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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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"Der epochemachenden Entdeckung des Grabes Regulini-Galassi in Caere mit
seinem homerischen Goldschmuck folgten ergiebige Ausgrabungen in Tusculum,
Veji, Alsium (von Seiten der Herzogin von Sermoneta), Vulci und wiederum
Caere." Das Lullottwo war in dieser Zeit im umfassendsten Maße ein Sam¬
melpunkt für alle archäologischen Neuigkeiten, auch von außerhalb der italieni¬
schen Grenzen. Die Jnstitutssitzungen waren eifrig besucht und boten Gelegen¬
heit zu reicher Belehrung und lebhafter Discussion; denn jeder Besucher hat
das Recht, Kunstwerke vorzulegen und zu besprechen.

Auch das Verhältniß zur päpstlichen Regierung war ein besseres geworden.
Zeugniß davon war die Liberalität, mit welcher die Censur gegenüber den Jn-
stitutsschristen gehandhabt wurde. Dennoch kam es 1844 einmal zu einem kleinen
Conflict mit ihr, und zwar weil in einem Vortrage Brauns über das bekannte
Relief mit der Apotheose Homers eine der allegorischen Figuren als I'hao
(Glaube) bezeichnet und der "auf die Weisheit sich stützende Glaube" dem Aber¬
glauben entgegengestellt worden war. Der geistliche Censor blieb dabei, dies
für allzu verfänglich zu halten, und versagte die Druck-Erlaubniß, so daß die
Rede in Florenz gedruckt werden mußte. Erst dreizehn Jahre später kam wieder
ein ähnlicher Fall vor, als der Pater Magister plötzlich verbot, die Göttin
Venus abzubilden oder nur beim Namen zu nennen, sodaß sie ein Jahr lang
verbannt bleiben mußte und erst später unter dem Namen Aphrodite sich wieder
einfchlich.

Eine neue tüchtige Kraft gewann die Direction in Wilhelm Herzen, einem
Schüler Welckers, der 1841 zuerst nach Rom gekommen war und nach Abekens
Tod 1844 als dessen Nachfolger die zweite Secretärstelle übernahm. Nächst
Gerhard und Braun gebührt ihm das Verdienst, durch umsichtige Geschäfts¬
führung, unermüdliche und gewissenhafte Arbeit und durch bedeutende wissen¬
schaftliche Leistungen dem Institute den Aufschwung gegeben und das Ansehen
erhalten zu haben, durch die es sich als ein wichtiger Factor in der Entwicklung
der Alterthumswissenschaft erwies. Seine Neigung für die Epigraphik gewann
auch dieser einen bedeutenden Platz im Institut, und bekanntlich gehört er zu
den hervorragendsten Vertretern dieses Zweiges der Archäologie -- falls man
letzteren nicht lieber der Philologie zurechnen will.

Italienische, deutsche, französische Gelehrte gingen jetzt, wenn sie nach Rom
kamen, nicht leicht am Institut vorüber und fanden in demselben einen Mittel¬
punkt sür Studien und Geselligkeit. Luynes und de Witte erneuerten bei ge¬
legentlichen Besuchen die freundschaftlichen Beziehungen. Der Fürst Spinelli,
der Marchese Melchiorri, Pater Scachi, Carina, Capranesi, Orioli, Gennarelli,
Lanci betheiligten sich an den Sitzungen und Vorträgen. 1839 kam K. O. Müller
mit mehreren.Schülern und brachte ein Vierteljahr auf dem Capitol zu. Erst


„Der epochemachenden Entdeckung des Grabes Regulini-Galassi in Caere mit
seinem homerischen Goldschmuck folgten ergiebige Ausgrabungen in Tusculum,
Veji, Alsium (von Seiten der Herzogin von Sermoneta), Vulci und wiederum
Caere." Das Lullottwo war in dieser Zeit im umfassendsten Maße ein Sam¬
melpunkt für alle archäologischen Neuigkeiten, auch von außerhalb der italieni¬
schen Grenzen. Die Jnstitutssitzungen waren eifrig besucht und boten Gelegen¬
heit zu reicher Belehrung und lebhafter Discussion; denn jeder Besucher hat
das Recht, Kunstwerke vorzulegen und zu besprechen.

Auch das Verhältniß zur päpstlichen Regierung war ein besseres geworden.
Zeugniß davon war die Liberalität, mit welcher die Censur gegenüber den Jn-
stitutsschristen gehandhabt wurde. Dennoch kam es 1844 einmal zu einem kleinen
Conflict mit ihr, und zwar weil in einem Vortrage Brauns über das bekannte
Relief mit der Apotheose Homers eine der allegorischen Figuren als I'hao
(Glaube) bezeichnet und der „auf die Weisheit sich stützende Glaube" dem Aber¬
glauben entgegengestellt worden war. Der geistliche Censor blieb dabei, dies
für allzu verfänglich zu halten, und versagte die Druck-Erlaubniß, so daß die
Rede in Florenz gedruckt werden mußte. Erst dreizehn Jahre später kam wieder
ein ähnlicher Fall vor, als der Pater Magister plötzlich verbot, die Göttin
Venus abzubilden oder nur beim Namen zu nennen, sodaß sie ein Jahr lang
verbannt bleiben mußte und erst später unter dem Namen Aphrodite sich wieder
einfchlich.

