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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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Wirkungskreis; er wollte statt Dresden Paris zum Wohnsitz nehmen. Bereits
im November 1806 theilte er diesen Plan seinem Vater mit, der ihm freilich
sofort die unübersteiglichen Schwierigkeiten vorstellte, die es haben würde, ohne
alle Mittel oder Aussichten auf solche mit Frau und vier Kindern in eine wild¬
fremde Stadt zu ziehen; aber nicht gleich gab Krause den Plan auf. Er hoffte,
sich Johannes v. Müller zu empfehlen und durch diesen sein Ziel zu erreichen;
dann wieder wollte er mit einem Freunde, Namens Seidel, der bis dahin Er¬
zieher in Moskau gewesen war, gemeinschaftlich in Paris ein Erziehungsinstitut
gründen. "Mehrere fürstliche und reiche russische Familien," schrieb er am
16. December 1807 an seinen Vater, "haben Seidel schon ihre Kinder versprochen,
er kennt den russischen Gesandten Tolstoy in Paris persönlich, er wird den
Plan des Instituts, den wir in den nächsten Wochen zusammen entwerfen werden,
sowohl dem Kaiser von Rußland als auch Napoleon vorlegen lassen, wozu ihm
die rechten Kanäle offen stehen; er hat endlich Weltkenntniß und Betriebsamkeit
genug, um seine Absicht durchzusetzen." Alle diese Pläne kamen nicht zur Aus¬
führung. Auch in Dresden selbst eine Anstellung in der Nähe des Hofes zu
erlangen, wozu sich Krause mit Unterstützung des Generals Forell, dessen Sohn
er unterrichtete, Hoffnung machte, gelang ihm nicht, weil der katholische Hof
Katholiken begünstigte. Da man aber wußte, daß er hier anzukommen suchte,
und da man ihn häufig in der katholischen Kirche sah, wohin ihn freilich nicht
die Religion, am allerwenigsten die Confession, sondern die Kunst zog, da er
endlich auch in Forells Hause oft mit Katholiken zusammentraf, ohne indeß voll
ihrer Konfession bestimmt zu werden, so bildete sich von ihm, der über allen
confessionellen Unterschieden stand, das Gerücht, er sei katholisch geworden.
Dieses Gerücht drang auch nach Altenburg; welchen Eindruck es auf den lutherisch-
gesinnten Vater machte, zeigt folgender Brief desselben, den er am 16. October
1808 an seinen Sohn schrieb:

"Daß Du nun seit über ein Vierteljahr nicht eine Silbe an uns geschrieben
hat uns außerordentlich befremdet. Ernestine ^Krauses einzige Schwester^ und die
Mama . .. sagten immer: er ist doch wol krank, oder es ist sonst etwas Unglückliches
ihm begegnet, daß er nicht einmal eine Zeile schreibt.... Ich sagte ihnen, daß Du
bis zur Messe voller Arbeit sein würdest ..; aber es wurde geantwortet: zu einem
Briefe an uns braucht er eine Viertelstunde Zeit--es muß etwas ganz andres
zu Grunde liegen, wir sind sehr in Sorgen, u. s. w. So sehr mich auch schon
diese Aeußerungen beunruhigten und selbst mit Sorgen erfüllten, so suchte ich beide
zu beruhigen. Auch wurde ich vor 6--8 Wochen durch einige furchtbare Träume
von Dir erschreckt, wo ich Dich 2mal in der größten Lebensgefahr sahe, aus der
Du menschlichem Anscheine nach nicht gerettet werden konntest; ich wurde darüber
wach und erfuhr nicht, ob Du noch gerettet worden. -- -- Ich verschwieg aber diese


Grenzboten I. 18S0. 26

Wirkungskreis; er wollte statt Dresden Paris zum Wohnsitz nehmen. Bereits
im November 1806 theilte er diesen Plan seinem Vater mit, der ihm freilich
sofort die unübersteiglichen Schwierigkeiten vorstellte, die es haben würde, ohne
alle Mittel oder Aussichten auf solche mit Frau und vier Kindern in eine wild¬
fremde Stadt zu ziehen; aber nicht gleich gab Krause den Plan auf. Er hoffte,
sich Johannes v. Müller zu empfehlen und durch diesen sein Ziel zu erreichen;
dann wieder wollte er mit einem Freunde, Namens Seidel, der bis dahin Er¬
zieher in Moskau gewesen war, gemeinschaftlich in Paris ein Erziehungsinstitut
gründen. „Mehrere fürstliche und reiche russische Familien," schrieb er am
16. December 1807 an seinen Vater, „haben Seidel schon ihre Kinder versprochen,
er kennt den russischen Gesandten Tolstoy in Paris persönlich, er wird den
Plan des Instituts, den wir in den nächsten Wochen zusammen entwerfen werden,
sowohl dem Kaiser von Rußland als auch Napoleon vorlegen lassen, wozu ihm
die rechten Kanäle offen stehen; er hat endlich Weltkenntniß und Betriebsamkeit
genug, um seine Absicht durchzusetzen." Alle diese Pläne kamen nicht zur Aus¬
führung. Auch in Dresden selbst eine Anstellung in der Nähe des Hofes zu
erlangen, wozu sich Krause mit Unterstützung des Generals Forell, dessen Sohn
er unterrichtete, Hoffnung machte, gelang ihm nicht, weil der katholische Hof
Katholiken begünstigte. Da man aber wußte, daß er hier anzukommen suchte,
und da man ihn häufig in der katholischen Kirche sah, wohin ihn freilich nicht
die Religion, am allerwenigsten die Confession, sondern die Kunst zog, da er
endlich auch in Forells Hause oft mit Katholiken zusammentraf, ohne indeß voll
ihrer Konfession bestimmt zu werden, so bildete sich von ihm, der über allen
confessionellen Unterschieden stand, das Gerücht, er sei katholisch geworden.
Dieses Gerücht drang auch nach Altenburg; welchen Eindruck es auf den lutherisch-
gesinnten Vater machte, zeigt folgender Brief desselben, den er am 16. October
1808 an seinen Sohn schrieb:

