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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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Wollte man dem gegenüber vielmehr die.classische Bildung als die tragende
Säule unserer modernen Cultur und Sittlichkeit hinstellen, so würde man damit
gerade den in dieser Beziehung wichtigsten Stand ganz außer Rechnung lassen,
den breiten bürgerlichen Mittelstand, dessen sittlicher Aufschwung wesentlich "durch
Luthers Bibel und das evangelische Kirchenlied vermittelt worden" ist. Und so
schließt denn Happel mit den ebenso besonnenen, als warmen Worten: "Wenn
wir auf irgeud ein geistiges Gut der Menschheit unser Vertrauen setzen dürfen,
daß es ihr beständig bleibe, so wird der Glaube es sein, der seit 1800 Jahren
immer wieder aufs neue die Welt überwunden hat; und der scheint doch recht
gesehen zu haben, welcher dieses prophetische Wort gesprochen: Himmel und
Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen/"




Krause.
Nach seinen Briefen.
A. Procksch. Von 3.

Um seine Idee des "Menschheitbundes" näher zu begründen und zu erläutern,
vereinigte sich Krause für das Jahr 1811 mit dem Buchhändler Arnold in Dresden
zur Herausgabe einer Zeitschrift unter dem Titel "Tagblatt des Menschheitlebens",
welche wöchentlich viermal erscheinen sollte. Den Plan der Zeitschrift legte
Krause in einer Vorrede dar; sie sollte die Menschheit und ihr Leben als ein
Ganzes auffassen, als Ganzes zur Anschauung bringen und alles Einzelne im
Ganzen und in seinem Verhältnisse zu ihm, sowie alles Einzelne in seinem
wechselseitigen Verhältnisse im Ganzen betrachten. Denn Krause glaubte die
rechte Zeit gekommen, um einen ersten Versuch der Art zu machen; die Idee
der Menschheit als eines organischen Ganzen und ihrer harmonischen Vollen¬
dung auf Erden leuchte jetzt zuerst herein ins Leben und beginne alle seine inneren
Theile zu erhellen, zu erwärmen und zu bekräftigen. "Wir leben," sagt er, "in
einem großen Staatenbunde, worin Freiheit der Gedankenäußerung durch den
Druck der höher auflebenden Menschheit gesetzlich gesichert ist, worin jede höhere
echtmenschliche Erkenntniß und Kunst äußerlich befördert und ermuntert wird.
In Sachen der Religion ist uns freie Aeußerung der eigenthümlichen Ueberzeugung
gestattet, sobald sie nicht mit allgemein menschlicher Religionswahrheit streitet;


Wollte man dem gegenüber vielmehr die.classische Bildung als die tragende
Säule unserer modernen Cultur und Sittlichkeit hinstellen, so würde man damit
gerade den in dieser Beziehung wichtigsten Stand ganz außer Rechnung lassen,
den breiten bürgerlichen Mittelstand, dessen sittlicher Aufschwung wesentlich „durch
Luthers Bibel und das evangelische Kirchenlied vermittelt worden" ist. Und so
schließt denn Happel mit den ebenso besonnenen, als warmen Worten: „Wenn
wir auf irgeud ein geistiges Gut der Menschheit unser Vertrauen setzen dürfen,
daß es ihr beständig bleibe, so wird der Glaube es sein, der seit 1800 Jahren
immer wieder aufs neue die Welt überwunden hat; und der scheint doch recht
gesehen zu haben, welcher dieses prophetische Wort gesprochen: Himmel und
Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen/"




Krause.
Nach seinen Briefen.
A. Procksch. Von 3.

Um seine Idee des „Menschheitbundes" näher zu begründen und zu erläutern,
vereinigte sich Krause für das Jahr 1811 mit dem Buchhändler Arnold in Dresden
zur Herausgabe einer Zeitschrift unter dem Titel „Tagblatt des Menschheitlebens",
welche wöchentlich viermal erscheinen sollte. Den Plan der Zeitschrift legte
Krause in einer Vorrede dar; sie sollte die Menschheit und ihr Leben als ein
Ganzes auffassen, als Ganzes zur Anschauung bringen und alles Einzelne im
Ganzen und in seinem Verhältnisse zu ihm, sowie alles Einzelne in seinem
wechselseitigen Verhältnisse im Ganzen betrachten. Denn Krause glaubte die
rechte Zeit gekommen, um einen ersten Versuch der Art zu machen; die Idee
der Menschheit als eines organischen Ganzen und ihrer harmonischen Vollen¬
dung auf Erden leuchte jetzt zuerst herein ins Leben und beginne alle seine inneren
Theile zu erhellen, zu erwärmen und zu bekräftigen. „Wir leben," sagt er, „in
einem großen Staatenbunde, worin Freiheit der Gedankenäußerung durch den
Druck der höher auflebenden Menschheit gesetzlich gesichert ist, worin jede höhere
echtmenschliche Erkenntniß und Kunst äußerlich befördert und ermuntert wird.
In Sachen der Religion ist uns freie Aeußerung der eigenthümlichen Ueberzeugung
gestattet, sobald sie nicht mit allgemein menschlicher Religionswahrheit streitet;


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[0284] Wollte man dem gegenüber vielmehr die.classische Bildung als die tragende Säule unserer modernen Cultur und Sittlichkeit hinstellen, so würde man damit gerade den in dieser Beziehung wichtigsten Stand ganz außer Rechnung lassen, den breiten bürgerlichen Mittelstand, dessen sittlicher Aufschwung wesentlich „durch Luthers Bibel und das evangelische Kirchenlied vermittelt worden" ist. Und so schließt denn Happel mit den ebenso besonnenen, als warmen Worten: „Wenn wir auf irgeud ein geistiges Gut der Menschheit unser Vertrauen setzen dürfen, daß es ihr beständig bleibe, so wird der Glaube es sein, der seit 1800 Jahren immer wieder aufs neue die Welt überwunden hat; und der scheint doch recht gesehen zu haben, welcher dieses prophetische Wort gesprochen: Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen/" Krause. Nach seinen Briefen. A. Procksch. Von 3. Um seine Idee des „Menschheitbundes" näher zu begründen und zu erläutern, vereinigte sich Krause für das Jahr 1811 mit dem Buchhändler Arnold in Dresden zur Herausgabe einer Zeitschrift unter dem Titel „Tagblatt des Menschheitlebens", welche wöchentlich viermal erscheinen sollte. Den Plan der Zeitschrift legte Krause in einer Vorrede dar; sie sollte die Menschheit und ihr Leben als ein Ganzes auffassen, als Ganzes zur Anschauung bringen und alles Einzelne im Ganzen und in seinem Verhältnisse zu ihm, sowie alles Einzelne in seinem wechselseitigen Verhältnisse im Ganzen betrachten. Denn Krause glaubte die rechte Zeit gekommen, um einen ersten Versuch der Art zu machen; die Idee der Menschheit als eines organischen Ganzen und ihrer harmonischen Vollen¬ dung auf Erden leuchte jetzt zuerst herein ins Leben und beginne alle seine inneren Theile zu erhellen, zu erwärmen und zu bekräftigen. „Wir leben," sagt er, „in einem großen Staatenbunde, worin Freiheit der Gedankenäußerung durch den Druck der höher auflebenden Menschheit gesetzlich gesichert ist, worin jede höhere echtmenschliche Erkenntniß und Kunst äußerlich befördert und ermuntert wird. In Sachen der Religion ist uns freie Aeußerung der eigenthümlichen Ueberzeugung gestattet, sobald sie nicht mit allgemein menschlicher Religionswahrheit streitet;

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/284>, abgerufen am 03.07.2024.