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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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läutern und Amerikanern allein das Feld der wissenschaftlichen Arbeit überlassen.
Es war also eine nationale Pflicht unseres gesammten Volkes, welche mit der
Gründung des "Deutschen Vereins zur Erforschung Palästinas" er¬
füllt wurde, eine nationale Pflicht schon insofern, weil die Geschichte unseres
Volkes zur Zeit seiner höchsten Machtentfaltung während des Mittelalters mit
dem Heiligen Lande vielfach verknüpft ist, so daß die Aufhellung schwieriger
Fragen der deutschen Geschichte eben nur in Palästina selbst zu ermöglichen ist.
Kein Geringerer, als Fürst Bismarck hat es als eine Ehrenpflicht des neuge¬
einten deutschen Reiches anerkannt, nach den Gebeinen des Kaisers zu forschen,
der das deutsche Reich in einer seiner glänzendsten Perioden beherrschte, und
dessen Gedächtniß, als er in der Erfüllung einer idealen Aufgabe, die ihm als
dem Schirmherrn der Christenheit oblag, sein Leben verloren hatte, für alle
folgenden Zeiten als das persönliche Unterpfand der unvergänglichen Einheit
und Zusammengehörigkeit unseres Volkes lebendig blieb. Als das Traumbild
sich erfüllte und der in Friedrich Barbarossa verkörperte Gedanke an die Herr¬
lichkeit eines einigen deutschen Reiches zur glanzvollen Wirklichkeit wurde, hielt
Fürst Bismarck den Augenblick für gekommen, die in fremder Erde ruhenden
Gebeine dieses deutschesten aller deutschen Kaiser der Muttererde seines Heimat¬
landes zurückzugeben. Daß es nicht möglich war, die Gebeine Friedrichs I.
aufzufinden, nimmt dieser von idealer Auffassung nationaler Pflicht getragenen
That nicht ihren Werth; eher kann man es beklagen, daß sich ein unerquicklicher
Gelehrtenstreit über diese Frage erhoben hat. Prof. Sepp in München vertritt
die Ansicht, daß Barbarossas Gebeine einst in der großen Kathedrale in Tyrus
-- wenngleich nur provisorisch -- beigesetzt worden seien, und zwar in der Nord¬
seite des Kreuzbaues, wo man bei den 1874 vorgenommen Ausgrabungen einen
quadratischen Einbau bloßlegte, in dem sich eine einfache Sargplatte, einige Wand¬
nägel, welche die geraubte Inschrift festgehalten haben mögen, aber keine Ge¬
beine mehr vorfanden. Dagegen bestreitet der Begleiter Sepps, Dr. Prutz
-- jetzt Professor der Geschichte in Königsberg --, daß die Kirchenruine zu
Tyrus wirklich die Basilika des Paulinus und somit die Begräbnißstätte Bar¬
barossas sei; er erklärt diese sogenannte Manara zu Tyrus für eine dem hei¬
ligen Marcus geweihete venetianische Kirche und will von einem Begräbniß oder
einer sonstigen Reminiscenz an den großen Hohenstaufen schlechterdings nichts
wissen. Beide Gelehrte, Sepp und Prutz, haben bereits mehrere Schriften zur
Vertheidigung ihrer Ansicht veröffentlicht, und noch ist das Ende des mit immer
größerer Heftigkeit geführten Streites nicht abzusehen. Neuerdings hat sich Pro¬
fessor Gildemeister in Bonn, die bedeutendste Autorität auf dem Grenzgebiete der
Geschichte und der orientalischen Literatur, dahin geäußert, daß allerdings -- was
nicht bezweifelt werden darf -- die Gebeine Barbarossas in einem mit Seide


läutern und Amerikanern allein das Feld der wissenschaftlichen Arbeit überlassen.
Es war also eine nationale Pflicht unseres gesammten Volkes, welche mit der
Gründung des „Deutschen Vereins zur Erforschung Palästinas" er¬
füllt wurde, eine nationale Pflicht schon insofern, weil die Geschichte unseres
Volkes zur Zeit seiner höchsten Machtentfaltung während des Mittelalters mit
dem Heiligen Lande vielfach verknüpft ist, so daß die Aufhellung schwieriger
Fragen der deutschen Geschichte eben nur in Palästina selbst zu ermöglichen ist.
Kein Geringerer, als Fürst Bismarck hat es als eine Ehrenpflicht des neuge¬
einten deutschen Reiches anerkannt, nach den Gebeinen des Kaisers zu forschen,
der das deutsche Reich in einer seiner glänzendsten Perioden beherrschte, und
dessen Gedächtniß, als er in der Erfüllung einer idealen Aufgabe, die ihm als
dem Schirmherrn der Christenheit oblag, sein Leben verloren hatte, für alle
folgenden Zeiten als das persönliche Unterpfand der unvergänglichen Einheit
und Zusammengehörigkeit unseres Volkes lebendig blieb. Als das Traumbild
sich erfüllte und der in Friedrich Barbarossa verkörperte Gedanke an die Herr¬
lichkeit eines einigen deutschen Reiches zur glanzvollen Wirklichkeit wurde, hielt
Fürst Bismarck den Augenblick für gekommen, die in fremder Erde ruhenden
Gebeine dieses deutschesten aller deutschen Kaiser der Muttererde seines Heimat¬
landes zurückzugeben. Daß es nicht möglich war, die Gebeine Friedrichs I.
aufzufinden, nimmt dieser von idealer Auffassung nationaler Pflicht getragenen
That nicht ihren Werth; eher kann man es beklagen, daß sich ein unerquicklicher
Gelehrtenstreit über diese Frage erhoben hat. Prof. Sepp in München vertritt
die Ansicht, daß Barbarossas Gebeine einst in der großen Kathedrale in Tyrus
— wenngleich nur provisorisch — beigesetzt worden seien, und zwar in der Nord¬
seite des Kreuzbaues, wo man bei den 1874 vorgenommen Ausgrabungen einen
quadratischen Einbau bloßlegte, in dem sich eine einfache Sargplatte, einige Wand¬
nägel, welche die geraubte Inschrift festgehalten haben mögen, aber keine Ge¬
beine mehr vorfanden. Dagegen bestreitet der Begleiter Sepps, Dr. Prutz
— jetzt Professor der Geschichte in Königsberg —, daß die Kirchenruine zu
Tyrus wirklich die Basilika des Paulinus und somit die Begräbnißstätte Bar¬
barossas sei; er erklärt diese sogenannte Manara zu Tyrus für eine dem hei¬
ligen Marcus geweihete venetianische Kirche und will von einem Begräbniß oder
einer sonstigen Reminiscenz an den großen Hohenstaufen schlechterdings nichts
wissen. Beide Gelehrte, Sepp und Prutz, haben bereits mehrere Schriften zur
Vertheidigung ihrer Ansicht veröffentlicht, und noch ist das Ende des mit immer
größerer Heftigkeit geführten Streites nicht abzusehen. Neuerdings hat sich Pro¬
fessor Gildemeister in Bonn, die bedeutendste Autorität auf dem Grenzgebiete der
Geschichte und der orientalischen Literatur, dahin geäußert, daß allerdings — was
nicht bezweifelt werden darf — die Gebeine Barbarossas in einem mit Seide


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/556>, abgerufen am 22.07.2024.