„Daß Du nun seit über ein Vierteljahr nicht eine Silbe an uns geschrieben
hat uns außerordentlich befremdet. Ernestine ^Krauses einzige Schwester^ und die
Mama . .. sagten immer: er ist doch wol krank, oder es ist sonst etwas Unglückliches
ihm begegnet, daß er nicht einmal eine Zeile schreibt.... Ich sagte ihnen, daß Du
bis zur Messe voller Arbeit sein würdest ..; aber es wurde geantwortet: zu einem
Briefe an uns braucht er eine Viertelstunde Zeit--es muß etwas ganz andres
zu Grunde liegen, wir sind sehr in Sorgen, u. s. w. So sehr mich auch schon
diese Aeußerungen beunruhigten und selbst mit Sorgen erfüllten, so suchte ich beide
zu beruhigen. Auch wurde ich vor 6—8 Wochen durch einige furchtbare Träume
von Dir erschreckt, wo ich Dich 2mal in der größten Lebensgefahr sahe, aus der
Du menschlichem Anscheine nach nicht gerettet werden konntest; ich wurde darüber
wach und erfuhr nicht, ob Du noch gerettet worden. — — Ich verschwieg aber diese


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[0209] Wirkungskreis; er wollte statt Dresden Paris zum Wohnsitz nehmen. Bereits im November 1806 theilte er diesen Plan seinem Vater mit, der ihm freilich sofort die unübersteiglichen Schwierigkeiten vorstellte, die es haben würde, ohne alle Mittel oder Aussichten auf solche mit Frau und vier Kindern in eine wild¬ fremde Stadt zu ziehen; aber nicht gleich gab Krause den Plan auf. Er hoffte, sich Johannes v. Müller zu empfehlen und durch diesen sein Ziel zu erreichen; dann wieder wollte er mit einem Freunde, Namens Seidel, der bis dahin Er¬ zieher in Moskau gewesen war, gemeinschaftlich in Paris ein Erziehungsinstitut gründen. „Mehrere fürstliche und reiche russische Familien," schrieb er am 16. December 1807 an seinen Vater, „haben Seidel schon ihre Kinder versprochen, er kennt den russischen Gesandten Tolstoy in Paris persönlich, er wird den Plan des Instituts, den wir in den nächsten Wochen zusammen entwerfen werden, sowohl dem Kaiser von Rußland als auch Napoleon vorlegen lassen, wozu ihm die rechten Kanäle offen stehen; er hat endlich Weltkenntniß und Betriebsamkeit genug, um seine Absicht durchzusetzen." Alle diese Pläne kamen nicht zur Aus¬ führung. Auch in Dresden selbst eine Anstellung in der Nähe des Hofes zu erlangen, wozu sich Krause mit Unterstützung des Generals Forell, dessen Sohn er unterrichtete, Hoffnung machte, gelang ihm nicht, weil der katholische Hof Katholiken begünstigte. Da man aber wußte, daß er hier anzukommen suchte, und da man ihn häufig in der katholischen Kirche sah, wohin ihn freilich nicht die Religion, am allerwenigsten die Confession, sondern die Kunst zog, da er endlich auch in Forells Hause oft mit Katholiken zusammentraf, ohne indeß voll ihrer Konfession bestimmt zu werden, so bildete sich von ihm, der über allen confessionellen Unterschieden stand, das Gerücht, er sei katholisch geworden. Dieses Gerücht drang auch nach Altenburg; welchen Eindruck es auf den lutherisch- gesinnten Vater machte, zeigt folgender Brief desselben, den er am 16. October 1808 an seinen Sohn schrieb: „Daß Du nun seit über ein Vierteljahr nicht eine Silbe an uns geschrieben hat uns außerordentlich befremdet. Ernestine ^Krauses einzige Schwester^ und die Mama . .. sagten immer: er ist doch wol krank, oder es ist sonst etwas Unglückliches ihm begegnet, daß er nicht einmal eine Zeile schreibt.... Ich sagte ihnen, daß Du bis zur Messe voller Arbeit sein würdest ..; aber es wurde geantwortet: zu einem Briefe an uns braucht er eine Viertelstunde Zeit--es muß etwas ganz andres zu Grunde liegen, wir sind sehr in Sorgen, u. s. w. So sehr mich auch schon diese Aeußerungen beunruhigten und selbst mit Sorgen erfüllten, so suchte ich beide zu beruhigen. Auch wurde ich vor 6—8 Wochen durch einige furchtbare Träume von Dir erschreckt, wo ich Dich 2mal in der größten Lebensgefahr sahe, aus der Du menschlichem Anscheine nach nicht gerettet werden konntest; ich wurde darüber wach und erfuhr nicht, ob Du noch gerettet worden. — — Ich verschwieg aber diese Grenzboten I. 18S0. 26

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/209>, abgerufen am 03.07.2024.