Eine neue tüchtige Kraft gewann die Direction in Wilhelm Herzen, einem
Schüler Welckers, der 1841 zuerst nach Rom gekommen war und nach Abekens
Tod 1844 als dessen Nachfolger die zweite Secretärstelle übernahm. Nächst
Gerhard und Braun gebührt ihm das Verdienst, durch umsichtige Geschäfts¬
führung, unermüdliche und gewissenhafte Arbeit und durch bedeutende wissen¬
schaftliche Leistungen dem Institute den Aufschwung gegeben und das Ansehen
erhalten zu haben, durch die es sich als ein wichtiger Factor in der Entwicklung
der Alterthumswissenschaft erwies. Seine Neigung für die Epigraphik gewann
auch dieser einen bedeutenden Platz im Institut, und bekanntlich gehört er zu
den hervorragendsten Vertretern dieses Zweiges der Archäologie — falls man
letzteren nicht lieber der Philologie zurechnen will.

Italienische, deutsche, französische Gelehrte gingen jetzt, wenn sie nach Rom
kamen, nicht leicht am Institut vorüber und fanden in demselben einen Mittel¬
punkt sür Studien und Geselligkeit. Luynes und de Witte erneuerten bei ge¬
legentlichen Besuchen die freundschaftlichen Beziehungen. Der Fürst Spinelli,
der Marchese Melchiorri, Pater Scachi, Carina, Capranesi, Orioli, Gennarelli,
Lanci betheiligten sich an den Sitzungen und Vorträgen. 1839 kam K. O. Müller
mit mehreren.Schülern und brachte ein Vierteljahr auf dem Capitol zu. Erst


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[0468] „Der epochemachenden Entdeckung des Grabes Regulini-Galassi in Caere mit seinem homerischen Goldschmuck folgten ergiebige Ausgrabungen in Tusculum, Veji, Alsium (von Seiten der Herzogin von Sermoneta), Vulci und wiederum Caere." Das Lullottwo war in dieser Zeit im umfassendsten Maße ein Sam¬ melpunkt für alle archäologischen Neuigkeiten, auch von außerhalb der italieni¬ schen Grenzen. Die Jnstitutssitzungen waren eifrig besucht und boten Gelegen¬ heit zu reicher Belehrung und lebhafter Discussion; denn jeder Besucher hat das Recht, Kunstwerke vorzulegen und zu besprechen. Auch das Verhältniß zur päpstlichen Regierung war ein besseres geworden. Zeugniß davon war die Liberalität, mit welcher die Censur gegenüber den Jn- stitutsschristen gehandhabt wurde. Dennoch kam es 1844 einmal zu einem kleinen Conflict mit ihr, und zwar weil in einem Vortrage Brauns über das bekannte Relief mit der Apotheose Homers eine der allegorischen Figuren als I'hao (Glaube) bezeichnet und der „auf die Weisheit sich stützende Glaube" dem Aber¬ glauben entgegengestellt worden war. Der geistliche Censor blieb dabei, dies für allzu verfänglich zu halten, und versagte die Druck-Erlaubniß, so daß die Rede in Florenz gedruckt werden mußte. Erst dreizehn Jahre später kam wieder ein ähnlicher Fall vor, als der Pater Magister plötzlich verbot, die Göttin Venus abzubilden oder nur beim Namen zu nennen, sodaß sie ein Jahr lang verbannt bleiben mußte und erst später unter dem Namen Aphrodite sich wieder einfchlich. Eine neue tüchtige Kraft gewann die Direction in Wilhelm Herzen, einem Schüler Welckers, der 1841 zuerst nach Rom gekommen war und nach Abekens Tod 1844 als dessen Nachfolger die zweite Secretärstelle übernahm. Nächst Gerhard und Braun gebührt ihm das Verdienst, durch umsichtige Geschäfts¬ führung, unermüdliche und gewissenhafte Arbeit und durch bedeutende wissen¬ schaftliche Leistungen dem Institute den Aufschwung gegeben und das Ansehen erhalten zu haben, durch die es sich als ein wichtiger Factor in der Entwicklung der Alterthumswissenschaft erwies. Seine Neigung für die Epigraphik gewann auch dieser einen bedeutenden Platz im Institut, und bekanntlich gehört er zu den hervorragendsten Vertretern dieses Zweiges der Archäologie — falls man letzteren nicht lieber der Philologie zurechnen will. Italienische, deutsche, französische Gelehrte gingen jetzt, wenn sie nach Rom kamen, nicht leicht am Institut vorüber und fanden in demselben einen Mittel¬ punkt sür Studien und Geselligkeit. Luynes und de Witte erneuerten bei ge¬ legentlichen Besuchen die freundschaftlichen Beziehungen. Der Fürst Spinelli, der Marchese Melchiorri, Pater Scachi, Carina, Capranesi, Orioli, Gennarelli, Lanci betheiligten sich an den Sitzungen und Vorträgen. 1839 kam K. O. Müller mit mehreren.Schülern und brachte ein Vierteljahr auf dem Capitol zu. Erst

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/468>, abgerufen am 23.07.2024.