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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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Philosophie und sagt zum Schluß von der Rechtsphilosophie: "Die Werke von
Ahrens und Professor Roter in Heidelberg über das Natur- und Staatsrecht,
über die Principien des Staats- und Völkerrechts, mit einem Worte, über die
Gesammtheit der Rechtsverhältnisse unter den Menschen und Völkern vom
idealen Gesichtspunkte aus verbreiten sich in allen Ländern und sind schon an
einer großen Anzahl Universitäten als die reinste Quelle der Philosophie
des Rechts angenommen. Spanien tritt heute in diese geistige Bewegung ein.
Die castilianische Race hat die Erinnerung an ihre vergangene Größe, die
heroische Kraft ihres Charakters und die Hoheit des Gedankens bewahrt. Sie
weiß, welches die Ursachen ihres Niedergangs gewesen sind und welches die
Bedingungen ihrer Rückkehr unter die Völker sind, welche vorwärts gehen. Sie
schickt sich an, ihren Ruhm auf dem Gebiete der Literatur, der Wissenschaften
und Künste zurückzuerobern. Sie besitzt bereits eine philosophische Schule, voller
Leben und Thätigkeit, vertreten durch große Namen, edle Einrichtungen und
großartige Werke, und ganz ergeben der Philosophie Krauses." Zum
Schluß widmet er dieses Buch dem Andenken an Julian Sanz del Rio, der
die Krausische Philosophie in Spanien eingeführt hat.*) -- Wenn das Aus¬
land unsern Landsmann also ehrt -- dürfen wir ihn da vergessen?

Das deutsche Volk hat manchen genialeren Mann aufzuweisen als Krause,
aber keinen, der mit reinerer, selbstloserer Hingabe dem von ihm erwählten
Berufe gelebt hat als dieser große Dulder, dem äußerlich nur Leiden beschieden
waren. Aber er hat nicht umsonst gelebt. Obwohl er in den Jahren, wo er
allein eine Schule gründen konnte, in der Göttinger Zeit, in Krankheit dahin¬
siechte, so ist doch der von ihm ausgestreute Same aufgegangen, und in den
größten Culturländern Europas lebt sein Geist in treuen Schülern fort. Sie
haben sich vor kurzem mit mehrere" andern Männern vereinigt, die sich zwar
nicht selbst Schüler Krauses nennen, aber aus Ehrfurcht und Dankbarkeit gegen
den unermüdlichen Wahrheitsucher und gottinnigen Weisen mit jenen gemein-



*) Aus einem vor kurzem erschienenen trefflichen Aufsatze: "Zur Geschichte der Kämpfe
Spaniens um seine geistige Wiedergeburt" (Augsb. Allgem. Zeit. 1879 Ur. 332 und 333
Beil.) ersehen wir, daß das angesehenste Blatt der Jesuitenpartei, das Univers, die geistige
Revolution, welche sich gegen die Jesuiten richtete und keinen geringen Antheil an der im
September 1868 erfolgten politischen Revolution hatte, insbesondere aber diese Revolution
selbst sogar lediglich für eine Frucht der "freimaurerischen Irrlehren (I) Krauses" erklärte,
und daß seit dieser Zeit in Spanien die jedem Fortschritte, sei es auf religiösem oder
politischem Gebiete, feindlich Gesinnten ihre Gegner ohne Unterschied als RiMsist"" bezeichn
nen! Hiernach scheint Kr-usch Philosophie die Quelle zu sein, aus welcher die Bewegung
fließt, die sich gegen den geistigen Despotismus der in Spanien noch übermächtigen Jesuiten
richtet, und eine von Männern dieses Geistes gegründete und am Is. October 1876 eröff¬
nete "freie Universität", die in stetem Wachsen begriffen ist, giebt dieser Bewegung einen
wirksamen Mittelpunkt. --

Philosophie und sagt zum Schluß von der Rechtsphilosophie: „Die Werke von
Ahrens und Professor Roter in Heidelberg über das Natur- und Staatsrecht,
über die Principien des Staats- und Völkerrechts, mit einem Worte, über die
Gesammtheit der Rechtsverhältnisse unter den Menschen und Völkern vom
idealen Gesichtspunkte aus verbreiten sich in allen Ländern und sind schon an
einer großen Anzahl Universitäten als die reinste Quelle der Philosophie
des Rechts angenommen. Spanien tritt heute in diese geistige Bewegung ein.
Die castilianische Race hat die Erinnerung an ihre vergangene Größe, die
heroische Kraft ihres Charakters und die Hoheit des Gedankens bewahrt. Sie
weiß, welches die Ursachen ihres Niedergangs gewesen sind und welches die
Bedingungen ihrer Rückkehr unter die Völker sind, welche vorwärts gehen. Sie
schickt sich an, ihren Ruhm auf dem Gebiete der Literatur, der Wissenschaften
und Künste zurückzuerobern. Sie besitzt bereits eine philosophische Schule, voller
Leben und Thätigkeit, vertreten durch große Namen, edle Einrichtungen und
großartige Werke, und ganz ergeben der Philosophie Krauses." Zum
Schluß widmet er dieses Buch dem Andenken an Julian Sanz del Rio, der
die Krausische Philosophie in Spanien eingeführt hat.*) — Wenn das Aus¬
land unsern Landsmann also ehrt — dürfen wir ihn da vergessen?

