Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.Anzahl österreichischer Generale der Armee Erzherzog Karls ließen sich im Jahre Aber nicht umsonst ist man Narr von Stockach. Das Diplom muß mit baarem Während der Narrenjagd werden die Vorbereitungen fiir den Fasching keines¬ Am Faschingsmontage ist Kirchgang. Noch vor 5(1 Jahren durfte kein Narr Das anmuthig am Fuße der Nellenburg gelegene Stockach hat sich bis zur Anzahl österreichischer Generale der Armee Erzherzog Karls ließen sich im Jahre Aber nicht umsonst ist man Narr von Stockach. Das Diplom muß mit baarem Während der Narrenjagd werden die Vorbereitungen fiir den Fasching keines¬ Am Faschingsmontage ist Kirchgang. Noch vor 5(1 Jahren durfte kein Narr Das anmuthig am Fuße der Nellenburg gelegene Stockach hat sich bis zur <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0447" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/146376"/> <p xml:id="ID_1305" prev="#ID_1304"> Anzahl österreichischer Generale der Armee Erzherzog Karls ließen sich im Jahre<lb/> 1799 in die Zunft aufnehmen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1306"> Aber nicht umsonst ist man Narr von Stockach. Das Diplom muß mit baarem<lb/> Gelde eingelöst werden, und die hierdurch der Narrenkasse zufließenden Gelder sind<lb/> oft nicht unbedeutend. Bis zum Jahre 1840 gab es nur eine Verwendung dafür,<lb/> sie wurden in Wein umgesetzt und gingen durch die stets durstigen Kehlen der hoch¬<lb/> löblichen Zunft. Einige uns aufbewahrte Trinkprotokolle geben uns über obbe-<lb/> meldeten Durst getreue Kunde. Die vermerkte Zahl der Maße, welche Jedem zuge¬<lb/> kommen, stellen sich würdig dem Besten zur Seite, was je in diesem Punkte ge¬<lb/> leistet worden ist. Inwieweit sich der Stockacher Durst seitdem vermindert hat,<lb/> entzieht sich der Beurtheilung des Verfassers. In Bezug auf die Verwendung der<lb/> Gelder haben sich humanere Ansichten Geltung verschafft, man nimmt sie jetzt nur<lb/> in Anspruch zur Unterstützung kranker, nothleidender Narren und zu ähnlichen Zwecken.</p><lb/> <p xml:id="ID_1307"> Während der Narrenjagd werden die Vorbereitungen fiir den Fasching keines¬<lb/> wegs außer Acht gelassen. Sind die Zeiten nicht gar zu trübe, so geht kein<lb/> Fasching vorüber ohne Aufzüge oder theatralische Vorstellungen. Die Themata zu<lb/> ersteren nimmt man fast immer aus der biblischen Geschichte, doch einzelne typische<lb/> Figuren wie Hans Knony und die Narrenmntter, welche nach der Ueberlieferung<lb/> ans Wien hierzu erscheint, pflegen meist nicht zu fehlen. Am sogenannten schmutzigen<lb/> Donnerstag (vor Fastnacht) beginnt der wirkliche Fasching. Zunächst gilt es, nach<lb/> altem Recht sich den schönsten Baum ans dem Stadtwalde zu holen. Unter Vor¬<lb/> antritt einer Musikbande wird er von der Schuljugend durch die Straßen geschleift<lb/> und von den Laufnarren am Brunnen aufgepflanzt. Hiermit tritt das Narren-<lb/> gcricht in Activität. Die eigentlichen Faschingsbclustigungcn, wie gesellige Zusam¬<lb/> menkünfte, Bälle ?c., verlaufen in ähnlicher Weise wie in anderen süddeutschen<lb/> Städten, nur angeregter; man fühlt die alte Narrenresidcnz noch durch.</p><lb/> <p xml:id="ID_1308"> Am Faschingsmontage ist Kirchgang. Noch vor 5(1 Jahren durfte kein Narr<lb/> sich ihm entziehen, um der Todtenmesse für die seit letztem Fasching verstorbenen<lb/> Narren beizuwohnen. Am Dienstage finden die Aufzüge statt. Am Aschermittwoch<lb/> Nachmittag 4 Uhr ist allgemeine große Narrenversammlung im Narrenwirthshaus.<lb/> Von diesem aus ordnet sich der Trauerzug, um den Fasching zu Grabe zu leiten.<lb/> Der Narrenbttttel mit dein Stäbe eröffnet den Zug, ihm folgen zwei Schlüsselträger,<lb/> hierauf die von Narren getragene Lade, dann die Gerichtsnarren mit dein Präsi¬<lb/> denten und den Vätern, zuletzt sämmtliche Lanfnarren. Ohne Musik umgeht mau<lb/> im langsamen Trauerschritt dreimal den Narrenbrunnen und begiebt sich dann in<lb/> das neugewählte Wirthshaus, wo zum Schluß eine Collecte zu wohlthätigen Zwecken<lb/> eingesammelt wird. Aber wenn auch die Faschingsfreuden hiermit ihr Eude erreicht<lb/> hat. so doch noch nicht das Narrenrecht. Dies dauert, wie bemerkt, bis zum Sonn¬<lb/> tag Lätare; erst dann fällt auch der Narrenbaum.</p><lb/> <p xml:id="ID_1309"> Das anmuthig am Fuße der Nellenburg gelegene Stockach hat sich bis zur<lb/> Stunde den frohen, leichtlebigen Sinn seiner Bewohner zu bewahren gewußt. Ihnen<lb/> ist es zum guten Theile zu danken, daß die durch ihre commercielle Lage einst<lb/> hochangesehene und reiche Stadt, welcher mehr als einmal durch unverschuldete<lb/> Unglücksfälle Alles genommen worden, sich immer wieder aufschwang, und dieser<lb/> Sinn wird sicherlich auch ferner nicht ohne Einfluß bleiben auf den Fortschritt der<lb/> geweckten und arbeitstttchtigen Bevölkerung.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0447]
Anzahl österreichischer Generale der Armee Erzherzog Karls ließen sich im Jahre
1799 in die Zunft aufnehmen.
