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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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an Zugmaschinen und ein Corps von Maschinen- und Zugpersonal erhalten,
durch welche 1) die internen Züge der Provinz, 2) mehrere von Provinz zu
Provinz durchgehende Strecken betrieben werden. Andere Strecken derselben
Provinz werden in durchgehende Verwaltung (hinsichtlich der Zugförderung)
von den Nachbarprovinzen übernommen. Hierüber die nöthigen Vereinbarungen
zwischen den Provinzen zu erzielen und die gegenseitige Abrechnung zu bewirken,
wird uicht schwierig sein, wenn man bedenkt, wie complicirte Verhältnisse gegen¬
wärtig durch besondere Verträge geordnet werden müssen.

Wir sehen also, daß der Schwerpunkt der Eisenbahnverwaltung und der
Ausgangspunkt für die Fortschritte im Betriebswesen heutzutage nicht sowohl
im Betriebe der freien Strecke als vielmehr im Betriebe der Bahnhöfe und
Zusammenlaufspunkte (Anschlusse) zu suchen ist, und hieraus folgt wieder, daß
einer Abgrenzung der Eisenbahn-Directionsbezirke nach den Grenzen der Provinzen,
wodurch die größeren Linien meist in der Mitte und auf freier Strecke zer¬
schnitten werden, in Rücksicht auf den Betrieb der Bahnen nichts im Wege
steht. Nur der größere Streckenfahrdienst erfordert eine eigenartige Einrich¬
tung nach Strecken, welche jedoch die Organisation der übrigen Verwaltungs¬
zweige nicht mit beeinflußt.

Wir kommen nun zu dem zweiten der oben beregten Punkte: Hat das
Territorium einer Provinz im allgemeinen eine zweckentsprechende Größe, um
als ein einheitlicher Bezirk einer Eisenbahndirection zugewiesen zu werden? In
der That möchten wir die Frage bejahen. Zu klein ist ein solcher Verwaltungs¬
bereich jedenfalls uicht, aber auch nicht zu groß, wie das Beispiel mehrerer
preußischen Eisenbahndirectionen, welche 1000 bis 1500 Kilometer und darüber
verwalten, ferner die Reichseisenbahnen in Elsaß-Lothringen, die großherzoglich
badischen, königlich würtembergischen und königlich sächsischen Staatsbahnen be¬
weisen, welche sämmtlich einheitliche Staatsbahncomplexe von ähnlicher Größe
unter einer Direction vereinigen.

Es wird also nur zu untersuchen sein, auf welchem Wege das Princip
der Selbstverwaltung für diese Theilnetze zur Einführung gebracht werden kann.
Das zu erstrebende Ziel ist: Entwicklung möglichster Selbstverwaltung für die
Eisenbahnen durch die- Provinzen, lebendige Theilnahme und Initiative der pro-
vinzialen Vertretungen: der Landtage, Kreise und Gemeinden. Wie kann die
lebendige Betheiligung dieser Körperschaften hervorgerufen und dauernd erhalten
werden? Am vollständigsten jedenfalls dadurch, daß man einer jeden Provinz
sämmtliche in derselben befindlichen Bahnen mit allen Einkünften und daran
haftenden Schulden und Lasten zum Eigenthum überwiese mit der Verpflich¬
tung, dieselben innerhalb des Rahmens allgemeiner Eisenbahngesetze und mit
Unterordnung unter die einzusetzende Central-Eisenbahnbehörde frei nach ihrem


Grenzboten I- 1380. 51

an Zugmaschinen und ein Corps von Maschinen- und Zugpersonal erhalten,
durch welche 1) die internen Züge der Provinz, 2) mehrere von Provinz zu
Provinz durchgehende Strecken betrieben werden. Andere Strecken derselben
Provinz werden in durchgehende Verwaltung (hinsichtlich der Zugförderung)
von den Nachbarprovinzen übernommen. Hierüber die nöthigen Vereinbarungen
zwischen den Provinzen zu erzielen und die gegenseitige Abrechnung zu bewirken,
wird uicht schwierig sein, wenn man bedenkt, wie complicirte Verhältnisse gegen¬
wärtig durch besondere Verträge geordnet werden müssen.

Wir sehen also, daß der Schwerpunkt der Eisenbahnverwaltung und der
Ausgangspunkt für die Fortschritte im Betriebswesen heutzutage nicht sowohl
im Betriebe der freien Strecke als vielmehr im Betriebe der Bahnhöfe und
Zusammenlaufspunkte (Anschlusse) zu suchen ist, und hieraus folgt wieder, daß
einer Abgrenzung der Eisenbahn-Directionsbezirke nach den Grenzen der Provinzen,
wodurch die größeren Linien meist in der Mitte und auf freier Strecke zer¬
schnitten werden, in Rücksicht auf den Betrieb der Bahnen nichts im Wege
steht. Nur der größere Streckenfahrdienst erfordert eine eigenartige Einrich¬
tung nach Strecken, welche jedoch die Organisation der übrigen Verwaltungs¬
zweige nicht mit beeinflußt.

Wir kommen nun zu dem zweiten der oben beregten Punkte: Hat das
Territorium einer Provinz im allgemeinen eine zweckentsprechende Größe, um
als ein einheitlicher Bezirk einer Eisenbahndirection zugewiesen zu werden? In
der That möchten wir die Frage bejahen. Zu klein ist ein solcher Verwaltungs¬
bereich jedenfalls uicht, aber auch nicht zu groß, wie das Beispiel mehrerer
preußischen Eisenbahndirectionen, welche 1000 bis 1500 Kilometer und darüber
verwalten, ferner die Reichseisenbahnen in Elsaß-Lothringen, die großherzoglich
badischen, königlich würtembergischen und königlich sächsischen Staatsbahnen be¬
weisen, welche sämmtlich einheitliche Staatsbahncomplexe von ähnlicher Größe
unter einer Direction vereinigen.

Es wird also nur zu untersuchen sein, auf welchem Wege das Princip
der Selbstverwaltung für diese Theilnetze zur Einführung gebracht werden kann.
Das zu erstrebende Ziel ist: Entwicklung möglichster Selbstverwaltung für die
Eisenbahnen durch die- Provinzen, lebendige Theilnahme und Initiative der pro-
vinzialen Vertretungen: der Landtage, Kreise und Gemeinden. Wie kann die
lebendige Betheiligung dieser Körperschaften hervorgerufen und dauernd erhalten
werden? Am vollständigsten jedenfalls dadurch, daß man einer jeden Provinz
sämmtliche in derselben befindlichen Bahnen mit allen Einkünften und daran
haftenden Schulden und Lasten zum Eigenthum überwiese mit der Verpflich¬
tung, dieselben innerhalb des Rahmens allgemeiner Eisenbahngesetze und mit
Unterordnung unter die einzusetzende Central-Eisenbahnbehörde frei nach ihrem


Grenzboten I- 1380. 51
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/409>, abgerufen am 25.08.2024.