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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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ist schade, daß Sie gerade diesen Weg einschlugen, um Ihrer Idee Eingang zu
verschaffen, da Sie ihr dadurch Selbst gewissermaßen Hindernisse bauten."

Moßdorf schrieb 1811 eine Vertheidigung, zunächst für sich; als er dieselbe
im December desselben Jahres dem Censor Oberhofprediger Reinhard übersandte,
antwortete ihm dieser: "....Zwar kann ich als Ungeweiheter, mich auf
keine Weise erkühnen, über eine Angelegenheit, die sich von so viel Seiten in
ein mystisches Dunkel verliert, ein entscheidendes Urtheil zu fällen; soviel aber
ist mir aus Ihrer trefflichen Darstellung von Neuem klar geworden, daß in den
verborgenen Hallen der Maurerei dieselben Leidenschaften ihr Spiel treiben,
welche auch in der profanen Welt herrschen, und mehr als einmal hat sich mir
beim Lesen Ihres Werkes die Frage aufgedrungen: rg-litÄSus CÄsIsstidus ira.6?"

Krause selbst aber blieb mit den besten und tüchtigsten Freimaurern auch
dann noch verbunden, als er aus der Loge geschieden war, wurde auch von
dem Geheimen Rath Dr. Klaproth in Berlin, der als beigeordneter Großmeister
der Berliner Großloge "zu den drei Weltkugeln" den Antrag auf seine Aus¬
schließung unterzeichnet hatte, auf Graf Geßlers Empfehlung freundlichst auf¬
genommen. Von den Logen aber hielt er sich absichtlich und auch dann fern,
als man ihm den Wiedereintritt, z. B. in Potsdam, leicht machte, und wollte
überhaupt nur dann zurückkehren, wenn man ihn in ehrenvoller Weise zum
Wiedereintritt einladen würde, was nicht geschah; keine der beiden Parteien
wollte den ersten Schritt thun. Eine merkwürdige Ironie des Schicksals war
es aber, daß ein sehr beschäftigter Freund Krauses in Berlin sich später von
dem Ausgestoßenen wiederholt Reden anfertigen ließ, um sie in den Logen
vorzutragen.

Auch an feinem "Menschheitbunde" wurde Krause durch die erlittenen An¬
fechtungen nicht im entferntesten irre; es blieb sein höchster Stolz, Stifter des¬
selben zu sein. Dieser Menschheitbund, sagt Hohlfeld, ist "der christliche Gedanke
des allumfassenden Reiches Gottes, nur wissenschaftlich begründet und im Inneren
durchgestaltet. Der Menschheitbund wird der leitende Gedanke des Alters der
Reife auch für unsere Erdmenschheit werden. Derselbe hat die Aufgabe, alles
rein und allgemein Menschliche als solches, das ganze Menschenthum als Ganzes,
zu fordern, zu pflegen und zu vollenden. Er ist gewissermaßen das Gewissen
der Menschheit. Seine Macht soll eine rein geistige (moralische), keine äußere
Zwanggewalt sein. Seine Wirksamkeit ist friedlich, liebevoll, gerecht, mit allem
schon bestehenden Guten in allen Gesellschaftskreisen, in Familie und Volk, Staat
und Religionsverein u. s. w. in vollem Vereinklcmg. Die Verfassung des Mensch-
heitbnndes ist die freie Gemeindeverfassung: die frei erwählten Bundesbeamten
leiten den Bund im Namen und im Auftrage der Gemeinde." Im Zusammen-


ist schade, daß Sie gerade diesen Weg einschlugen, um Ihrer Idee Eingang zu
verschaffen, da Sie ihr dadurch Selbst gewissermaßen Hindernisse bauten."

Moßdorf schrieb 1811 eine Vertheidigung, zunächst für sich; als er dieselbe
im December desselben Jahres dem Censor Oberhofprediger Reinhard übersandte,
antwortete ihm dieser: „....Zwar kann ich als Ungeweiheter, mich auf
keine Weise erkühnen, über eine Angelegenheit, die sich von so viel Seiten in
ein mystisches Dunkel verliert, ein entscheidendes Urtheil zu fällen; soviel aber
ist mir aus Ihrer trefflichen Darstellung von Neuem klar geworden, daß in den
verborgenen Hallen der Maurerei dieselben Leidenschaften ihr Spiel treiben,
welche auch in der profanen Welt herrschen, und mehr als einmal hat sich mir
beim Lesen Ihres Werkes die Frage aufgedrungen: rg-litÄSus CÄsIsstidus ira.6?"

Krause selbst aber blieb mit den besten und tüchtigsten Freimaurern auch
dann noch verbunden, als er aus der Loge geschieden war, wurde auch von
dem Geheimen Rath Dr. Klaproth in Berlin, der als beigeordneter Großmeister
der Berliner Großloge „zu den drei Weltkugeln" den Antrag auf seine Aus¬
schließung unterzeichnet hatte, auf Graf Geßlers Empfehlung freundlichst auf¬
genommen. Von den Logen aber hielt er sich absichtlich und auch dann fern,
als man ihm den Wiedereintritt, z. B. in Potsdam, leicht machte, und wollte
überhaupt nur dann zurückkehren, wenn man ihn in ehrenvoller Weise zum
Wiedereintritt einladen würde, was nicht geschah; keine der beiden Parteien
wollte den ersten Schritt thun. Eine merkwürdige Ironie des Schicksals war
es aber, daß ein sehr beschäftigter Freund Krauses in Berlin sich später von
dem Ausgestoßenen wiederholt Reden anfertigen ließ, um sie in den Logen
vorzutragen.

Auch an feinem „Menschheitbunde" wurde Krause durch die erlittenen An¬
fechtungen nicht im entferntesten irre; es blieb sein höchster Stolz, Stifter des¬
selben zu sein. Dieser Menschheitbund, sagt Hohlfeld, ist „der christliche Gedanke
des allumfassenden Reiches Gottes, nur wissenschaftlich begründet und im Inneren
durchgestaltet. Der Menschheitbund wird der leitende Gedanke des Alters der
Reife auch für unsere Erdmenschheit werden. Derselbe hat die Aufgabe, alles
rein und allgemein Menschliche als solches, das ganze Menschenthum als Ganzes,
zu fordern, zu pflegen und zu vollenden. Er ist gewissermaßen das Gewissen
der Menschheit. Seine Macht soll eine rein geistige (moralische), keine äußere
Zwanggewalt sein. Seine Wirksamkeit ist friedlich, liebevoll, gerecht, mit allem
schon bestehenden Guten in allen Gesellschaftskreisen, in Familie und Volk, Staat
und Religionsverein u. s. w. in vollem Vereinklcmg. Die Verfassung des Mensch-
heitbnndes ist die freie Gemeindeverfassung: die frei erwählten Bundesbeamten
leiten den Bund im Namen und im Auftrage der Gemeinde." Im Zusammen-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/215>, abgerufen am 03.07.2024.