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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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fallen auf die schreckliche Katastrophe, welche damals die norischen Städte, die
alten Culturcentren, in Schutthaufen verwandelte, die Bevölkerung vernichtete
oder unterwarf und das Christenthum so völlig zerstörte, daß es zwei Jahr¬
hunderte später einer neuen Bekehrung von Salzburg aus bedürfte.

So wurde die spätere bairische Ostmark im wesentlichen slawisches Land,
die Vorposten der Slawen reichen noch bis nach Oberösterreich, etwas spärlicher
auch ins Salzburgische hinein, im allgemeinen nimmt die Dichtigkeit ihrer An¬
siedelungen von Süden nach Norden ab. Hauptsächlich in den schmäleren Flu߬
thälern, nicht auf dem schweren Boden, den ihr Hakenpflug nicht zu bearbeiten
vermochte, sind sie anzutreffen, und in diesen steigen sie, wie Windisch - Maerle
am Fuße des Groß-Venedigers und andere Namen bezeugen, viel weiter ins
Gebirge hinauf, als dies etwa im Erzgebirge die Sorben gethan haben. Es
bezeichnet dagegen die Unsicherheit der weiten Wiener Ebene, die lange Zeit hin¬
durch der Tummelplatz awarischer Reiterhorden blieb, daß dort kein einziger
slawischer Ortsname vorkommt, wie denn überhaupt die auffallend geringe Zahl
slawischer Niederlassungen in unmittelbarer Nähe der Donau die Vermuthung
nahe legt, daß dieses Volk die Nähe der großen, so oft von verwüstenden Horden
betretenen Straße eher mieden als suchten. Entsprechend der allgemein slawi¬
schen Sitte erfolgte ihre Ansiedelung nicht durch große Grundbesitzer, sondern
durch Geschlechtsgenossenschaften, wenn auch später einzelne große Grundherren
sich unter ihnen emporgeschwungen haben. Die von diesen Alpenslawen erreichte
Cultur ist immer eine sehr primitive geblieben; die Eintheilung in Zupanien
hatten sie mit anderen ihrer Stammesgenossen gemeinsam, eine weitere politische
Entwicklung hinderte die awarische Herrschaft. Von dieser befreite auch sie wohl
zeitweise der Franke sano, der von Böhmen aus das erste, freilich nur kurz¬
lebige Slawenreich gründete; als jedoch die Awaren sie nach dessen Tode aufs
neue unterjochen wollten, riefen sie die Hilfe ihrer Nachbarn, der Baiern, an,
und damit beginnt jene mächtige deutsche Einwirkung, welche, wesentlich ver¬
schieden von der gewaltsamen Art, wie dieser Proceß sich im nordöstlichen
Deutschland vollzog, die Alpenslawen durch friedliche Mittel erst bekehrte und
unterwarf, dann ihr Gebiet dnrch intensive Kolonisation in ein deutsches Land
verwandelte. Natürlich trat dieselbe in den verschiedenen Landschaften mit ver¬
schiedener Intensität auf. Nur schwach ist sie in Steiermark, namentlich im
Ennsthale, etwas stärker an Mur, März und oberer Leitha. In Kärnten be¬
mächtigt sie sich vor allem der alten Centrallandschaft um Klagenfurt, steigt aber
an der Donau nur in einzelnen Ansätzen hinauf und berührt von den Neben¬
thälern nur das der Lavard und die von Norden her mündenden. An der
Donau hielten sich die Deutschen, anders als ihre Vorgänger, mit Vorliebe in
der Nähe des Stromes, nahmen die kleinen Mündungsebenen der südlichen


fallen auf die schreckliche Katastrophe, welche damals die norischen Städte, die
alten Culturcentren, in Schutthaufen verwandelte, die Bevölkerung vernichtete
oder unterwarf und das Christenthum so völlig zerstörte, daß es zwei Jahr¬
hunderte später einer neuen Bekehrung von Salzburg aus bedürfte.

So wurde die spätere bairische Ostmark im wesentlichen slawisches Land,
die Vorposten der Slawen reichen noch bis nach Oberösterreich, etwas spärlicher
auch ins Salzburgische hinein, im allgemeinen nimmt die Dichtigkeit ihrer An¬
siedelungen von Süden nach Norden ab. Hauptsächlich in den schmäleren Flu߬
thälern, nicht auf dem schweren Boden, den ihr Hakenpflug nicht zu bearbeiten
vermochte, sind sie anzutreffen, und in diesen steigen sie, wie Windisch - Maerle
am Fuße des Groß-Venedigers und andere Namen bezeugen, viel weiter ins
Gebirge hinauf, als dies etwa im Erzgebirge die Sorben gethan haben. Es
bezeichnet dagegen die Unsicherheit der weiten Wiener Ebene, die lange Zeit hin¬
durch der Tummelplatz awarischer Reiterhorden blieb, daß dort kein einziger
slawischer Ortsname vorkommt, wie denn überhaupt die auffallend geringe Zahl
slawischer Niederlassungen in unmittelbarer Nähe der Donau die Vermuthung
nahe legt, daß dieses Volk die Nähe der großen, so oft von verwüstenden Horden
betretenen Straße eher mieden als suchten. Entsprechend der allgemein slawi¬
schen Sitte erfolgte ihre Ansiedelung nicht durch große Grundbesitzer, sondern
durch Geschlechtsgenossenschaften, wenn auch später einzelne große Grundherren
sich unter ihnen emporgeschwungen haben. Die von diesen Alpenslawen erreichte
Cultur ist immer eine sehr primitive geblieben; die Eintheilung in Zupanien
hatten sie mit anderen ihrer Stammesgenossen gemeinsam, eine weitere politische
Entwicklung hinderte die awarische Herrschaft. Von dieser befreite auch sie wohl
zeitweise der Franke sano, der von Böhmen aus das erste, freilich nur kurz¬
lebige Slawenreich gründete; als jedoch die Awaren sie nach dessen Tode aufs
neue unterjochen wollten, riefen sie die Hilfe ihrer Nachbarn, der Baiern, an,
und damit beginnt jene mächtige deutsche Einwirkung, welche, wesentlich ver¬
schieden von der gewaltsamen Art, wie dieser Proceß sich im nordöstlichen
Deutschland vollzog, die Alpenslawen durch friedliche Mittel erst bekehrte und
unterwarf, dann ihr Gebiet dnrch intensive Kolonisation in ein deutsches Land
verwandelte. Natürlich trat dieselbe in den verschiedenen Landschaften mit ver¬
schiedener Intensität auf. Nur schwach ist sie in Steiermark, namentlich im
Ennsthale, etwas stärker an Mur, März und oberer Leitha. In Kärnten be¬
mächtigt sie sich vor allem der alten Centrallandschaft um Klagenfurt, steigt aber
an der Donau nur in einzelnen Ansätzen hinauf und berührt von den Neben¬
thälern nur das der Lavard und die von Norden her mündenden. An der
Donau hielten sich die Deutschen, anders als ihre Vorgänger, mit Vorliebe in
der Nähe des Stromes, nahmen die kleinen Mündungsebenen der südlichen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/245>, abgerufen am 23.07.2024.