Aber nicht umsonst ist man Narr von Stockach. Das Diplom muß mit baarem
Gelde eingelöst werden, und die hierdurch der Narrenkasse zufließenden Gelder sind
oft nicht unbedeutend. Bis zum Jahre 1840 gab es nur eine Verwendung dafür,
sie wurden in Wein umgesetzt und gingen durch die stets durstigen Kehlen der hoch¬
löblichen Zunft. Einige uns aufbewahrte Trinkprotokolle geben uns über obbe-
meldeten Durst getreue Kunde. Die vermerkte Zahl der Maße, welche Jedem zuge¬
kommen, stellen sich würdig dem Besten zur Seite, was je in diesem Punkte ge¬
leistet worden ist. Inwieweit sich der Stockacher Durst seitdem vermindert hat,
entzieht sich der Beurtheilung des Verfassers. In Bezug auf die Verwendung der
Gelder haben sich humanere Ansichten Geltung verschafft, man nimmt sie jetzt nur
in Anspruch zur Unterstützung kranker, nothleidender Narren und zu ähnlichen Zwecken.
Während der Narrenjagd werden die Vorbereitungen fiir den Fasching keines¬
wegs außer Acht gelassen. Sind die Zeiten nicht gar zu trübe, so geht kein
Fasching vorüber ohne Aufzüge oder theatralische Vorstellungen. Die Themata zu
ersteren nimmt man fast immer aus der biblischen Geschichte, doch einzelne typische
Figuren wie Hans Knony und die Narrenmntter, welche nach der Ueberlieferung
ans Wien hierzu erscheint, pflegen meist nicht zu fehlen. Am sogenannten schmutzigen
Donnerstag (vor Fastnacht) beginnt der wirkliche Fasching. Zunächst gilt es, nach
altem Recht sich den schönsten Baum ans dem Stadtwalde zu holen. Unter Vor¬
antritt einer Musikbande wird er von der Schuljugend durch die Straßen geschleift
und von den Laufnarren am Brunnen aufgepflanzt. Hiermit tritt das Narren-
gcricht in Activität. Die eigentlichen Faschingsbclustigungcn, wie gesellige Zusam¬
menkünfte, Bälle ?c., verlaufen in ähnlicher Weise wie in anderen süddeutschen
Städten, nur angeregter; man fühlt die alte Narrenresidcnz noch durch.
Am Faschingsmontage ist Kirchgang. Noch vor 5(1 Jahren durfte kein Narr
sich ihm entziehen, um der Todtenmesse für die seit letztem Fasching verstorbenen
Narren beizuwohnen. Am Dienstage finden die Aufzüge statt. Am Aschermittwoch
Nachmittag 4 Uhr ist allgemeine große Narrenversammlung im Narrenwirthshaus.
Von diesem aus ordnet sich der Trauerzug, um den Fasching zu Grabe zu leiten.
Der Narrenbttttel mit dein Stäbe eröffnet den Zug, ihm folgen zwei Schlüsselträger,
hierauf die von Narren getragene Lade, dann die Gerichtsnarren mit dein Präsi¬
denten und den Vätern, zuletzt sämmtliche Lanfnarren. Ohne Musik umgeht mau
im langsamen Trauerschritt dreimal den Narrenbrunnen und begiebt sich dann in
das neugewählte Wirthshaus, wo zum Schluß eine Collecte zu wohlthätigen Zwecken
eingesammelt wird. Aber wenn auch die Faschingsfreuden hiermit ihr Eude erreicht
hat. so doch noch nicht das Narrenrecht. Dies dauert, wie bemerkt, bis zum Sonn¬
tag Lätare; erst dann fällt auch der Narrenbaum.
Das anmuthig am Fuße der Nellenburg gelegene Stockach hat sich bis zur
Stunde den frohen, leichtlebigen Sinn seiner Bewohner zu bewahren gewußt. Ihnen
ist es zum guten Theile zu danken, daß die durch ihre commercielle Lage einst
hochangesehene und reiche Stadt, welcher mehr als einmal durch unverschuldete
Unglücksfälle Alles genommen worden, sich immer wieder aufschwang, und dieser
Sinn wird sicherlich auch ferner nicht ohne Einfluß bleiben auf den Fortschritt der
geweckten und arbeitstttchtigen Bevölkerung.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |