht Blut wie
Wasser vergossen in der Stadt und ihrer Umgebung? Wo waren Leute genug,
um die Todten zu begraben?" Er selbst mit feiner Familie hatte sich in den
Dom geflüchtet und wurde dort nebst vielen Anderen ^ im Ganzen an 1000
Menschen -- drei Tage lang unter den elendesten und entwürdigendsten Ver¬
hältnissen gefangen gehalten. "Nie werde ich," sagt er zu Psalm 35, "in meinem
ganzen Leben die elende Lage vergessen, die wir nach der Eroberung meiner
geliebten Vaterstadt Magdeburg im Dom 3 Tage lang als Gefangene ausge¬
standen haben. Welchen Spott, Hohn, Schimpf und Bitterkeit haben wir nicht
hintergeschluckt (ckevor^viinus). Wie oft hat man auch uns Unglücklichen
zugerufen: Höaczn! das, ita, da, K0! og,d, v^it! oxtiins, oxtiros! Min vi-
äirous, "mock vicköro ckuärmz. sxoxtg.vim.u8; so muß man die Ketzer dutzen! so
muß man ihnen die Ratzennest außbrennen! Die Magdeburgische Jungfrau soll
hinfort auftat der Thörner zum Klostergarten auskucken! auftat deß Grünen¬
rocks sol sie eine Nonnenkap tragen! auftat des anffgerichteten Kranzes soll sie
ein xatsr nostsr mit niedergeschlagenen Augen und Armen in Handen haben;
und tausenderlei mehr in dieser wahrhaft höllischen Noth."

Als am 13. Mai Tilly selbst in die Stadt einzog, thaten Bake und seine
Amtsbruder vor der Kirche einen Fußfall, worauf er sie nebst ihren Weibern
und Kindern in die Möllenvogtei bringen und ihnen etwas Speise reichen ließ.
So erzählt ein alter Bericht. Weniger glaubwürdig ist eine andere Tradition,
wonach Bake den Tilly mit den parodirten Worten des antiken Dichters em¬
pfangen haben soll:


Venit 8u,in"ig. nich et insluot-MIs K>,tum
Ug,xäsbnrgo: üiimns l'ross! t'uit 11um se lügen"
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gesinnten, und im Frohgefühl des glücklichen Wechsels trotz der Bestrebungen
seiner Gegner, die er an einer anderen Stelle Wäscher und Zungendrescher
nennt, legt er seinen Freunden die Worte in den Mund: „Der Stein, den die
Bauleute, d. i. die Rathsherren, verworfen haben, ist zum Eckstein geworden."
In der Stellung eines ersten Dompredigers verblieb Bake bis zum Jahre 1631,
wo die Katastrophe über Magdeburg hereinbrach.

Eine Schilderung der Gräuel bei der Eroberung der Stadt giebt uns
Bake zu der Stelle Psalm 79, Vers 1: „Es sind Heiden in Dein Erbe gefalle»,
die haben Deinen heiligen Tempel verunreinigt und aus Jerusalem Steinhaufen
gemacht." Dazu bemerkt er: „Sind nicht die Heiden den 10. Mai 1631 in
Gottes Erbe eingefallen? Haben sie nicht so viele herrliche Tempel entweiht
und dem Erdboden gleichgemacht? Haben sie nicht Magdeburg in einen Stein¬
haufen verwandelt? Haben sie nicht die Leichname der Diener Gottes den
Vögeln des Himmels zur Speise vorgeworfen und das Fleisch der Heiligen
den Thieren des Feldes und den Fischen in der Elbe? Haben sie nicht Blut wie
Wasser vergossen in der Stadt und ihrer Umgebung? Wo waren Leute genug,
um die Todten zu begraben?" Er selbst mit feiner Familie hatte sich in den
Dom geflüchtet und wurde dort nebst vielen Anderen ^ im Ganzen an 1000
Menschen — drei Tage lang unter den elendesten und entwürdigendsten Ver¬
hältnissen gefangen gehalten. „Nie werde ich," sagt er zu Psalm 35, „in meinem
ganzen Leben die elende Lage vergessen, die wir nach der Eroberung meiner
geliebten Vaterstadt Magdeburg im Dom 3 Tage lang als Gefangene ausge¬
standen haben. Welchen Spott, Hohn, Schimpf und Bitterkeit haben wir nicht
hintergeschluckt (ckevor^viinus). Wie oft hat man auch uns Unglücklichen
zugerufen: Höaczn! das, ita, da, K0! og,d, v^it! oxtiins, oxtiros! Min vi-
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muß man ihnen die Ratzennest außbrennen! Die Magdeburgische Jungfrau soll
hinfort auftat der Thörner zum Klostergarten auskucken! auftat deß Grünen¬
rocks sol sie eine Nonnenkap tragen! auftat des anffgerichteten Kranzes soll sie
ein xatsr nostsr mit niedergeschlagenen Augen und Armen in Handen haben;
und tausenderlei mehr in dieser wahrhaft höllischen Noth."

Als am 13. Mai Tilly selbst in die Stadt einzog, thaten Bake und seine
Amtsbruder vor der Kirche einen Fußfall, worauf er sie nebst ihren Weibern
und Kindern in die Möllenvogtei bringen und ihnen etwas Speise reichen ließ.
So erzählt ein alter Bericht. Weniger glaubwürdig ist eine andere Tradition,
wonach Bake den Tilly mit den parodirten Worten des antiken Dichters em¬
pfangen haben soll:


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/550>, abgerufen am 23.07.2024.