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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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die Generalprocuratoren bei den Appellhöfen erging, machte diesem Mißbrauch
ein Ende, in dem es anordnete, daß denjenigen Geistlichen, welche von staatlich
nicht bestätigten Bischöfen angestellt worden, die Temporalien zu versagen seien.

Dieses Mittel erwies sich sogleich als wirksam. Hatte der Papst die wider¬
spenstigen Bischöfe aus eigener Tasche subventioniren können, so reichten seine
Mittel doch nicht aus, um außerdem ein ganzes Heer von Pfarrgeistlichen zu
besolden. Diese bestürmten daher die Curie, mildere Saiten aufzuziehen, und
Pius IX. ließ sich endlich herbei, für das Erbieten des Exequatur von Seiten
der Bischöfe das tolsiAri. xosso auszusprechen. Die meisten Bischöfe machten
von dieser Erlaubniß Gebrauch, und das ordnungsmäßige Nachsuchen des Exe¬
quatur in den durch das königliche Decret vom 25. Juni 1871 vorgeschriebenen
Formen ist seit jener Zeit in Italien zur Regel geworden.

In der großen Mehrzahl der Fülle konnte die Exequatur-Frage als hier¬
durch gelöst angesehen werden. Weitere Schwierigkeiten ergaben sich aber hin¬
sichtlich der Bischofssitze königlichen Patronats, für welche, wie schon erwähnt,
das königliche Ernennuugsrecht ausdrücklich vorbehalten geblieben war.

Die Berechtigung des Patrons zur Verleihung von Pfründen beruht auf
kanonischen Rechte und konnte daher vom Papste auch nach erfolgter Aufhebung
der ehemaligen Concordate nicht füglich bestritten werden. Dagegen wurde von
Seiten der Curie dem Könige von Italien das Patronatsrecht als solches abge¬
sprochen. Nicht ihm, so argumentirte man, stehe dieses Recht zu, sondern höch¬
stens den depossedirten Landesfürsten, insbesondere dem Könige Franz von
Neapel, in dessen ehemaligem Königreiche sich allein etwa vierzig Bisthümer
königlichen Patronats befanden. Da die legitimen Landesherren, behauptete
man weiter, an der Ausübung ihrer Rechte verhindert seien, so sei der Papst
berufen, an ihre Stelle zu treten. Hierauf gestützt ignorirte die Curie die ent¬
gegenstehende Bestimmung des Garantie-Gesetzes und besetzte alle erledigten
Bisthümer, gleichviel ob sie königlichen Patronats waren oder nicht.

Um einem Conflict über die Frage in Betreff ihrer Succesfions-Ansprüche
auszuweichen, hatte die italienische Regierung diese flagrante Rechtsverletzung
längere Zeit hindurch schweigend hingenommen, und unter den 41 ohne Exe¬
quatur fungirenden Bischöfen befanden sich bis 1876 fünfzehn Inhaber könig¬
licher Patronatsstellen. Als aber in Folge des Mancinischen Rundschreibens
auch diese letzteren um Ertheilung des Exequatur zu bitten anfingen, ließ sich
die Erörterung der Rechtsfrage nicht länger umgehen, und die Regierung fand
sich bewogen, ablehnend zu antworten, weil die Ernennung der Antragsteller
vom Papste anstatt vom Könige erfolgt sei, folglich gesetzlich keine Geltung
haben könne. Indeß wurde den Bischöfen anheimgegeben, die königliche Er¬
nennung nachträglich im Gnadenwege nachzusuchen.


die Generalprocuratoren bei den Appellhöfen erging, machte diesem Mißbrauch
ein Ende, in dem es anordnete, daß denjenigen Geistlichen, welche von staatlich
nicht bestätigten Bischöfen angestellt worden, die Temporalien zu versagen seien.

Dieses Mittel erwies sich sogleich als wirksam. Hatte der Papst die wider¬
spenstigen Bischöfe aus eigener Tasche subventioniren können, so reichten seine
Mittel doch nicht aus, um außerdem ein ganzes Heer von Pfarrgeistlichen zu
besolden. Diese bestürmten daher die Curie, mildere Saiten aufzuziehen, und
Pius IX. ließ sich endlich herbei, für das Erbieten des Exequatur von Seiten
der Bischöfe das tolsiAri. xosso auszusprechen. Die meisten Bischöfe machten
von dieser Erlaubniß Gebrauch, und das ordnungsmäßige Nachsuchen des Exe¬
quatur in den durch das königliche Decret vom 25. Juni 1871 vorgeschriebenen
Formen ist seit jener Zeit in Italien zur Regel geworden.

In der großen Mehrzahl der Fülle konnte die Exequatur-Frage als hier¬
durch gelöst angesehen werden. Weitere Schwierigkeiten ergaben sich aber hin¬
sichtlich der Bischofssitze königlichen Patronats, für welche, wie schon erwähnt,
das königliche Ernennuugsrecht ausdrücklich vorbehalten geblieben war.

Die Berechtigung des Patrons zur Verleihung von Pfründen beruht auf
kanonischen Rechte und konnte daher vom Papste auch nach erfolgter Aufhebung
der ehemaligen Concordate nicht füglich bestritten werden. Dagegen wurde von
Seiten der Curie dem Könige von Italien das Patronatsrecht als solches abge¬
sprochen. Nicht ihm, so argumentirte man, stehe dieses Recht zu, sondern höch¬
stens den depossedirten Landesfürsten, insbesondere dem Könige Franz von
Neapel, in dessen ehemaligem Königreiche sich allein etwa vierzig Bisthümer
königlichen Patronats befanden. Da die legitimen Landesherren, behauptete
man weiter, an der Ausübung ihrer Rechte verhindert seien, so sei der Papst
berufen, an ihre Stelle zu treten. Hierauf gestützt ignorirte die Curie die ent¬
gegenstehende Bestimmung des Garantie-Gesetzes und besetzte alle erledigten
Bisthümer, gleichviel ob sie königlichen Patronats waren oder nicht.

Um einem Conflict über die Frage in Betreff ihrer Succesfions-Ansprüche
auszuweichen, hatte die italienische Regierung diese flagrante Rechtsverletzung
längere Zeit hindurch schweigend hingenommen, und unter den 41 ohne Exe¬
quatur fungirenden Bischöfen befanden sich bis 1876 fünfzehn Inhaber könig¬
licher Patronatsstellen. Als aber in Folge des Mancinischen Rundschreibens
auch diese letzteren um Ertheilung des Exequatur zu bitten anfingen, ließ sich
die Erörterung der Rechtsfrage nicht länger umgehen, und die Regierung fand
sich bewogen, ablehnend zu antworten, weil die Ernennung der Antragsteller
vom Papste anstatt vom Könige erfolgt sei, folglich gesetzlich keine Geltung
haben könne. Indeß wurde den Bischöfen anheimgegeben, die königliche Er¬
nennung nachträglich im Gnadenwege nachzusuchen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/451>, abgerufen am 22.07.2024.