Das deutsche Volk hat manchen genialeren Mann aufzuweisen als Krause,
aber keinen, der mit reinerer, selbstloserer Hingabe dem von ihm erwählten
Berufe gelebt hat als dieser große Dulder, dem äußerlich nur Leiden beschieden
waren. Aber er hat nicht umsonst gelebt. Obwohl er in den Jahren, wo er
allein eine Schule gründen konnte, in der Göttinger Zeit, in Krankheit dahin¬
siechte, so ist doch der von ihm ausgestreute Same aufgegangen, und in den
größten Culturländern Europas lebt sein Geist in treuen Schülern fort. Sie
haben sich vor kurzem mit mehrere» andern Männern vereinigt, die sich zwar
nicht selbst Schüler Krauses nennen, aber aus Ehrfurcht und Dankbarkeit gegen
den unermüdlichen Wahrheitsucher und gottinnigen Weisen mit jenen gemein-



*) Aus einem vor kurzem erschienenen trefflichen Aufsatze: „Zur Geschichte der Kämpfe
Spaniens um seine geistige Wiedergeburt" (Augsb. Allgem. Zeit. 1879 Ur. 332 und 333
Beil.) ersehen wir, daß das angesehenste Blatt der Jesuitenpartei, das Univers, die geistige
Revolution, welche sich gegen die Jesuiten richtete und keinen geringen Antheil an der im
September 1868 erfolgten politischen Revolution hatte, insbesondere aber diese Revolution
selbst sogar lediglich für eine Frucht der „freimaurerischen Irrlehren (I) Krauses" erklärte,
und daß seit dieser Zeit in Spanien die jedem Fortschritte, sei es auf religiösem oder
politischem Gebiete, feindlich Gesinnten ihre Gegner ohne Unterschied als RiMsist»» bezeichn
nen! Hiernach scheint Kr-usch Philosophie die Quelle zu sein, aus welcher die Bewegung
fließt, die sich gegen den geistigen Despotismus der in Spanien noch übermächtigen Jesuiten
richtet, und eine von Männern dieses Geistes gegründete und am Is. October 1876 eröff¬
nete „freie Universität", die in stetem Wachsen begriffen ist, giebt dieser Bewegung einen
wirksamen Mittelpunkt. —
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[0339] Philosophie und sagt zum Schluß von der Rechtsphilosophie: „Die Werke von Ahrens und Professor Roter in Heidelberg über das Natur- und Staatsrecht, über die Principien des Staats- und Völkerrechts, mit einem Worte, über die Gesammtheit der Rechtsverhältnisse unter den Menschen und Völkern vom idealen Gesichtspunkte aus verbreiten sich in allen Ländern und sind schon an einer großen Anzahl Universitäten als die reinste Quelle der Philosophie des Rechts angenommen. Spanien tritt heute in diese geistige Bewegung ein. Die castilianische Race hat die Erinnerung an ihre vergangene Größe, die heroische Kraft ihres Charakters und die Hoheit des Gedankens bewahrt. Sie weiß, welches die Ursachen ihres Niedergangs gewesen sind und welches die Bedingungen ihrer Rückkehr unter die Völker sind, welche vorwärts gehen. Sie schickt sich an, ihren Ruhm auf dem Gebiete der Literatur, der Wissenschaften und Künste zurückzuerobern. Sie besitzt bereits eine philosophische Schule, voller Leben und Thätigkeit, vertreten durch große Namen, edle Einrichtungen und großartige Werke, und ganz ergeben der Philosophie Krauses." Zum Schluß widmet er dieses Buch dem Andenken an Julian Sanz del Rio, der die Krausische Philosophie in Spanien eingeführt hat.*) — Wenn das Aus¬ land unsern Landsmann also ehrt — dürfen wir ihn da vergessen? Das deutsche Volk hat manchen genialeren Mann aufzuweisen als Krause, aber keinen, der mit reinerer, selbstloserer Hingabe dem von ihm erwählten Berufe gelebt hat als dieser große Dulder, dem äußerlich nur Leiden beschieden waren. Aber er hat nicht umsonst gelebt. Obwohl er in den Jahren, wo er allein eine Schule gründen konnte, in der Göttinger Zeit, in Krankheit dahin¬ siechte, so ist doch der von ihm ausgestreute Same aufgegangen, und in den größten Culturländern Europas lebt sein Geist in treuen Schülern fort. Sie haben sich vor kurzem mit mehrere» andern Männern vereinigt, die sich zwar nicht selbst Schüler Krauses nennen, aber aus Ehrfurcht und Dankbarkeit gegen den unermüdlichen Wahrheitsucher und gottinnigen Weisen mit jenen gemein- *) Aus einem vor kurzem erschienenen trefflichen Aufsatze: „Zur Geschichte der Kämpfe Spaniens um seine geistige Wiedergeburt" (Augsb. Allgem. Zeit. 1879 Ur. 332 und 333 Beil.) ersehen wir, daß das angesehenste Blatt der Jesuitenpartei, das Univers, die geistige Revolution, welche sich gegen die Jesuiten richtete und keinen geringen Antheil an der im September 1868 erfolgten politischen Revolution hatte, insbesondere aber diese Revolution selbst sogar lediglich für eine Frucht der „freimaurerischen Irrlehren (I) Krauses" erklärte, und daß seit dieser Zeit in Spanien die jedem Fortschritte, sei es auf religiösem oder politischem Gebiete, feindlich Gesinnten ihre Gegner ohne Unterschied als RiMsist»» bezeichn nen! Hiernach scheint Kr-usch Philosophie die Quelle zu sein, aus welcher die Bewegung fließt, die sich gegen den geistigen Despotismus der in Spanien noch übermächtigen Jesuiten richtet, und eine von Männern dieses Geistes gegründete und am Is. October 1876 eröff¬ nete „freie Universität", die in stetem Wachsen begriffen ist, giebt dieser Bewegung einen wirksamen Mittelpunkt. —

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/339>, abgerufen am 22.07.2024.