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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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derich bei Rnhrort; neues Stahlwerk zu Bochum; Gebr. Hösch in Dortmund;
Stahlwerk in Osnabrück. Durch die neue Zollgesetzgebung hätte diese zweite
Kategorie, die Umschmelzwerke also, sicher zum Erliege" kommen müssen, denn
ohne englisches Eisen hört jegliche Möglichkeit ihrer Concurrenz auf; ihr Unter¬
liegen wäre aber für die Gesundung der Concurrenz auf deutschem Markte von
den wohlthätigsten Folgen gewesen.

In welcher Weise, bez. in welchem Maße werden nun beide Kategorien
getroffen durch die Benutzung des Minette-Roheisens für den Bessemer-Proceß?
Entschieden in der schwierigsten Lage befindet sich die erste Kategorie, die Besse¬
merwerke mit eigener Roheisenerzeugung. Weil sie mit dem Minettestahl nicht
werden concurriren können, so bleiben ihnen nur zwei Wege übrig: Entweder
sie sichren Minette-Erze ein, um aus diesen ihr Roheisen zu erzeugen; dann werden
ihre Eisensteingruben, in welchen so viele Millionen stecken, vollständig entwerthet.
Oder, sie geben die Roheisenerzeugung ganz auf, dann werden ihre Hohofen¬
anlagen, in denen ebenfalls Millionen stecken, entwerthet und müssen abge¬
brochen werden.

In eine weniger schwierige, wenn auch nichts weniger als zufriedenstellende
Lage würde die zweite Kategorie, die Umschmelzwerke, kommen, denn sie haben
nicht die hohen Verluste an Anlagekapitalien zu überwunden wie die erste, weil
sie weder Eisensteingruben noch Hohösen besitzen.

In beiden Fällen aber ergiebt sich ein in gleicher Weise niederdrückendes
Resultat: In beiden Fällen wird es geradezu unmöglich, daß die Werke in
Rheinland-Westfalen das Bessemer - Metall billiger als im Jahre 1878, also
unter 60 Mark und das Gießerei-Eisen unter 50--54 Mark mit Nutzen erzeugen
können. Demgegenüber stand graues Minette-Eisen auf 40 Mark -- eine Diffe¬
renz von 20, bez. 10 Mark. Wenn also die Luxemburger und Lothringer Werke
noch Converter und Walzwerke bauen und die Stahlfabrikation felbst in die
Hand nehmen, so ist an eine Concurrenz der rheinisch-westfälischen Werke gar
nicht zu denken, besonders nicht gegen die Werke von Stumm, Burdach, de
Wendet und Lothringer Eisenwerke, welche mit Raffinirwerken von großer Voll¬
kommenheit bereits versehen sind. Die an sich schon colossale Ueberproduction
an Stahl in Rheinland-Westfalen würde also noch vermehrt werden durch die
von Luxemburg und Lothringen, bez. sie würde sich dahin verschieben.

Ueber die Arbeiter eröffnete die oben genannte Autorität der Eisenenquete-
Commission: "Daß in der Gegend von Bochum ein ungewöhnlich großer
Arbeitsmangel herrscht, diese Wahrnehmung hat auf meine schriftliche Anfrage
die Polizeiverwaltung der Stadt Bochum bestätigt, mit dem Bemerken, daß der
ganze Stadt- und Landkreis Bochum an Arbeitsmangel leidet. Die Leute er¬
bieten sich, für 15 Sgr. täglich zu arbeiten, aber wir können sie dafür nicht


derich bei Rnhrort; neues Stahlwerk zu Bochum; Gebr. Hösch in Dortmund;
Stahlwerk in Osnabrück. Durch die neue Zollgesetzgebung hätte diese zweite
Kategorie, die Umschmelzwerke also, sicher zum Erliege« kommen müssen, denn
ohne englisches Eisen hört jegliche Möglichkeit ihrer Concurrenz auf; ihr Unter¬
liegen wäre aber für die Gesundung der Concurrenz auf deutschem Markte von
den wohlthätigsten Folgen gewesen.

In welcher Weise, bez. in welchem Maße werden nun beide Kategorien
getroffen durch die Benutzung des Minette-Roheisens für den Bessemer-Proceß?
Entschieden in der schwierigsten Lage befindet sich die erste Kategorie, die Besse¬
merwerke mit eigener Roheisenerzeugung. Weil sie mit dem Minettestahl nicht
werden concurriren können, so bleiben ihnen nur zwei Wege übrig: Entweder
sie sichren Minette-Erze ein, um aus diesen ihr Roheisen zu erzeugen; dann werden
ihre Eisensteingruben, in welchen so viele Millionen stecken, vollständig entwerthet.
Oder, sie geben die Roheisenerzeugung ganz auf, dann werden ihre Hohofen¬
anlagen, in denen ebenfalls Millionen stecken, entwerthet und müssen abge¬
brochen werden.

In eine weniger schwierige, wenn auch nichts weniger als zufriedenstellende
Lage würde die zweite Kategorie, die Umschmelzwerke, kommen, denn sie haben
nicht die hohen Verluste an Anlagekapitalien zu überwunden wie die erste, weil
sie weder Eisensteingruben noch Hohösen besitzen.

