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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal.

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Amt und amtlichen Erwerb blieb, immer tiefer in Noth und Schulden sank, bis
er sich von dein Pariser Revvlutionseomite anwerben ließ, in Folge dessen er
in Göttingen ausgewiesen wurde? der darauf auch in München, wohin er
sich gewandt hatte, keine Stellung, ja kaum Aufenthalt fand und erst zur Ruhe
kam, als der Tod ihn ans diesem Abenteurerleben abrief?

Wohl, lieber Leser, meinen wir beide denselben Krause, und doch ist der¬
selbe Mann -- ein ganz anderer. Hören wir sogleich als Berichtigung dieser
Zeiten, die seinen äußern Lebensgang skizziren, so wie er aus deu ersten Blick
erscheint, den Brief eines Mannes, dessen wahrhaft vornehme Gesinnung aus
seinem Schreiben selbst deutlich hervorleuchtet. Am M. September 1828 schrieb
Graf Wintzingerode von Göttingen aus an den Landdrost Geheimrath v. Campe
in Hannover folgenden Brief, der sich in Krauses Papieren findet*):

"----Durch Bouterweks Tod ist die Professur der Philosophie und
Aesthetik erledigt, -- welche nicht nothwendig vereint zu sein braucht. Seit mehreren
Jahren lebt hier ein als philosophischer Schriftsteller und Docent rühmlich bekannter
Dr. Krause. Seine Bemühungen, den Professors-Titel und einen kleinen Gehalt
zu erlangen, waren bisher so vergebens, wie die seiner zahlreichen Freunde, zu
denen mich ich gehöre (sowie Laffert, Wedemeycr, Scirtorius bey Lebzeiten, Blumen-
bach, Thibaut, Bauer n. f. w.) und zu denen jeder Unbefangene gehören wird,
der die stupende Gelehrsamkeit, das kindlich religiöse Gemüth, den hellen Geist,
und das viele Unglück dieses höchst interessanten Mannes näher kennen lernt.

Die Klippen, an denen alle Bemühungen scheiterten, waren so viel ich weiß
drey, von denen jedoch nur eine eingestanden wird, nämlich seine zahlreich""
Familie von Frau und 12 Kindern. Dieser Grund ist schwer zu verstehen, da
man denn doch im Falle seines Todes diese Menschen nicht über die Grenze trans¬
portieren wird, und die Gefahr, daß sie dem Staate und dem Publikum zur Last
fallen, weit größer ist, wenn er sie in der bisherigen Armuth zurückläßt, als wenn
man ihm die Mittel gewährt, etwas zu erwerben, sie zu erziehen, mit heiterm
Geiste die vielen Werke zu vollenden, die er angefangen hat (und von denen jetzt
drehe erscheinen) und so den Seinen etwas zu hinterlassen. -- Der zweite minder
bestimmt articulierte Grund, ist der Vorwurf daß er zu den Naturphilo¬
sophen gehöre. Er läugnet dies, ob ganz mit Recht, wage ich nicht zu entscheiden;
jedenfalls scheint es mir auch kein Grund ihm eine dauernde Anstellung zu ver¬
sagen, da man ihn ja doch als vootor le^-vus sein System vortragen läßt, da die
Zahl seiner Zuhörer zu wachsen beginnt, und da dies Fach denn doch auch auf
einer Academie wie die hiesige besetzt seyn muß. -- Der dritte, und wie ich



*) Der Briefwechsel Krauses ist von seinem Schüler und Schwiegersohn Hcriuaun
v, Leonhardi mit größter Sorgfalt gesammelt worden und befindet sich im Besitz der Erben
Leonhardis, Er umfaßt über 2000 Nummern.

Amt und amtlichen Erwerb blieb, immer tiefer in Noth und Schulden sank, bis
er sich von dein Pariser Revvlutionseomite anwerben ließ, in Folge dessen er
in Göttingen ausgewiesen wurde? der darauf auch in München, wohin er
sich gewandt hatte, keine Stellung, ja kaum Aufenthalt fand und erst zur Ruhe
kam, als der Tod ihn ans diesem Abenteurerleben abrief?

Wohl, lieber Leser, meinen wir beide denselben Krause, und doch ist der¬
selbe Mann — ein ganz anderer. Hören wir sogleich als Berichtigung dieser
Zeiten, die seinen äußern Lebensgang skizziren, so wie er aus deu ersten Blick
erscheint, den Brief eines Mannes, dessen wahrhaft vornehme Gesinnung aus
seinem Schreiben selbst deutlich hervorleuchtet. Am M. September 1828 schrieb
Graf Wintzingerode von Göttingen aus an den Landdrost Geheimrath v. Campe
in Hannover folgenden Brief, der sich in Krauses Papieren findet*):

„----Durch Bouterweks Tod ist die Professur der Philosophie und
Aesthetik erledigt, — welche nicht nothwendig vereint zu sein braucht. Seit mehreren
Jahren lebt hier ein als philosophischer Schriftsteller und Docent rühmlich bekannter
Dr. Krause. Seine Bemühungen, den Professors-Titel und einen kleinen Gehalt
zu erlangen, waren bisher so vergebens, wie die seiner zahlreichen Freunde, zu
denen mich ich gehöre (sowie Laffert, Wedemeycr, Scirtorius bey Lebzeiten, Blumen-
bach, Thibaut, Bauer n. f. w.) und zu denen jeder Unbefangene gehören wird,
der die stupende Gelehrsamkeit, das kindlich religiöse Gemüth, den hellen Geist,
und das viele Unglück dieses höchst interessanten Mannes näher kennen lernt.

Die Klippen, an denen alle Bemühungen scheiterten, waren so viel ich weiß
drey, von denen jedoch nur eine eingestanden wird, nämlich seine zahlreich»«
Familie von Frau und 12 Kindern. Dieser Grund ist schwer zu verstehen, da
man denn doch im Falle seines Todes diese Menschen nicht über die Grenze trans¬
portieren wird, und die Gefahr, daß sie dem Staate und dem Publikum zur Last
fallen, weit größer ist, wenn er sie in der bisherigen Armuth zurückläßt, als wenn
man ihm die Mittel gewährt, etwas zu erwerben, sie zu erziehen, mit heiterm
Geiste die vielen Werke zu vollenden, die er angefangen hat (und von denen jetzt
drehe erscheinen) und so den Seinen etwas zu hinterlassen. — Der zweite minder
bestimmt articulierte Grund, ist der Vorwurf daß er zu den Naturphilo¬
sophen gehöre. Er läugnet dies, ob ganz mit Recht, wage ich nicht zu entscheiden;
jedenfalls scheint es mir auch kein Grund ihm eine dauernde Anstellung zu ver¬
sagen, da man ihn ja doch als vootor le^-vus sein System vortragen läßt, da die
Zahl seiner Zuhörer zu wachsen beginnt, und da dies Fach denn doch auch auf
einer Academie wie die hiesige besetzt seyn muß. — Der dritte, und wie ich



*) Der Briefwechsel Krauses ist von seinem Schüler und Schwiegersohn Hcriuaun
v, Leonhardi mit größter Sorgfalt gesammelt worden und befindet sich im Besitz der Erben
Leonhardis, Er umfaßt über 2000 Nummern.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Erstes Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157681/149>, abgerufen am 22.07.2024.