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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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lagekapitals u. s. w. herleitet, bald einen solchen Ertrag abwerfen, daß das
Problem der deutschen Steuerreform gelöst wäre. Der Widerstand gegen das
Tabaksmonopol schöpft seine Kraft auch nicht aus den Schwierigkeiten der Aus¬
führung, so stark man dieselben zu malen bemüht ist, sondern einerseits aus
dem Bedenken, die Macht des Staates zu steigern, zweitens aus der Abneigung
der interessirten Kreise, ein bequemes Feld schönen Gewinnes zu Gunsten des
Staates aufzugeben.

Eines aber ist doch nur möglich, wenn die Steuerreform nicht vereitelt
werden kann: entweder man muß Steuermodalitüten ausfindig machen und an¬
nehmen, welche das Tabaksmonopol überflüssig machen, oder man muß sich zu
letzterem entschließen. Die Bedeutung der zweiten Hälfte dieser Reichstagssession
scheint uns darin zu liegen, daß der Reichstag sich über jene Frage entscheiden
muß. Es giebt kein Mittel, der Entscheidung etwa auszuweichen. Der Beschluß
über die Brausteuer wird deshalb von Wichtigkeit sein, weil er die Erklärung
enthält, ob noch andere Modalitäten als das Tabaksmonopol aufgesucht werden
können. Nimmt man die Brausteuer an, so werden sich wohl noch einige Steuer¬
formen finden lassen, welche in Verbindung mit der Brausteuer zu dem gewünschten
Ziele führen. Unter diese Formen wird ganz sicherlich die Erhöhung der Brannt¬
weinsteuer gehör":, wenn man dieselbe auch nicht gleichzeitig mit der Brausteller
einzuführen im Stande ist. Wird aber die Brausteuer verworfen, so lohnt es
gar nicht mehr, nach Modalitäten zu suchen außerhalb des Tabaksmonopols,
denn sie können doch nicht zum Ziele führen.

Den Weg, eine Mehrheit für das Monopol zu gewinnen, nachdem der
jetzige Reichstag den Weg zu andern Modalitäten versperrt hat, wird der Kanzler
schon finden. Das darf man ihm wohl zutrauen.

Unter Erwägung dieser seiner Bedeutung sollte der Beschluß über die
Brausteuer gefaßt werden. Für die nationalliberale Partei hat der Beschluß
noch eine tiefergreifende Bedeutung. Aus den Erklärungen der Partei bei den
Verhandlungen und Abstimmungen über die Brausteuer wird hervorgehen müssen,
ob sie die Steuer verwirft, um an ihre Stelle und an die Stelle verwandter
Steuern das Tabaksmonopol zu setze", oder ob die Partei die Steuern ver¬
wirft, weil sie dem Kanzler auf dem Wege seiner Reform nicht mehr folgen
will. Das Letztere wäre offene Feindschaft, das Erstere wäre die Knüpfung
eines engen Bündnisses. Die Verwerfung der Brausteuer dagegen unter allerlei
Momentanen Vorwänden würde eine Halbheit der schlechtesten Art -- bekanntlich
sind nicht alle Halbheiten verwerflich, manchmal ist sogar, wie schon Hesiod ge¬
wußt hat, die Hälfte mehr als das Ganze -- mit allen nachtheiligen Folgen sein.




lagekapitals u. s. w. herleitet, bald einen solchen Ertrag abwerfen, daß das
Problem der deutschen Steuerreform gelöst wäre. Der Widerstand gegen das
Tabaksmonopol schöpft seine Kraft auch nicht aus den Schwierigkeiten der Aus¬
führung, so stark man dieselben zu malen bemüht ist, sondern einerseits aus
dem Bedenken, die Macht des Staates zu steigern, zweitens aus der Abneigung
der interessirten Kreise, ein bequemes Feld schönen Gewinnes zu Gunsten des
Staates aufzugeben.

Eines aber ist doch nur möglich, wenn die Steuerreform nicht vereitelt
werden kann: entweder man muß Steuermodalitüten ausfindig machen und an¬
nehmen, welche das Tabaksmonopol überflüssig machen, oder man muß sich zu
letzterem entschließen. Die Bedeutung der zweiten Hälfte dieser Reichstagssession
scheint uns darin zu liegen, daß der Reichstag sich über jene Frage entscheiden
muß. Es giebt kein Mittel, der Entscheidung etwa auszuweichen. Der Beschluß
über die Brausteuer wird deshalb von Wichtigkeit sein, weil er die Erklärung
enthält, ob noch andere Modalitäten als das Tabaksmonopol aufgesucht werden
können. Nimmt man die Brausteuer an, so werden sich wohl noch einige Steuer¬
formen finden lassen, welche in Verbindung mit der Brausteuer zu dem gewünschten
Ziele führen. Unter diese Formen wird ganz sicherlich die Erhöhung der Brannt¬
weinsteuer gehör«:, wenn man dieselbe auch nicht gleichzeitig mit der Brausteller
einzuführen im Stande ist. Wird aber die Brausteuer verworfen, so lohnt es
gar nicht mehr, nach Modalitäten zu suchen außerhalb des Tabaksmonopols,
denn sie können doch nicht zum Ziele führen.

Den Weg, eine Mehrheit für das Monopol zu gewinnen, nachdem der
jetzige Reichstag den Weg zu andern Modalitäten versperrt hat, wird der Kanzler
schon finden. Das darf man ihm wohl zutrauen.

Unter Erwägung dieser seiner Bedeutung sollte der Beschluß über die
Brausteuer gefaßt werden. Für die nationalliberale Partei hat der Beschluß
noch eine tiefergreifende Bedeutung. Aus den Erklärungen der Partei bei den
Verhandlungen und Abstimmungen über die Brausteuer wird hervorgehen müssen,
ob sie die Steuer verwirft, um an ihre Stelle und an die Stelle verwandter
Steuern das Tabaksmonopol zu setze», oder ob die Partei die Steuern ver¬
wirft, weil sie dem Kanzler auf dem Wege seiner Reform nicht mehr folgen
will. Das Letztere wäre offene Feindschaft, das Erstere wäre die Knüpfung
eines engen Bündnisses. Die Verwerfung der Brausteuer dagegen unter allerlei
Momentanen Vorwänden würde eine Halbheit der schlechtesten Art — bekanntlich
sind nicht alle Halbheiten verwerflich, manchmal ist sogar, wie schon Hesiod ge¬
wußt hat, die Hälfte mehr als das Ganze — mit allen nachtheiligen Folgen sein.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/55>, abgerufen am 22.07.2024.