In beiden Fällen aber ergiebt sich ein in gleicher Weise niederdrückendes
Resultat: In beiden Fällen wird es geradezu unmöglich, daß die Werke in
Rheinland-Westfalen das Bessemer - Metall billiger als im Jahre 1878, also
unter 60 Mark und das Gießerei-Eisen unter 50—54 Mark mit Nutzen erzeugen
können. Demgegenüber stand graues Minette-Eisen auf 40 Mark — eine Diffe¬
renz von 20, bez. 10 Mark. Wenn also die Luxemburger und Lothringer Werke
noch Converter und Walzwerke bauen und die Stahlfabrikation felbst in die
Hand nehmen, so ist an eine Concurrenz der rheinisch-westfälischen Werke gar
nicht zu denken, besonders nicht gegen die Werke von Stumm, Burdach, de
Wendet und Lothringer Eisenwerke, welche mit Raffinirwerken von großer Voll¬
kommenheit bereits versehen sind. Die an sich schon colossale Ueberproduction
an Stahl in Rheinland-Westfalen würde also noch vermehrt werden durch die
von Luxemburg und Lothringen, bez. sie würde sich dahin verschieben.

Ueber die Arbeiter eröffnete die oben genannte Autorität der Eisenenquete-
Commission: „Daß in der Gegend von Bochum ein ungewöhnlich großer
Arbeitsmangel herrscht, diese Wahrnehmung hat auf meine schriftliche Anfrage
die Polizeiverwaltung der Stadt Bochum bestätigt, mit dem Bemerken, daß der
ganze Stadt- und Landkreis Bochum an Arbeitsmangel leidet. Die Leute er¬
bieten sich, für 15 Sgr. täglich zu arbeiten, aber wir können sie dafür nicht


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[0303] derich bei Rnhrort; neues Stahlwerk zu Bochum; Gebr. Hösch in Dortmund; Stahlwerk in Osnabrück. Durch die neue Zollgesetzgebung hätte diese zweite Kategorie, die Umschmelzwerke also, sicher zum Erliege« kommen müssen, denn ohne englisches Eisen hört jegliche Möglichkeit ihrer Concurrenz auf; ihr Unter¬ liegen wäre aber für die Gesundung der Concurrenz auf deutschem Markte von den wohlthätigsten Folgen gewesen. In welcher Weise, bez. in welchem Maße werden nun beide Kategorien getroffen durch die Benutzung des Minette-Roheisens für den Bessemer-Proceß? Entschieden in der schwierigsten Lage befindet sich die erste Kategorie, die Besse¬ merwerke mit eigener Roheisenerzeugung. Weil sie mit dem Minettestahl nicht werden concurriren können, so bleiben ihnen nur zwei Wege übrig: Entweder sie sichren Minette-Erze ein, um aus diesen ihr Roheisen zu erzeugen; dann werden ihre Eisensteingruben, in welchen so viele Millionen stecken, vollständig entwerthet. Oder, sie geben die Roheisenerzeugung ganz auf, dann werden ihre Hohofen¬ anlagen, in denen ebenfalls Millionen stecken, entwerthet und müssen abge¬ brochen werden. In eine weniger schwierige, wenn auch nichts weniger als zufriedenstellende Lage würde die zweite Kategorie, die Umschmelzwerke, kommen, denn sie haben nicht die hohen Verluste an Anlagekapitalien zu überwunden wie die erste, weil sie weder Eisensteingruben noch Hohösen besitzen. In beiden Fällen aber ergiebt sich ein in gleicher Weise niederdrückendes Resultat: In beiden Fällen wird es geradezu unmöglich, daß die Werke in Rheinland-Westfalen das Bessemer - Metall billiger als im Jahre 1878, also unter 60 Mark und das Gießerei-Eisen unter 50—54 Mark mit Nutzen erzeugen können. Demgegenüber stand graues Minette-Eisen auf 40 Mark — eine Diffe¬ renz von 20, bez. 10 Mark. Wenn also die Luxemburger und Lothringer Werke noch Converter und Walzwerke bauen und die Stahlfabrikation felbst in die Hand nehmen, so ist an eine Concurrenz der rheinisch-westfälischen Werke gar nicht zu denken, besonders nicht gegen die Werke von Stumm, Burdach, de Wendet und Lothringer Eisenwerke, welche mit Raffinirwerken von großer Voll¬ kommenheit bereits versehen sind. Die an sich schon colossale Ueberproduction an Stahl in Rheinland-Westfalen würde also noch vermehrt werden durch die von Luxemburg und Lothringen, bez. sie würde sich dahin verschieben. Ueber die Arbeiter eröffnete die oben genannte Autorität der Eisenenquete- Commission: „Daß in der Gegend von Bochum ein ungewöhnlich großer Arbeitsmangel herrscht, diese Wahrnehmung hat auf meine schriftliche Anfrage die Polizeiverwaltung der Stadt Bochum bestätigt, mit dem Bemerken, daß der ganze Stadt- und Landkreis Bochum an Arbeitsmangel leidet. Die Leute er¬ bieten sich, für 15 Sgr. täglich zu arbeiten, aber wir können sie dafür nicht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/303>, abgerufen am 23.07.2024.