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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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der Natur identificirt, emporrcmg. Eine solche Eifellcmdschaft vom Jahre 1875,
die in ihrer breiten, energischen Malweise, in ihrer saftigen, tiefen Färbung
der Hand und dem Auge eines hohen Sechzigers zu höchster Ehre gereicht, be¬
sitzt die Berliner Nationalgalerie. Ueber einer Bergwand, welche zur Rechten
des Beschauers steil emporsteigt, ziehen dunkle Gewitterwolken dahin, welche sich
eben über das Thal entladen haben. In ein Haus im Hindergrunde hat der
Blitz eingeschlagen, Flammen und Rauch kämpfen mit dem Regen und den auf¬
steigenden Wasserdämpfen, und vorn sieht man Landleute eine aufgeweichte
Straße hinab- und auf die Feuersbrunst zueilen. Von der ersten Periode
seines Schaffens hatte Lessing die Vorliebe für das Düstere und Tragische bei¬
behalten, die ihn auch sein ganzes Leben hindurch uicht verließ. Einmal stellte
er eine einsame Schlucht dar, in welcher kurz zuvor ein Kampf stattgefunden,
auf welchen die Leichen Erschlagener hindeuten; ein anderes Mal schuf er in
einer Waldpartie, welche ein furchtbarer Sturm heimgesucht , ein Bild unheim¬
licher Verwüstung. Auch zu mittelalterlicher Staffage kehrte er gelegentlich
wieder zurück, in der Absicht, die Stimmung dadurch zu verstärken. Die "Land¬
schaft mit der Brandstätte" (1835) -- auf einem Berge sieht man ein durch
Brand zerstörtes Haus, daneben liegt ein getödteter Mann und seine Waffen --,
die "Tausendjährige Eiche" (1837) mit einem davor knieenden Ritter und seiner
Frau, "Die Waldlandschaft mit einem schlafenden Kreuzritter" (1839), alle drei
im Städtischen Museum in Frankfurt am Main, ferner die Landschaft mit dem
brennenden Kloster (1846, in der Liechtenstein'schen Galerie in Wien) sind
charakteristische Beispiele für seine Neigung, die Landschaft zum Schauplatze
ungewöhnlicher oder gar zum Nachdenken reizender, geheimnißvoller Vorgänge
zu machen. Diese Neigung ist ans Engen Bracht in Karlsruhe übergegangen,
welcher sich unter Lessings Einfluß gebildet hat.

Bevor wir unsere Betrachtungen über Lessing als Landschaftsmaler ab¬
schließen und uns zum Historienmaler wenden, dessen Ruhm größer ist als der
des Landschaftsmalers, wenn auch vielleicht nicht so dauerhaft wie jener, ist ans
seinem äußeren Lebensgange nachzuholen, daß er 1833 sein Militärjahr bei deu
Ulanen addierte. Wir erwähnen dieses an sich geringfügigen Umstandes des¬
halb, weil seine Dienstzeit ebenfalls uicht ohne Einfluß auf seine künstlerische
Entwicklung geblieben ist. Ein so reicher, vielseitiger Geist wußte selbst aus
einem, für einen Künstler doppelt unbequemen Zwischenfall, der seine Studien
mitten im schönsten Flusse unterbrach, Gewinn zu ziehen. Lessing bildete sich
während dieses Jahres zu einem passionirten Reiter heraus, und er blieb dieser
Passion ebenso wie der Jagd sein Leben lang treu. Beide Neigungen haben
sicherlich dazu beigetragen, die Entwicklung seines Geistes, dessen frühe Reife
sonst zu Bedenken Anlaß gegeben Hütte, normal zu fördern und Geist und


der Natur identificirt, emporrcmg. Eine solche Eifellcmdschaft vom Jahre 1875,
die in ihrer breiten, energischen Malweise, in ihrer saftigen, tiefen Färbung
der Hand und dem Auge eines hohen Sechzigers zu höchster Ehre gereicht, be¬
sitzt die Berliner Nationalgalerie. Ueber einer Bergwand, welche zur Rechten
des Beschauers steil emporsteigt, ziehen dunkle Gewitterwolken dahin, welche sich
eben über das Thal entladen haben. In ein Haus im Hindergrunde hat der
Blitz eingeschlagen, Flammen und Rauch kämpfen mit dem Regen und den auf¬
steigenden Wasserdämpfen, und vorn sieht man Landleute eine aufgeweichte
Straße hinab- und auf die Feuersbrunst zueilen. Von der ersten Periode
seines Schaffens hatte Lessing die Vorliebe für das Düstere und Tragische bei¬
behalten, die ihn auch sein ganzes Leben hindurch uicht verließ. Einmal stellte
er eine einsame Schlucht dar, in welcher kurz zuvor ein Kampf stattgefunden,
auf welchen die Leichen Erschlagener hindeuten; ein anderes Mal schuf er in
einer Waldpartie, welche ein furchtbarer Sturm heimgesucht , ein Bild unheim¬
licher Verwüstung. Auch zu mittelalterlicher Staffage kehrte er gelegentlich
wieder zurück, in der Absicht, die Stimmung dadurch zu verstärken. Die „Land¬
schaft mit der Brandstätte" (1835) — auf einem Berge sieht man ein durch
Brand zerstörtes Haus, daneben liegt ein getödteter Mann und seine Waffen —,
die „Tausendjährige Eiche" (1837) mit einem davor knieenden Ritter und seiner
Frau, „Die Waldlandschaft mit einem schlafenden Kreuzritter" (1839), alle drei
im Städtischen Museum in Frankfurt am Main, ferner die Landschaft mit dem
brennenden Kloster (1846, in der Liechtenstein'schen Galerie in Wien) sind
charakteristische Beispiele für seine Neigung, die Landschaft zum Schauplatze
ungewöhnlicher oder gar zum Nachdenken reizender, geheimnißvoller Vorgänge
zu machen. Diese Neigung ist ans Engen Bracht in Karlsruhe übergegangen,
welcher sich unter Lessings Einfluß gebildet hat.

Bevor wir unsere Betrachtungen über Lessing als Landschaftsmaler ab¬
schließen und uns zum Historienmaler wenden, dessen Ruhm größer ist als der
des Landschaftsmalers, wenn auch vielleicht nicht so dauerhaft wie jener, ist ans
seinem äußeren Lebensgange nachzuholen, daß er 1833 sein Militärjahr bei deu
Ulanen addierte. Wir erwähnen dieses an sich geringfügigen Umstandes des¬
halb, weil seine Dienstzeit ebenfalls uicht ohne Einfluß auf seine künstlerische
Entwicklung geblieben ist. Ein so reicher, vielseitiger Geist wußte selbst aus
einem, für einen Künstler doppelt unbequemen Zwischenfall, der seine Studien
mitten im schönsten Flusse unterbrach, Gewinn zu ziehen. Lessing bildete sich
während dieses Jahres zu einem passionirten Reiter heraus, und er blieb dieser
Passion ebenso wie der Jagd sein Leben lang treu. Beide Neigungen haben
sicherlich dazu beigetragen, die Entwicklung seines Geistes, dessen frühe Reife
sonst zu Bedenken Anlaß gegeben Hütte, normal zu fördern und Geist und


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/519>, abgerufen am 22.07.2024.