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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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vom deutschen Hause", wie mächtig die Bewegung der Kreuzzüge in alle Kreise
der Bevölkerung des damaligen Deutschlands eingegriffen hatte, und in der
Person seines Helden, des edlen und ritterlichen Thüringers Jvo, führt er uus
einen deutschen Kreuzfahrer vor, der mit frommen Empfindungen und idealen
Erwartungen den heiligen Boden betritt und denn, das Herz geschwellt vou
erhabenen Eindrücken, aber auch reicher an mannigfachen Enttäuschungen, der
Heimat wieder zueilt.

Aber mochte sich auch die Begeisterung für den Kampf um das Land der
biblischen Geschichte unter den Strömen nutzlos vergossenen Blutes abgekühlt
haben und die Hoffnung auf Wiedergewinnung Palästinas aus den Händen der
Ungläubigen aufgegeben worden sein, die Sehnsucht, das heilige Land zu schauen,
blieb dieselbe. Auch in den auf die Kreuzzüge folgenden Jahrhunderten ist mancher
deutsche Mann übers Meer gefahren, um durch den Anblick der dem geistigen
Auge schon seit der Jugendzeit bekannten Stätten einen Lieblingswunsch seines
Herzens zu befriedige:?. Oft freilich war es auch schwere Schuld, um deret-
willen das eigene Gewissen oder der Kirche Gebot den Pilger nach dem hei¬
ligen Lande führte. Im "Iuniperus" erzählt Victor Scheffel die Geschichte
eines solchen bußfertigen Pilgers, der sein gutes Ritterschwert gegen den Erb¬
feind der Christenheit führt, um dadurch der Kirche Bann zu lösen. Durch
den wilden Kampf entsühnt und durch die Erfahrungen seines Herzens geläu¬
tert, tritt dann der schwäbische Rittersmann, nachdem seine bei dem Sturme
auf Mo empfangenen Wunden in dem Kloster auf dem Berge Karmel geheilt
sind, als ein neuer Mensch die Heimkehr nach der Burg seiner Ahnen an. An
solche Pilgerfahrten zur Sühne für schwere Schuld erinnern noch heutzutage
die sogenannten Bet- oder Martersäulen, welche in den verschiedensten Gegenden
Deutschlands meist dicht am Wege auf einer kleinen Anhöhe aufgestellt sind und
einst zum Andenken an die glücklich bestandene Reise nach dein heiligen Lande
errichtet wurden. So erinnern zum Beispiel die sieben Martersäulen in der
Nähe von Hökendorf bei Tharandt an die Wallfahrt eines sächsischen Adlichen
aus dem 14. Jahrhundert, Konrad von Theler ff 1361), welcher einst seinen
Pfarrer, von dem er durch fortwährende habsüchtige Forderungen zum Zorn
gereizt worden war, erschlagen hatte und zur Sühnung seiner Schuld nach


des L,no"Il8w Laxo (bei Eccard, vorx, niht, weäii aevi, I, S. 679), wo es wörtlich heißt:
"Ms die Deutschen, ohne die Ursachen dieses Zuges zu kennen, so viele Schaaren von Rei¬
tern und Fußvolk, so viele Haufen Bauern, Weiber und Kinder bei sich durchkommen sahen,
verspotteten sie dieselben als Wahnwitzige von einer unerhörten Thorheit, indem sie ihr Vater¬
land verließen, nach einem ungewissen verheißenen Lande mit gewisser Gefahr zu haschen,
ihren Gütern entsagten und nach fremden trachteten."

vom deutschen Hause", wie mächtig die Bewegung der Kreuzzüge in alle Kreise
der Bevölkerung des damaligen Deutschlands eingegriffen hatte, und in der
Person seines Helden, des edlen und ritterlichen Thüringers Jvo, führt er uus
einen deutschen Kreuzfahrer vor, der mit frommen Empfindungen und idealen
Erwartungen den heiligen Boden betritt und denn, das Herz geschwellt vou
erhabenen Eindrücken, aber auch reicher an mannigfachen Enttäuschungen, der
Heimat wieder zueilt.

Aber mochte sich auch die Begeisterung für den Kampf um das Land der
biblischen Geschichte unter den Strömen nutzlos vergossenen Blutes abgekühlt
haben und die Hoffnung auf Wiedergewinnung Palästinas aus den Händen der
Ungläubigen aufgegeben worden sein, die Sehnsucht, das heilige Land zu schauen,
blieb dieselbe. Auch in den auf die Kreuzzüge folgenden Jahrhunderten ist mancher
deutsche Mann übers Meer gefahren, um durch den Anblick der dem geistigen
Auge schon seit der Jugendzeit bekannten Stätten einen Lieblingswunsch seines
Herzens zu befriedige:?. Oft freilich war es auch schwere Schuld, um deret-
willen das eigene Gewissen oder der Kirche Gebot den Pilger nach dem hei¬
ligen Lande führte. Im „Iuniperus" erzählt Victor Scheffel die Geschichte
eines solchen bußfertigen Pilgers, der sein gutes Ritterschwert gegen den Erb¬
feind der Christenheit führt, um dadurch der Kirche Bann zu lösen. Durch
den wilden Kampf entsühnt und durch die Erfahrungen seines Herzens geläu¬
tert, tritt dann der schwäbische Rittersmann, nachdem seine bei dem Sturme
auf Mo empfangenen Wunden in dem Kloster auf dem Berge Karmel geheilt
sind, als ein neuer Mensch die Heimkehr nach der Burg seiner Ahnen an. An
solche Pilgerfahrten zur Sühne für schwere Schuld erinnern noch heutzutage
die sogenannten Bet- oder Martersäulen, welche in den verschiedensten Gegenden
Deutschlands meist dicht am Wege auf einer kleinen Anhöhe aufgestellt sind und
einst zum Andenken an die glücklich bestandene Reise nach dein heiligen Lande
errichtet wurden. So erinnern zum Beispiel die sieben Martersäulen in der
Nähe von Hökendorf bei Tharandt an die Wallfahrt eines sächsischen Adlichen
aus dem 14. Jahrhundert, Konrad von Theler ff 1361), welcher einst seinen
Pfarrer, von dem er durch fortwährende habsüchtige Forderungen zum Zorn
gereizt worden war, erschlagen hatte und zur Sühnung seiner Schuld nach


des L,no»Il8w Laxo (bei Eccard, vorx, niht, weäii aevi, I, S. 679), wo es wörtlich heißt:
„Ms die Deutschen, ohne die Ursachen dieses Zuges zu kennen, so viele Schaaren von Rei¬
tern und Fußvolk, so viele Haufen Bauern, Weiber und Kinder bei sich durchkommen sahen,
verspotteten sie dieselben als Wahnwitzige von einer unerhörten Thorheit, indem sie ihr Vater¬
land verließen, nach einem ungewissen verheißenen Lande mit gewisser Gefahr zu haschen,
ihren Gütern entsagten und nach fremden trachteten."
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/550>, abgerufen am 22.07.2024.