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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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sein. Denn rechts feuert ein spanischer Mönch, Pater Dominikus de Jesu
Maria, auf einem von Maulthieren gezogenen Wagen stehend, die Soldaten
zum Kampfe an. Das Gemälde befindet sich auf Schloß Uhlstadt in Franken,
im Besitze des Freiherrn v. Frankenstein.

Während der Jahre 1856--1858 unternahm Piloty mehrere Reisen nach
Paris und Rom; letzteres betrat er 1858 zum ersten Male. Das genauere
Studium der französischen Schule war zwar auf seine Technik von weiterbilden¬
dem Einfluß; andrerseits aber gewann auch durch das Beispiel der französischen
Maler das theatralisch-pathetische Element so sehr bei ihm die Oberhand, daß es
selbst durch die erhabene, einfache Größe Roms uicht mehr zurückgedrängt werden
konnte. In Florenz war es, wo ihm nach der Erzählung Friedrich Pechts zu¬
erst die Idee zu dem großen Nerobilde aufging, welches ihn während der
nächsten zwei Jahre beschäftigen sollte. In Rom angelangt, begann er sogleich
an den Trümmern alter Herrlichkeit seine Vorstudien, die er nicht gerade zum
Vortheil der Gesammtwirkung seines Gemäldes verwerthete.

Beim ersten Morgengrauen, während noch die Flammen des brennenden
Roms im Hintergrunde mit dem Nebel kämpfen, schreitet der Imperator in
weißem Gewände, das sich in compacten Massen mehr als nöthig um seinen
Körper bauscht, das Haupt mit einem Rosenkranze geschmückt, über die rauchenden
Trümmer. Sclaven mit Fackeln und bewaffnete Krieger gehen ihm voran, und
mehrere hohe Würdenträger folgen ihm. Gemordete Christen liegen auf seinem
Wege; um den Leichnam ihrer Mutter steht eine Gruppe von wehklagenden
Kindern. Leute aus dem Volke, die hie und da neben den Trümmern empor¬
tauchen, blicken angstvoll auf den gekrönten Brandstifter und die Opfer seines
Wahnsinns.

Von neuem wiederholen sich vor diesem Gemälde die bereits öfter gehörten
Klagen: allzustarke Hervorhebung der Details und der nebensächlichen Figuren.
Die Bewaffneten, die dem Cäsar voranschritten, drängten sich ungebührlich in
den Vordergrund, so daß die sonst so vortreffliche und wahr charakterisirte Ge¬
stalt des Imperators unter seinen Trabanten litt. Nicht minder aufdringlich
gaben sich die verbrannten Trümmer, namentlich das Relief mit der das
Brüderpaar säugenden Wölfin, über das der Fuß des Kaisers gerade hinweg¬
schreitet. Aber die Stimmungsgewalt und die eoloristische Bravour verhalfen
auch diesem Bilde trotz seiner empfindliche:: Mängel in der Komposition zu
einem großen Erfolge, der freilich nicht von langer Dauer war. Piloty sorgte
indessen bald wieder dasür, dem Streite der Parteien, der sich von Jahr zu
Jahr immer lebhafter für und wider seine Schöpfungen erhob, neue Nahrung
zuzuführen.


Adolf Rosenberg.


sein. Denn rechts feuert ein spanischer Mönch, Pater Dominikus de Jesu
Maria, auf einem von Maulthieren gezogenen Wagen stehend, die Soldaten
zum Kampfe an. Das Gemälde befindet sich auf Schloß Uhlstadt in Franken,
im Besitze des Freiherrn v. Frankenstein.

Während der Jahre 1856—1858 unternahm Piloty mehrere Reisen nach
Paris und Rom; letzteres betrat er 1858 zum ersten Male. Das genauere
Studium der französischen Schule war zwar auf seine Technik von weiterbilden¬
dem Einfluß; andrerseits aber gewann auch durch das Beispiel der französischen
Maler das theatralisch-pathetische Element so sehr bei ihm die Oberhand, daß es
selbst durch die erhabene, einfache Größe Roms uicht mehr zurückgedrängt werden
konnte. In Florenz war es, wo ihm nach der Erzählung Friedrich Pechts zu¬
erst die Idee zu dem großen Nerobilde aufging, welches ihn während der
nächsten zwei Jahre beschäftigen sollte. In Rom angelangt, begann er sogleich
an den Trümmern alter Herrlichkeit seine Vorstudien, die er nicht gerade zum
Vortheil der Gesammtwirkung seines Gemäldes verwerthete.

Beim ersten Morgengrauen, während noch die Flammen des brennenden
Roms im Hintergrunde mit dem Nebel kämpfen, schreitet der Imperator in
weißem Gewände, das sich in compacten Massen mehr als nöthig um seinen
Körper bauscht, das Haupt mit einem Rosenkranze geschmückt, über die rauchenden
Trümmer. Sclaven mit Fackeln und bewaffnete Krieger gehen ihm voran, und
mehrere hohe Würdenträger folgen ihm. Gemordete Christen liegen auf seinem
Wege; um den Leichnam ihrer Mutter steht eine Gruppe von wehklagenden
Kindern. Leute aus dem Volke, die hie und da neben den Trümmern empor¬
tauchen, blicken angstvoll auf den gekrönten Brandstifter und die Opfer seines
Wahnsinns.

Von neuem wiederholen sich vor diesem Gemälde die bereits öfter gehörten
Klagen: allzustarke Hervorhebung der Details und der nebensächlichen Figuren.
Die Bewaffneten, die dem Cäsar voranschritten, drängten sich ungebührlich in
den Vordergrund, so daß die sonst so vortreffliche und wahr charakterisirte Ge¬
stalt des Imperators unter seinen Trabanten litt. Nicht minder aufdringlich
gaben sich die verbrannten Trümmer, namentlich das Relief mit der das
Brüderpaar säugenden Wölfin, über das der Fuß des Kaisers gerade hinweg¬
schreitet. Aber die Stimmungsgewalt und die eoloristische Bravour verhalfen
auch diesem Bilde trotz seiner empfindliche:: Mängel in der Komposition zu
einem großen Erfolge, der freilich nicht von langer Dauer war. Piloty sorgte
indessen bald wieder dasür, dem Streite der Parteien, der sich von Jahr zu
Jahr immer lebhafter für und wider seine Schöpfungen erhob, neue Nahrung
zuzuführen.


Adolf Rosenberg.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/351>, abgerufen am 22.07.2024.