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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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Wenn das Stempelgesetz nnr in einer solchen Gestalt Aussicht auf Annahme
hat, welche keinen hohen Ertrag desselben erwarten läßt, so sind die Aussichten
eines anderen Steuergesetzes, welches allerdings noch nicht einmal das Licht der
Welt als Vorlage an den Bundesrath erblickt hat, noch zweifelhafter: wir meinen
die sogenannte Wehrsteuer. Es ist zweifelhaft, ob eine solche Vorlage im Reichs¬
tage durchgeht, zweifelhaft, ob im Bundesrathe, zweifelhaft sogar, ob sie die
Vorstadien zur Einbringung in den Bundesrath überwinden wird. So bleibt
denn von den Steuervorlagen dieser Session nur die Brausteuer als diejenige,
welche von der Mehrheit des Bnndesraths mit der vollen Ueberzeugung ihrer
Zweckmäßigkeit vertreten wird und für deren Annahme durch den Reichstag
ernstliche Anstrengungen gemacht werden. Solcher Anstrengungen scheint es
freilich zu bedürfen, denn der Reichstag hat bei der ersten Berathung die Ver¬
weisung an eine Commission abgelehnt, und darin will man die Absicht der
Majorität erkennen, dem Gesetze bei der zweiten Berathung einen schnellen Tod
zu bereiten.

Dies ist ein Verfahren, welches leicht eingeschlagen werden kann, dessen
Folgen man sich jedoch wohl überlegen sollte. Die Steuerreform, von dem
Reichskanzler mehr als einmal mit großem Nachdruck als unerläßlich begründet,
ist höchstens in ihren Anfängen vollendet, und der Kanzler ist nicht der Mann,
ein nothwendiges Werk unvollendet liegen zu lassen. Nimmt also der Reichstag
an allen vorgelegten Modalitäten indirecter Steuern unüberwindlichen Anstoß,
so wird der Kanzler auf das Tabaksmonopol zurückkommen, um das Problem
der Steuerreform mit einem Schlage zu lösen. Dieses Problem besteht darin,
die indirecten Reichseinnahmen auf einen Ertrag zu bringen, welcher gestattet,
die preußische Klassensteuer zu beseitigen, die Einkommensteuer etwa auf die
Function einer außerordentlichen Ergänzungssteuer bei Unzulänglichkeit der
regelmäßigen Einnahmen zurückzuführen, und welcher, last not Isast, gestattet,
die Staatsgrundsteuer den Gemeinden zu überlassen, wodurch diese wieder in
den Stand gesetzt werden, aus die in Form von Zuschlägen zu den Staats¬
steuern erhobenen Personal-Einkommensteuern zu verzichten. Die Mehrheit der
Sachverständigen ist bei diesem Reformpläne schon längst auf Seiten des Kanzlers.
Die Wohlthätigkeit des Planes läßt sich gar nicht anfechten außer mit ganz
doctrinären Gründen. Anders steht es freilich, wie bei den meisten Dingen
dieser Welt, mit der Ausführbarkeit. Wenn man auch dem Satze beitritt: Es
ist besser, die Steuerlast auf indirectem, als auf directem Wege aufzubringen,
fo wird man darum doch nicht alle indirecten Steuern gutheißen. Der Satz
ist also bedingt durch die Auffindung zweckmäßiger Modalitäten der indirecten
Besteuerung. Nun würde das Tabaksmonopol trotz aller Einwürfe, die man
aus der Höhe der Entschädigung an die Interessenten, ans der Höhe des An-


Wenn das Stempelgesetz nnr in einer solchen Gestalt Aussicht auf Annahme
hat, welche keinen hohen Ertrag desselben erwarten läßt, so sind die Aussichten
eines anderen Steuergesetzes, welches allerdings noch nicht einmal das Licht der
Welt als Vorlage an den Bundesrath erblickt hat, noch zweifelhafter: wir meinen
die sogenannte Wehrsteuer. Es ist zweifelhaft, ob eine solche Vorlage im Reichs¬
tage durchgeht, zweifelhaft, ob im Bundesrathe, zweifelhaft sogar, ob sie die
Vorstadien zur Einbringung in den Bundesrath überwinden wird. So bleibt
denn von den Steuervorlagen dieser Session nur die Brausteuer als diejenige,
welche von der Mehrheit des Bnndesraths mit der vollen Ueberzeugung ihrer
Zweckmäßigkeit vertreten wird und für deren Annahme durch den Reichstag
ernstliche Anstrengungen gemacht werden. Solcher Anstrengungen scheint es
freilich zu bedürfen, denn der Reichstag hat bei der ersten Berathung die Ver¬
weisung an eine Commission abgelehnt, und darin will man die Absicht der
Majorität erkennen, dem Gesetze bei der zweiten Berathung einen schnellen Tod
zu bereiten.

Dies ist ein Verfahren, welches leicht eingeschlagen werden kann, dessen
Folgen man sich jedoch wohl überlegen sollte. Die Steuerreform, von dem
Reichskanzler mehr als einmal mit großem Nachdruck als unerläßlich begründet,
ist höchstens in ihren Anfängen vollendet, und der Kanzler ist nicht der Mann,
ein nothwendiges Werk unvollendet liegen zu lassen. Nimmt also der Reichstag
an allen vorgelegten Modalitäten indirecter Steuern unüberwindlichen Anstoß,
so wird der Kanzler auf das Tabaksmonopol zurückkommen, um das Problem
der Steuerreform mit einem Schlage zu lösen. Dieses Problem besteht darin,
die indirecten Reichseinnahmen auf einen Ertrag zu bringen, welcher gestattet,
die preußische Klassensteuer zu beseitigen, die Einkommensteuer etwa auf die
Function einer außerordentlichen Ergänzungssteuer bei Unzulänglichkeit der
regelmäßigen Einnahmen zurückzuführen, und welcher, last not Isast, gestattet,
die Staatsgrundsteuer den Gemeinden zu überlassen, wodurch diese wieder in
den Stand gesetzt werden, aus die in Form von Zuschlägen zu den Staats¬
steuern erhobenen Personal-Einkommensteuern zu verzichten. Die Mehrheit der
Sachverständigen ist bei diesem Reformpläne schon längst auf Seiten des Kanzlers.
Die Wohlthätigkeit des Planes läßt sich gar nicht anfechten außer mit ganz
doctrinären Gründen. Anders steht es freilich, wie bei den meisten Dingen
dieser Welt, mit der Ausführbarkeit. Wenn man auch dem Satze beitritt: Es
ist besser, die Steuerlast auf indirectem, als auf directem Wege aufzubringen,
fo wird man darum doch nicht alle indirecten Steuern gutheißen. Der Satz
ist also bedingt durch die Auffindung zweckmäßiger Modalitäten der indirecten
Besteuerung. Nun würde das Tabaksmonopol trotz aller Einwürfe, die man
aus der Höhe der Entschädigung an die Interessenten, ans der Höhe des An-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/54>, abgerufen am 22.07.2024.