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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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menschlichen Verhältnissen liegen. Hraw, no^Il^sritiÄ nennt es einmal einer seiner
Freunde, die ebenfalls viel darüber klagten. Der Vater, in dieser Beziehung
das gerade Gegentheil, war oft sehr ärgerlich, wenn ihm z. B. Carl schrieb, er
habe wieder eine Anzahl -- oft sehr theurer -- Bücher, oder ein Reißbrett für
19 Thaler, oder musikalische Instrumente gekauft, natürlich immer ohne Geld,
das der Vater nun nachträglich bewilligen mußte. Außer sich aber wurde der¬
selbe, als ihm sein Sohn mittheilte, er habe für 24 Thaler eine Drehbank von
neuer Erfindung gekauft, weil er zu solchen mechanischen Arbeiten außerordentliche
Lust habe und ihm diese Beschäftigung bei dem sitzenden Leben Erheiterung und
Beförderung der Gesundheit verspreche; er schrieb ihm in der stärksten Form
des Imperativs: "Die Drehbank giebst Du wieder zurück." Ja, zuweilen steigerte
sich der Aerger des Vaters, der die Mrig, xotssts-s in altrömischem Sinne
geltend machte, über die Manier seines Sohnes, eigenmächtig zu kaufen und zu
verkaufen, was ihm beliebte, und dann nachträglich den Vater um das Geld zu
bitten, bis zu einer Erbitterung, in welcher er auch ungerecht wurde, und dann
kam es zu den unerquicklichsten Auseinandersetzungen. Bei einer solchen Ge¬
legenheit bezeichnete der Sohn am 22. October 1799 seinen Standpunkt in
folgender Weise: "Das Recht der unpartheiischen Untersuchung, Herrschaft des
freien moralischen Willens und allgemeine Menschenliebe sollen das Ziel meines
Lebens und meiner ganzen Thätigkeit sein", und am 3. December 1799 schrieb er:

Alle Unordnung meines ökonomischen Zustandes, welche einzig die Veranlassung
Ihrer Unzufriedenheit mit mir von jeher gewesen sind, kommen alle aus folgenden
Quellen. 1) weil wir verschiedene Begriffe von dem Nothwendigen und von
der besten Anwendung des Geldes haben. Sie nennen nothwendig, was zum Essen
und Trinken und Zur Erwerbung derjenigen Kenntnisse gehört, die dazu unentbehrlich
sind, sich erst Brod zu verschaffen und seinen bürgerlich ehrlichen Namen zu be¬
haupten. Dies nenne auch ich nothwendig, aber dies nicht allein, und nicht im
ersten Grade. Ich kenne keine Nothwendigkeit als die moralische,
die mich zur rücksichtslosen Ausbildung meiner Vernunft auffordert und alles
was zu diesem Zwecke führt, nenne ich gleich stark nothwendig; das Geld hat
für mich keinen Werth, als in wiefern es Mittel zu solchem Zwecke ist, und die
Pflicht gebietet, von dem Gelde, was in unserer Gewalt steht, die bestmöglichste
Anwendung zu dergleichen Gebrauche zu machen. Aus dieser Verschiedenheit
unserer Grundsätze schreibt sich Ihre ganze Unzufriedenheit mit mir her; sie muß
auch nothwendig immer fortdauern, da ich meine Grundsätze ni es t ändern kann,
und es ist unvermeidlich, daß Sie mich eigenwillig, leichtsinnig, lieblos
n. s. w. nennen, weil Sie bloß auf das Aeußere meiner Handlungen, aber nicht
auf ihre Beweggründe sehen. 2) Weil ich immer das, was ich brauchte, bezahlen
mußte, ohne Ihre Einwilligung einholen zu können und ohne von Ihnen das Geld
erhalten zu haben. Deshalb mußte ich von jeher Schulden machen und versetzen,


menschlichen Verhältnissen liegen. Hraw, no^Il^sritiÄ nennt es einmal einer seiner
Freunde, die ebenfalls viel darüber klagten. Der Vater, in dieser Beziehung
das gerade Gegentheil, war oft sehr ärgerlich, wenn ihm z. B. Carl schrieb, er
habe wieder eine Anzahl — oft sehr theurer — Bücher, oder ein Reißbrett für
19 Thaler, oder musikalische Instrumente gekauft, natürlich immer ohne Geld,
das der Vater nun nachträglich bewilligen mußte. Außer sich aber wurde der¬
selbe, als ihm sein Sohn mittheilte, er habe für 24 Thaler eine Drehbank von
neuer Erfindung gekauft, weil er zu solchen mechanischen Arbeiten außerordentliche
Lust habe und ihm diese Beschäftigung bei dem sitzenden Leben Erheiterung und
Beförderung der Gesundheit verspreche; er schrieb ihm in der stärksten Form
des Imperativs: „Die Drehbank giebst Du wieder zurück." Ja, zuweilen steigerte
sich der Aerger des Vaters, der die Mrig, xotssts-s in altrömischem Sinne
geltend machte, über die Manier seines Sohnes, eigenmächtig zu kaufen und zu
verkaufen, was ihm beliebte, und dann nachträglich den Vater um das Geld zu
bitten, bis zu einer Erbitterung, in welcher er auch ungerecht wurde, und dann
kam es zu den unerquicklichsten Auseinandersetzungen. Bei einer solchen Ge¬
legenheit bezeichnete der Sohn am 22. October 1799 seinen Standpunkt in
folgender Weise: „Das Recht der unpartheiischen Untersuchung, Herrschaft des
freien moralischen Willens und allgemeine Menschenliebe sollen das Ziel meines
Lebens und meiner ganzen Thätigkeit sein", und am 3. December 1799 schrieb er:

Alle Unordnung meines ökonomischen Zustandes, welche einzig die Veranlassung
Ihrer Unzufriedenheit mit mir von jeher gewesen sind, kommen alle aus folgenden
Quellen. 1) weil wir verschiedene Begriffe von dem Nothwendigen und von
der besten Anwendung des Geldes haben. Sie nennen nothwendig, was zum Essen
und Trinken und Zur Erwerbung derjenigen Kenntnisse gehört, die dazu unentbehrlich
sind, sich erst Brod zu verschaffen und seinen bürgerlich ehrlichen Namen zu be¬
haupten. Dies nenne auch ich nothwendig, aber dies nicht allein, und nicht im
ersten Grade. Ich kenne keine Nothwendigkeit als die moralische,
die mich zur rücksichtslosen Ausbildung meiner Vernunft auffordert und alles
was zu diesem Zwecke führt, nenne ich gleich stark nothwendig; das Geld hat
für mich keinen Werth, als in wiefern es Mittel zu solchem Zwecke ist, und die
Pflicht gebietet, von dem Gelde, was in unserer Gewalt steht, die bestmöglichste
Anwendung zu dergleichen Gebrauche zu machen. Aus dieser Verschiedenheit
unserer Grundsätze schreibt sich Ihre ganze Unzufriedenheit mit mir her; sie muß
auch nothwendig immer fortdauern, da ich meine Grundsätze ni es t ändern kann,
und es ist unvermeidlich, daß Sie mich eigenwillig, leichtsinnig, lieblos
n. s. w. nennen, weil Sie bloß auf das Aeußere meiner Handlungen, aber nicht
auf ihre Beweggründe sehen. 2) Weil ich immer das, was ich brauchte, bezahlen
mußte, ohne Ihre Einwilligung einholen zu können und ohne von Ihnen das Geld
erhalten zu haben. Deshalb mußte ich von jeher Schulden machen und versetzen,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/155>, abgerufen am 25.08.2024.