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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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Seiten des militärischen Statthalters Sir Garnet nicht an Versuchen, die ein¬
fachen, um ihre Selbständigkeit und Selbstverwaltung beschwindelten Männer
zum bewaffneten Widerstande zu reizen. Executionen, von den brittischen Ge¬
richten verhängt, die von den Boers nicht als zu Recht bestehend anerkannt
wurde", wurden mit Strenge ausgeführt, brittische Artillerie und Dragoner
wurden in verschiedene Gegenden und Ortschaften entsandt. Ein Theil der
Boers war entschlossen, loszuschlagen, wurde aber durch die Bitten und Vor¬
stellungen der Führer davon zurückgehalten; auch fehlte ihnen zu einem längeren
activen Widerstande das nöthige Pulver. So entschlossen sie sich, in dem bis¬
herigen passiven Widerstande fortzufahren, in der Hoffnung, daß entweder die
Gerechtigkeit ihrer Sache am Ende in England siegreich durchdringen oder daß
den Britten die dauernde Aufrechthaltung der militärischen Besetzung ihres
Laudes zu kostspielig werden würde. Hat doch Gladstone auf seiner berühmt
gewordenen Agitationsreise im vorigen Herbst offen erklärt, den Boers sei
Unrecht geschehen, und ihre Selbständigkeit müsse ihnen wiedergegeben werdeu.

Indem nun der brittische Proconsul fortfuhr, zu bramarbasiren, und die
brittische Armee sich in einer keineswegs beneidenswerthen Lage befand -- wo¬
bei auch der Umstand eine wichtige Rolle spielt, daß sie für den Unterhalt ihrer
Pferde auf die Gutwilligkeit der Boers angewiesen sind, da diese über das den
Pferden im Transvaal allein dienliche Futter verfügen -- haben die Boers
fortgefahren, die eingesetzte Gewaltregierung als nicht vorhanden und ihren
alten Volksrath, ihren Landesthing, als fortwährend zu Recht bestehend zu be¬
trachten und sich mittelst desselben zu regieren und zu resolviren. Die viertel¬
jährlich stattfindenden große" Versammlungen, wo das ganze Volk gemeinschaft¬
lich das heilige Abendmahl genießt, werden von ihm auch zur Erledigung solcher
Geschäfte, welche die ganze Volksgemeinde angehen, benutzt. Eine solche Ver¬
sammlung wurde unter den Augen des brittischen Heeres am 10. December
vorigen Jahres von mehr als 6000 bewaffneten Männern abgehalten, die ein¬
stimmig unter Führung des von ihnen zum Präsidenten gewählten Vicepräsideut
Paul Krüger eine Unabhüngigkeits-Erklärung votirten und durch den Seeretür
des Vvlksraths an den brittischen General übersandten. Der Wortlaut dieser
Erklärung ist folgender:

Da es sich gezeigt hat, daß Ihrer Majestät Hohe Commissäre gegen Recht und Gerech-
ten taub sind, und da es klar ist, daß wir unsere uns arglistig geraubte Unabhängigkeit
durch Bitten und Flehen nie wieder erhalten werden, so fordern wir ernstlich und ent¬
schlossen,

1) Daß der Biccpräsident (Krüger) als Staatspräsident hervortreten und seine Stelle
als solcher einnehmen soll.

2) Daß der Präsident sofort den Volksrath gemäß dem Landes-Grundgesetz (Grondwet)
berufen soll.


Seiten des militärischen Statthalters Sir Garnet nicht an Versuchen, die ein¬
fachen, um ihre Selbständigkeit und Selbstverwaltung beschwindelten Männer
zum bewaffneten Widerstande zu reizen. Executionen, von den brittischen Ge¬
richten verhängt, die von den Boers nicht als zu Recht bestehend anerkannt
wurde», wurden mit Strenge ausgeführt, brittische Artillerie und Dragoner
wurden in verschiedene Gegenden und Ortschaften entsandt. Ein Theil der
Boers war entschlossen, loszuschlagen, wurde aber durch die Bitten und Vor¬
stellungen der Führer davon zurückgehalten; auch fehlte ihnen zu einem längeren
activen Widerstande das nöthige Pulver. So entschlossen sie sich, in dem bis¬
herigen passiven Widerstande fortzufahren, in der Hoffnung, daß entweder die
Gerechtigkeit ihrer Sache am Ende in England siegreich durchdringen oder daß
den Britten die dauernde Aufrechthaltung der militärischen Besetzung ihres
Laudes zu kostspielig werden würde. Hat doch Gladstone auf seiner berühmt
gewordenen Agitationsreise im vorigen Herbst offen erklärt, den Boers sei
Unrecht geschehen, und ihre Selbständigkeit müsse ihnen wiedergegeben werdeu.

Indem nun der brittische Proconsul fortfuhr, zu bramarbasiren, und die
brittische Armee sich in einer keineswegs beneidenswerthen Lage befand — wo¬
bei auch der Umstand eine wichtige Rolle spielt, daß sie für den Unterhalt ihrer
Pferde auf die Gutwilligkeit der Boers angewiesen sind, da diese über das den
Pferden im Transvaal allein dienliche Futter verfügen — haben die Boers
fortgefahren, die eingesetzte Gewaltregierung als nicht vorhanden und ihren
alten Volksrath, ihren Landesthing, als fortwährend zu Recht bestehend zu be¬
trachten und sich mittelst desselben zu regieren und zu resolviren. Die viertel¬
jährlich stattfindenden große» Versammlungen, wo das ganze Volk gemeinschaft¬
lich das heilige Abendmahl genießt, werden von ihm auch zur Erledigung solcher
Geschäfte, welche die ganze Volksgemeinde angehen, benutzt. Eine solche Ver¬
sammlung wurde unter den Augen des brittischen Heeres am 10. December
vorigen Jahres von mehr als 6000 bewaffneten Männern abgehalten, die ein¬
stimmig unter Führung des von ihnen zum Präsidenten gewählten Vicepräsideut
Paul Krüger eine Unabhüngigkeits-Erklärung votirten und durch den Seeretür
des Vvlksraths an den brittischen General übersandten. Der Wortlaut dieser
Erklärung ist folgender:

Da es sich gezeigt hat, daß Ihrer Majestät Hohe Commissäre gegen Recht und Gerech-
ten taub sind, und da es klar ist, daß wir unsere uns arglistig geraubte Unabhängigkeit
durch Bitten und Flehen nie wieder erhalten werden, so fordern wir ernstlich und ent¬
schlossen,

1) Daß der Biccpräsident (Krüger) als Staatspräsident hervortreten und seine Stelle
als solcher einnehmen soll.

2) Daß der Präsident sofort den Volksrath gemäß dem Landes-Grundgesetz (Grondwet)
berufen soll.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/500>, abgerufen am 03.07.2024.