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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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Mission ihn bei den Geinigen discreditirt hat. Der von Sir Garnet Wolseleh
zum Staatsanwalt sür Transvaal ernannte Maasdvrp hat seine Stelle nieder¬
gelegt, und ein Nachfolger für ihn mußte aus Natal verschrieben werden. Die
Bedächtigeren selbst unter dem bisherigen brittischen Anhang fangen an, an der
brittischen Politik irre zu werden, die den Anschein gewährt, als wäre sie selbst
ins Schwanken gerathen. Es ist wohl möglich, daß Downing Street, wie es
in Betreff Afghanistans andere Saiten aufzieht und eine Politik der Versöh¬
nung und des Vertrages nach derjenigen der Rache und brutalen Gewalt zu
üben verspricht, auch in Transvaal auf Erwerbung von Vertrauen statt Ge¬
horsams hinarbeitet, möglich, daß Sir Garnet und Sir Bartle desavouirt wer¬
den sollen, wie Sir Theophil Shepstone bereits in Ungnade gefallen ist, und
daß Sir Garnet am andern Ende des Telegrapheneabels in Maritzburg ganz
andere Weisungen empfangen hat, als er unmittelbar nach der Erledigung des
Zulukrieges und nach der Gefangennahme Sekokuni's empfing, möglich, daß auch
die in der holländisch-englischen Cap-Kolonie zunehmende Sympathie für die
Rechte der Boers das Colonial-Amt in London wegen der Gewaltmaßregeln
seiner Commissäre bedenklich macht, und daß es die vou Sir Bartle gegen eine
-- für die Selbständigkeit des Transvaal sich bei ihm (schon im Herbst 1879)
verwendende -- Deputation des Cap-Parlaments geäußerte Hoffnung, die Boers
mit Polizei und Soldaten zur Raison zu bringen, nicht mehr theilt. Die An¬
erbietungen der Boers, die sie am 10. December machten, daß sie bereit seien,
über ihren Beitritt zur geplanten südafrikanischen Konföderation zu unterhan¬
deln, den Rechtszustand der Eingebornen in Transvaal gesetzlich zu ordnen und
die Diatriben der brittischen Reichspartei in ihrem Lande nicht zu bestrafen oder
zu rächen, können möglicherweise ans das brittische Ministerium in London einen
ähnlichen Eindruck gemacht haben, wie sie auf die ganze rechtlich und vernünftig
denkende Welt zu machen nicht verfehlt haben. Zwar hat nach den letzten
Nachrichten ans Capstadt der Cvlonialsecretär, der einflußreichste Beamte des
Ministeriums der Capcolonie und die rechte Hand des Sir Bartle Frere, ge¬
legentlich eines Besuches in East London verlauten lassen, daß dem am 7. Mai
zu eröffnenden Parlamente der Capcolonie bestimmte Vorschläge in Betreff einer
südafrikanischen Konföderation zugehen und daß Delegirte aus allen Colonien,
Capcolonie, Natal, West-Grikaland und Transvaal, zu gemeinschaftlicher Be¬
rathung der zu machenden Propositionen berufen werden würden. Es wird
jedenfalls abzuwarten fein, welche Maßregeln die Gewaltregierung in Trans¬
vaal mit Bezug auf den am 12. April sich versammelnden Volksrath treffen
wird, und ob sie selbst aus ihrer Mitte Delegirte zur Berathung der Propo¬
sitionen über die südafrikanische Consöderation nach Capstadt entsenden, mithin
das Possenspiel der Annexion von Transvaal consequent fortsetzen, oder ob sie


Mission ihn bei den Geinigen discreditirt hat. Der von Sir Garnet Wolseleh
zum Staatsanwalt sür Transvaal ernannte Maasdvrp hat seine Stelle nieder¬
gelegt, und ein Nachfolger für ihn mußte aus Natal verschrieben werden. Die
Bedächtigeren selbst unter dem bisherigen brittischen Anhang fangen an, an der
brittischen Politik irre zu werden, die den Anschein gewährt, als wäre sie selbst
ins Schwanken gerathen. Es ist wohl möglich, daß Downing Street, wie es
in Betreff Afghanistans andere Saiten aufzieht und eine Politik der Versöh¬
nung und des Vertrages nach derjenigen der Rache und brutalen Gewalt zu
üben verspricht, auch in Transvaal auf Erwerbung von Vertrauen statt Ge¬
horsams hinarbeitet, möglich, daß Sir Garnet und Sir Bartle desavouirt wer¬
den sollen, wie Sir Theophil Shepstone bereits in Ungnade gefallen ist, und
daß Sir Garnet am andern Ende des Telegrapheneabels in Maritzburg ganz
andere Weisungen empfangen hat, als er unmittelbar nach der Erledigung des
Zulukrieges und nach der Gefangennahme Sekokuni's empfing, möglich, daß auch
die in der holländisch-englischen Cap-Kolonie zunehmende Sympathie für die
Rechte der Boers das Colonial-Amt in London wegen der Gewaltmaßregeln
seiner Commissäre bedenklich macht, und daß es die vou Sir Bartle gegen eine
— für die Selbständigkeit des Transvaal sich bei ihm (schon im Herbst 1879)
verwendende — Deputation des Cap-Parlaments geäußerte Hoffnung, die Boers
mit Polizei und Soldaten zur Raison zu bringen, nicht mehr theilt. Die An¬
erbietungen der Boers, die sie am 10. December machten, daß sie bereit seien,
über ihren Beitritt zur geplanten südafrikanischen Konföderation zu unterhan¬
deln, den Rechtszustand der Eingebornen in Transvaal gesetzlich zu ordnen und
die Diatriben der brittischen Reichspartei in ihrem Lande nicht zu bestrafen oder
zu rächen, können möglicherweise ans das brittische Ministerium in London einen
ähnlichen Eindruck gemacht haben, wie sie auf die ganze rechtlich und vernünftig
denkende Welt zu machen nicht verfehlt haben. Zwar hat nach den letzten
Nachrichten ans Capstadt der Cvlonialsecretär, der einflußreichste Beamte des
Ministeriums der Capcolonie und die rechte Hand des Sir Bartle Frere, ge¬
legentlich eines Besuches in East London verlauten lassen, daß dem am 7. Mai
zu eröffnenden Parlamente der Capcolonie bestimmte Vorschläge in Betreff einer
südafrikanischen Konföderation zugehen und daß Delegirte aus allen Colonien,
Capcolonie, Natal, West-Grikaland und Transvaal, zu gemeinschaftlicher Be¬
rathung der zu machenden Propositionen berufen werden würden. Es wird
jedenfalls abzuwarten fein, welche Maßregeln die Gewaltregierung in Trans¬
vaal mit Bezug auf den am 12. April sich versammelnden Volksrath treffen
wird, und ob sie selbst aus ihrer Mitte Delegirte zur Berathung der Propo¬
sitionen über die südafrikanische Consöderation nach Capstadt entsenden, mithin
das Possenspiel der Annexion von Transvaal consequent fortsetzen, oder ob sie


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/504>, abgerufen am 24.07.2024.