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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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Zuflüsse zu sichern; er erklärt mit Recht die Anlage von Localbahnen als das
leichteste und sicherste Mittel zur Hebung des inneren Verkehrs. Aber in dieser
Regierungsvorlage ist keine Andeutung darüber enthalten, welche die Folgerung
erlauben würde, daß die Regierung darauf bedacht ist, bei der Completirung
unserer Schienenwege planmäßig vorzugehen. Ja, Artikel 8 der Vorlage stellt
das Ganze als einen Versuch hin, wie aus der bezügliche Stelle des Motiven-
berichtes hervorgeht, wo es heißt: "Das Gesetz soll aus ungefähr 3 Jahre in
Kraft treten, binnen welcher Zeit Erfahrungen über den Effect des Gesetzes und
über die sodann etwa wünschenswerthen weiteren legislativen Maßnahmen vor¬
liegen würden." Also nur ein stückweises Zuwerkegehen, während doch die
richtige Losung der aufgeworfenen Frage die wichtigste Aufgabe unserer Eisen¬
bahn-Politik bildet!

Hüten wir uns, daß es uns nicht ergehe, wie England. Dort stellte zwar
schon im Jahre 1837 Sir H. Pease im Unterhause den Antrag auf Einsetzung
einer königlichen Commission "im Interesse der Einheitlichkeit und Zweckmäßig¬
keit des Ausbaues des Eisenbahnnetzes". Darauf wurde ihm bemerkt, es sei
jetzt schon zu spät dazu -- 1837! --, da bereits zu viele Eisenbahnen gebaut
seien. Im folgenden Jahre wurde dieser Antrag zweimal wiederholt (einmal
im Unterhause, einmal im Hause der Lords) und auf den Vorgang in Irland
hingewiesen, wo die Regierung 1836 eine königliche Commission eingesetzt hatte,
welche einen allgemeinen Plan für die zu erbauende Linien hatte entwerfen
lassen, damit die Bahnen einheitlich ineinander griffen. Abermals kein Erfolg;
1842 beklagt ein Pamphlet (Riülwa^s, tlieir usos WÄ mangAsruMt) den un¬
berechenbaren Schaden, welcher dem Lande daraus erwachse" ist, daß man ver¬
säumt habe, ein einheitliches Bahnnetz zu bauen.

Wie heute England uoch immer das planlose Vorgehen bei dem Ausbaue
seiner Eisenbahnen beklagt, so erntet Frankreich die reichen Früchte seines syste¬
matisch angelegten Schienennetzes. Rußland erhielt 1835 von Nikolaus I. ein
Eisenbahn-Programm, welches dem Staate ein, seinen colossalen Dimensionen
und territorialen Verhältnissen entsprechendes Eisenbahnnetz sicherte. Oesterreich
erhielt 1841 unter dem Hoskammer-Präsidenten Baron Kübel und 1854 vom
Handelsministerium allerdings auch einen Plan für den Ausbau seiner Eisen¬
bahnen, in welchem unter Berücksichtigung der damaligen Bedürfnisse des Reiches
und jedes einzelnen Kronlandes ein Eisenbahnnetz entworfen wurde, aber -- nur
auf dem Papiere.

Der Unterzeichnete hat sofort nach Einbringung der Localbahu - Vorlage
des Handelsministers dem größten politischen Journale Wiens in der angedeu¬
teten Richtung Vorschläge gemacht; er schloß damals (December 1879) seine
Erörterung mit folgenden Worten: "Es erschiene uns als eine würdige Ans-


Zuflüsse zu sichern; er erklärt mit Recht die Anlage von Localbahnen als das
leichteste und sicherste Mittel zur Hebung des inneren Verkehrs. Aber in dieser
Regierungsvorlage ist keine Andeutung darüber enthalten, welche die Folgerung
erlauben würde, daß die Regierung darauf bedacht ist, bei der Completirung
unserer Schienenwege planmäßig vorzugehen. Ja, Artikel 8 der Vorlage stellt
das Ganze als einen Versuch hin, wie aus der bezügliche Stelle des Motiven-
berichtes hervorgeht, wo es heißt: „Das Gesetz soll aus ungefähr 3 Jahre in
Kraft treten, binnen welcher Zeit Erfahrungen über den Effect des Gesetzes und
über die sodann etwa wünschenswerthen weiteren legislativen Maßnahmen vor¬
liegen würden." Also nur ein stückweises Zuwerkegehen, während doch die
richtige Losung der aufgeworfenen Frage die wichtigste Aufgabe unserer Eisen¬
bahn-Politik bildet!

Hüten wir uns, daß es uns nicht ergehe, wie England. Dort stellte zwar
schon im Jahre 1837 Sir H. Pease im Unterhause den Antrag auf Einsetzung
einer königlichen Commission „im Interesse der Einheitlichkeit und Zweckmäßig¬
keit des Ausbaues des Eisenbahnnetzes". Darauf wurde ihm bemerkt, es sei
jetzt schon zu spät dazu — 1837! —, da bereits zu viele Eisenbahnen gebaut
seien. Im folgenden Jahre wurde dieser Antrag zweimal wiederholt (einmal
im Unterhause, einmal im Hause der Lords) und auf den Vorgang in Irland
hingewiesen, wo die Regierung 1836 eine königliche Commission eingesetzt hatte,
welche einen allgemeinen Plan für die zu erbauende Linien hatte entwerfen
lassen, damit die Bahnen einheitlich ineinander griffen. Abermals kein Erfolg;
1842 beklagt ein Pamphlet (Riülwa^s, tlieir usos WÄ mangAsruMt) den un¬
berechenbaren Schaden, welcher dem Lande daraus erwachse« ist, daß man ver¬
säumt habe, ein einheitliches Bahnnetz zu bauen.

Wie heute England uoch immer das planlose Vorgehen bei dem Ausbaue
seiner Eisenbahnen beklagt, so erntet Frankreich die reichen Früchte seines syste¬
matisch angelegten Schienennetzes. Rußland erhielt 1835 von Nikolaus I. ein
Eisenbahn-Programm, welches dem Staate ein, seinen colossalen Dimensionen
und territorialen Verhältnissen entsprechendes Eisenbahnnetz sicherte. Oesterreich
erhielt 1841 unter dem Hoskammer-Präsidenten Baron Kübel und 1854 vom
Handelsministerium allerdings auch einen Plan für den Ausbau seiner Eisen¬
bahnen, in welchem unter Berücksichtigung der damaligen Bedürfnisse des Reiches
und jedes einzelnen Kronlandes ein Eisenbahnnetz entworfen wurde, aber — nur
auf dem Papiere.

Der Unterzeichnete hat sofort nach Einbringung der Localbahu - Vorlage
des Handelsministers dem größten politischen Journale Wiens in der angedeu¬
teten Richtung Vorschläge gemacht; er schloß damals (December 1879) seine
Erörterung mit folgenden Worten: „Es erschiene uns als eine würdige Ans-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/58>, abgerufen am 22.07.2024.