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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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Einhaltung eines Eisenbahnbauplanes, in welchem jede Linie nach Raum
und Zeit die ihr gebührende Stelle erhält, dem Unternehmungsgeiste der Geld¬
markt sich willig erschließt. Man verschone uns mit dem -- allerdings bestechend
klingenden -- Einwände, daß sich die künftigen Bedürfnisse nicht vorhersehen
lassen, daß bei dem Entwürfe eines Eisenbahnausbau-Systems trotz der sorg¬
fältigsten Prüfung örtlicher und allgemeiner Interessen Fehler unterlaufen können.
Wir haben darauf nur eine Antwort: Das Verharren bei der Planlosigkeit
ist der größte Fehler.

Wir Oesterreicher müsse" uns leider gestehen, daß der Ausbau uuserer
großen Verkehrslinien ebenso wie die Herstellung des Schienennetzes in England
ohne ein bestimmtes System durchgeführt wurde. Eine Bestätigung dieses
Geständnisses finden wir in den Worten des österreichischen Handelsministers
Freiherrn v. Korb selbst, welcher im Abgeordnetenhause erklärte: "Was die
Systemlosigkeit der bisherigen Eisenbahnbauthätigkeit anbelangt, so läßt
sich dieselbe im Großen und Ganzen nicht in Abrede stellen. Es muß aber
bei dieser Gelegenheit ins Auge gefaßt werden, wie denn eigentlich bei uns im
Großen und Ganzen die Eisenbahnen zu Stande gebracht worden sind. Nicht
der Staat war es, der unser dermaliges Eisenbahnnetz gebaut hat, sondern aus¬
schließlich war es der Privatthätigkeit überlassen, und da ist es nahe¬
liegend, daß nicht immer und nach jeder Richtung hin das staatliche und das
allgemeine Interesse in den Vordergrund trat, sondern vielmehr das Interesse
derjenigen Unternehmer, die eben die Bahn, und zwar in eben
diesem Interesse zu bauen beabsichtigten."

Nun war uns noch die Möglichkeit geboten, Fehler, die bei der Anlage
und dem Ausdauer unseres Schienenuetzes gemacht worden sind, zu verbessern,
wenn bei der Anlage der secundär-, Local- und Vicinalbahnen, diesen Zu¬
bringern des Verkehrs, systematisch zu Werke gegangen, wenn das Unfertige in
der Anlage unseres Bahnnetzes dadurch zu vervollkommnen gesucht worden wäre,
daß man einzelne, bisher isolirte Bahnzüge durch richtige Verbindung dem Ver¬
kehre dienstbar gemacht, mit einem Worte, daß man aus einem Stückwerk ein
lückenloses Ganze geschaffen hätte. Dabei heben wir hervor, daß bei Auffassung
eines solchen Planes auch dem Wasserstraßen netze, den Flüssen und
Canälen erhöhte Aufmerksamkeit zuzuwenden gewesen wäre, denn die vorhan¬
denen Wasserkräfte Oesterreichs werden zu Zwecken des Verkehres noch nicht
entsprechend ausgenutzt.

Der Motivenbericht zu der Localbahnvorlage des Handelsministers weist
betreffs der Nothwendigkeit des Baues von solchen Bahnen auf das Beispiel
anderer Staaten hin, in welchen die Bahnen der Hauptverkehrsrichtungeu mittels
der Localbcchnen alle Quellen des Verkehres aufschließen, um sich dauernde


Einhaltung eines Eisenbahnbauplanes, in welchem jede Linie nach Raum
und Zeit die ihr gebührende Stelle erhält, dem Unternehmungsgeiste der Geld¬
markt sich willig erschließt. Man verschone uns mit dem — allerdings bestechend
klingenden — Einwände, daß sich die künftigen Bedürfnisse nicht vorhersehen
lassen, daß bei dem Entwürfe eines Eisenbahnausbau-Systems trotz der sorg¬
fältigsten Prüfung örtlicher und allgemeiner Interessen Fehler unterlaufen können.
Wir haben darauf nur eine Antwort: Das Verharren bei der Planlosigkeit
ist der größte Fehler.

Wir Oesterreicher müsse» uns leider gestehen, daß der Ausbau uuserer
großen Verkehrslinien ebenso wie die Herstellung des Schienennetzes in England
ohne ein bestimmtes System durchgeführt wurde. Eine Bestätigung dieses
Geständnisses finden wir in den Worten des österreichischen Handelsministers
Freiherrn v. Korb selbst, welcher im Abgeordnetenhause erklärte: „Was die
Systemlosigkeit der bisherigen Eisenbahnbauthätigkeit anbelangt, so läßt
sich dieselbe im Großen und Ganzen nicht in Abrede stellen. Es muß aber
bei dieser Gelegenheit ins Auge gefaßt werden, wie denn eigentlich bei uns im
Großen und Ganzen die Eisenbahnen zu Stande gebracht worden sind. Nicht
der Staat war es, der unser dermaliges Eisenbahnnetz gebaut hat, sondern aus¬
schließlich war es der Privatthätigkeit überlassen, und da ist es nahe¬
liegend, daß nicht immer und nach jeder Richtung hin das staatliche und das
allgemeine Interesse in den Vordergrund trat, sondern vielmehr das Interesse
derjenigen Unternehmer, die eben die Bahn, und zwar in eben
diesem Interesse zu bauen beabsichtigten."

Nun war uns noch die Möglichkeit geboten, Fehler, die bei der Anlage
und dem Ausdauer unseres Schienenuetzes gemacht worden sind, zu verbessern,
wenn bei der Anlage der secundär-, Local- und Vicinalbahnen, diesen Zu¬
bringern des Verkehrs, systematisch zu Werke gegangen, wenn das Unfertige in
der Anlage unseres Bahnnetzes dadurch zu vervollkommnen gesucht worden wäre,
daß man einzelne, bisher isolirte Bahnzüge durch richtige Verbindung dem Ver¬
kehre dienstbar gemacht, mit einem Worte, daß man aus einem Stückwerk ein
lückenloses Ganze geschaffen hätte. Dabei heben wir hervor, daß bei Auffassung
eines solchen Planes auch dem Wasserstraßen netze, den Flüssen und
Canälen erhöhte Aufmerksamkeit zuzuwenden gewesen wäre, denn die vorhan¬
denen Wasserkräfte Oesterreichs werden zu Zwecken des Verkehres noch nicht
entsprechend ausgenutzt.

Der Motivenbericht zu der Localbahnvorlage des Handelsministers weist
betreffs der Nothwendigkeit des Baues von solchen Bahnen auf das Beispiel
anderer Staaten hin, in welchen die Bahnen der Hauptverkehrsrichtungeu mittels
der Localbcchnen alle Quellen des Verkehres aufschließen, um sich dauernde


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/57>, abgerufen am 22.07.2024.