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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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denen der Lncendro am größten ist, mag sich ans dreißig belaufen, sieben von
ihnen wirken an der Entstehung des Hauptquellbaches der Reuß mit.

Der Name Gotthard wurde zuerst dem Hochrttcken zwischen Hospeuthal --
von Scheuchzer noch Hospital genannt -- und Airolo gegeben, dessen oft recht
schwieriger Uebergang den Wanderern, in älterer Zeit meist Pilgern, den Schutz
irgend eines Heiligen nöthig zu haben schien. Die Entstehung des Weges über
diesen Paß und seine früheste Benutzung verlegte man noch vor nicht gar langer
Zeit in möglichst ferne Jahrhunderte zurück, selbst bis in mehrere Jahrhunderte
vor Beginn unserer Zeitrechnung. Als man sich aber nach historischen Nachweisen
für diese Ansicht umsah, zog man sofort ein Jahrtausend ab und brachte die
Gotthardstraße mit der Fürsorge Karls des Großen für Fremdenverkehr und
Reichsstraßen in Verbindung. Aber auch für diese Annahme ließ sich bis jetzt
kein Beweis ausfindig machen. Die früheste Erwähnung des Gotthard als Paß
ist enthalten in den um die Mitte des dreizehnten Jahrhunderts geschriebenen
Jahrbüchern des Benedictiners Albert von Stade. Vermuthlich machte er die
Reise nach Rom und zurück im Jahre 123K und benutzte für die Heimreise den
Gotthard, während er von den Wanderern aus Schwaben und den dortigen
Gegenden erzählt, daß sie deu Rückweg über den Comersee und den Septime"
Paß nehmen. Albert von Stade wollte mit seinen Angaben norddeutsche Pilger
instrniren und berechnete den Weg von Bellenz (Bellinzona) nach Luzern mit
Einschluß des Vierwaldstädtersees auf drei Tage.

Man würde aber sehr irren, wenn man sich die mittelalterliche Gotthard
straße als eine fahrbare Straße oder auch nur als einen geebneten Weg vor¬
stellen wollte. Aus den sich wiederholenden Klagen der Reisenden ersieht man,
daß der Paß nur aus einem gewöhnlichen Saumpfad bestand und nur die
Hauptrichtung sowie die wegsamsteu Stellen bezeichnete, die freilich noch immer
keine völlige Sicherheit gegen Felssturz und Lawinen gewährten. Außer frommen
Pilgern und heilsbedürftigen Seelen benutzten die Straße auch die schweizeri¬
schen Reisläufer, welche durch Sold, Beute und Abenteuer uach Italien gelockt
wurden, denn hier waren Fehden zwischen den Fürsten und Städten an der
Tagesordnung. So wird erzählt, daß im Jahre 1373 gegen 3000 Fnßknechte
aus der Schweiz über den Gotthard den Visconti in Mailand zuzogen.

Frühzeitig diente der Paß auch dem Transport von Kaufmannsgütern;
diese Thatsache beweist ein im Jahre 1313 als bestehend erwähnter Reichszoll.
Mit der Entwicklung des Waarenaustausches zwischen den lombardischen Städten
einerseits und den schweizerischen und südwestdeutschen andrerseits läßt sich
auch ein sicherer Fortschritt in der wachsenden Wichtigkeit des Passes beobachten.
Von älteren Reisebeschreibungen, welche etwas ausführlichere Kunde über die
Zustände der älteren Gotthardstraße geben, erwähnen wir nur den Bericht über


denen der Lncendro am größten ist, mag sich ans dreißig belaufen, sieben von
ihnen wirken an der Entstehung des Hauptquellbaches der Reuß mit.

Der Name Gotthard wurde zuerst dem Hochrttcken zwischen Hospeuthal —
von Scheuchzer noch Hospital genannt — und Airolo gegeben, dessen oft recht
schwieriger Uebergang den Wanderern, in älterer Zeit meist Pilgern, den Schutz
irgend eines Heiligen nöthig zu haben schien. Die Entstehung des Weges über
diesen Paß und seine früheste Benutzung verlegte man noch vor nicht gar langer
Zeit in möglichst ferne Jahrhunderte zurück, selbst bis in mehrere Jahrhunderte
vor Beginn unserer Zeitrechnung. Als man sich aber nach historischen Nachweisen
für diese Ansicht umsah, zog man sofort ein Jahrtausend ab und brachte die
Gotthardstraße mit der Fürsorge Karls des Großen für Fremdenverkehr und
Reichsstraßen in Verbindung. Aber auch für diese Annahme ließ sich bis jetzt
kein Beweis ausfindig machen. Die früheste Erwähnung des Gotthard als Paß
ist enthalten in den um die Mitte des dreizehnten Jahrhunderts geschriebenen
Jahrbüchern des Benedictiners Albert von Stade. Vermuthlich machte er die
Reise nach Rom und zurück im Jahre 123K und benutzte für die Heimreise den
Gotthard, während er von den Wanderern aus Schwaben und den dortigen
Gegenden erzählt, daß sie deu Rückweg über den Comersee und den Septime»
Paß nehmen. Albert von Stade wollte mit seinen Angaben norddeutsche Pilger
instrniren und berechnete den Weg von Bellenz (Bellinzona) nach Luzern mit
Einschluß des Vierwaldstädtersees auf drei Tage.

Man würde aber sehr irren, wenn man sich die mittelalterliche Gotthard
straße als eine fahrbare Straße oder auch nur als einen geebneten Weg vor¬
stellen wollte. Aus den sich wiederholenden Klagen der Reisenden ersieht man,
daß der Paß nur aus einem gewöhnlichen Saumpfad bestand und nur die
Hauptrichtung sowie die wegsamsteu Stellen bezeichnete, die freilich noch immer
keine völlige Sicherheit gegen Felssturz und Lawinen gewährten. Außer frommen
Pilgern und heilsbedürftigen Seelen benutzten die Straße auch die schweizeri¬
schen Reisläufer, welche durch Sold, Beute und Abenteuer uach Italien gelockt
wurden, denn hier waren Fehden zwischen den Fürsten und Städten an der
Tagesordnung. So wird erzählt, daß im Jahre 1373 gegen 3000 Fnßknechte
aus der Schweiz über den Gotthard den Visconti in Mailand zuzogen.

Frühzeitig diente der Paß auch dem Transport von Kaufmannsgütern;
diese Thatsache beweist ein im Jahre 1313 als bestehend erwähnter Reichszoll.
Mit der Entwicklung des Waarenaustausches zwischen den lombardischen Städten
einerseits und den schweizerischen und südwestdeutschen andrerseits läßt sich
auch ein sicherer Fortschritt in der wachsenden Wichtigkeit des Passes beobachten.
Von älteren Reisebeschreibungen, welche etwas ausführlichere Kunde über die
Zustände der älteren Gotthardstraße geben, erwähnen wir nur den Bericht über


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/484>, abgerufen am 23.07.2024.