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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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Da der Papst dem neuen Königreiche Italien consequent seine Anerkennung
versagte und den König Victor Emanuel nur im ehemaligen Königreiche Sar¬
dinien, sowie allenfalls in den durch förmliche Friedensverträge erworbenen,
vormals der österreichischen Krone gehörigen Gebieten, also in der Lombardei
und Venetien, als rechtmäßigen Landesherrn gelten lassen will, so wurden die
neuen gesetzlichen Bestimmungen von Seiten der Curie nur als für das nörd¬
liche Italien bindend betrachtet. In den Provinzen der Mitte und des Südens
machte der Papst zwar von dem vom Staate aufgegebenen Rechte zur Ernen¬
nung von Bischöfen in ausgiebigster Weise Gebrauch, verbot aber den von ihm
ernannten das königliche Exequatur nachzusuchen, und zog vor, dieselben für
den Ausfall an Temporalien durch Subventionen aus eigenen Mitteln -- 4 bis
6000 Lire -- zu entschädigen. Die Zahl der ohne staatliche Anerkennung fun-
girenden Bischöfe war auf diese Weise bis zu Anfang des Jahres 1876 auf
41 angewachsen; ein Widerspruch der Staatsregierung gegen jenes Verfahren
und diesen Zustand war aber hauptfächlich aus dem Grunde nicht erhoben worden,
weil die damals am Ruder befindliche Rechte der Ansicht war, daß das staat¬
liche Exequatur nur auf Gewährung der Temporalien zu beziehen sei, mithin
kein Anlaß zum Einschreiten vorliege, so lange die Bischöfe dem Staate gegen¬
über freiwillig auf ihre Einkünfte verzichteten.

Die im März 1876 ans Ruder gelangten Staatsmänner der Linken waren
aber anderer Meinung. Sie hatten den Passus im Artikel 6 des Garantie-
Gesetzes: riraanAanv soAZM sxsczMtur o xlaest rsZio Ali alti äslls
^.utorits. eoelösi^stieds eilf riAUMÜano ig, ässtinations asi dsui seolssiastioi
s 1a xrovvista Zsi ZMsL^i wÄMvri s winori immer dahin interpretirt, daß
es in dieser Hinsicht beim Alten verbleiben solle, und daß folglich von
der Erlangung des staatlichen Exequatur nicht nur der Genuß der Temporalien,
sondern auch, wie ehedem, das Recht zur Ausübung des bischöflichen Amtes
abhänge. Sie sahen daher in dem Fungiren zahlreicher von der Regierung
nicht anerkannter Bischöfe eine unzulässige Gesetzwidrigkeit. Die Consequenz
dieser Auffassung würde nun gewesen sein, jene 41 zu Unrecht amtirenden Prä¬
laten einfach an der weiteren Ausübung bischöflicher Functionen zu verhindern.
Da man dazu aber nicht den Muth besaß, so sann die neue Regierung auf
Mittel und Wege, dem Gesetze auf indirecte Weise Gehorsam zu erzwingen, und
in der That war bald ein solcher Weg gefunden.

Bekanntlich steht den Bischöfen der katholischen Kirche das Recht zu, einen
großen Theil der Geistlichen ihres Sprengels anzustellen. Die Verwaltung der
Rechten hatte die Ausübung dieser Befugniß auch solchen Bischöfen gestattet,
welche ihre Stellen ohne staatliches Exequatur inne hatten. Ein Rundschreiben
des damaligen Justizministers Mancini aber, das unterm 2. October 1876 an


Da der Papst dem neuen Königreiche Italien consequent seine Anerkennung
versagte und den König Victor Emanuel nur im ehemaligen Königreiche Sar¬
dinien, sowie allenfalls in den durch förmliche Friedensverträge erworbenen,
vormals der österreichischen Krone gehörigen Gebieten, also in der Lombardei
und Venetien, als rechtmäßigen Landesherrn gelten lassen will, so wurden die
neuen gesetzlichen Bestimmungen von Seiten der Curie nur als für das nörd¬
liche Italien bindend betrachtet. In den Provinzen der Mitte und des Südens
machte der Papst zwar von dem vom Staate aufgegebenen Rechte zur Ernen¬
nung von Bischöfen in ausgiebigster Weise Gebrauch, verbot aber den von ihm
ernannten das königliche Exequatur nachzusuchen, und zog vor, dieselben für
den Ausfall an Temporalien durch Subventionen aus eigenen Mitteln — 4 bis
6000 Lire — zu entschädigen. Die Zahl der ohne staatliche Anerkennung fun-
girenden Bischöfe war auf diese Weise bis zu Anfang des Jahres 1876 auf
41 angewachsen; ein Widerspruch der Staatsregierung gegen jenes Verfahren
und diesen Zustand war aber hauptfächlich aus dem Grunde nicht erhoben worden,
weil die damals am Ruder befindliche Rechte der Ansicht war, daß das staat¬
liche Exequatur nur auf Gewährung der Temporalien zu beziehen sei, mithin
kein Anlaß zum Einschreiten vorliege, so lange die Bischöfe dem Staate gegen¬
über freiwillig auf ihre Einkünfte verzichteten.

Die im März 1876 ans Ruder gelangten Staatsmänner der Linken waren
aber anderer Meinung. Sie hatten den Passus im Artikel 6 des Garantie-
Gesetzes: riraanAanv soAZM sxsczMtur o xlaest rsZio Ali alti äslls
^.utorits. eoelösi^stieds eilf riAUMÜano ig, ässtinations asi dsui seolssiastioi
s 1a xrovvista Zsi ZMsL^i wÄMvri s winori immer dahin interpretirt, daß
es in dieser Hinsicht beim Alten verbleiben solle, und daß folglich von
der Erlangung des staatlichen Exequatur nicht nur der Genuß der Temporalien,
sondern auch, wie ehedem, das Recht zur Ausübung des bischöflichen Amtes
abhänge. Sie sahen daher in dem Fungiren zahlreicher von der Regierung
nicht anerkannter Bischöfe eine unzulässige Gesetzwidrigkeit. Die Consequenz
dieser Auffassung würde nun gewesen sein, jene 41 zu Unrecht amtirenden Prä¬
laten einfach an der weiteren Ausübung bischöflicher Functionen zu verhindern.
Da man dazu aber nicht den Muth besaß, so sann die neue Regierung auf
Mittel und Wege, dem Gesetze auf indirecte Weise Gehorsam zu erzwingen, und
in der That war bald ein solcher Weg gefunden.

Bekanntlich steht den Bischöfen der katholischen Kirche das Recht zu, einen
großen Theil der Geistlichen ihres Sprengels anzustellen. Die Verwaltung der
Rechten hatte die Ausübung dieser Befugniß auch solchen Bischöfen gestattet,
welche ihre Stellen ohne staatliches Exequatur inne hatten. Ein Rundschreiben
des damaligen Justizministers Mancini aber, das unterm 2. October 1876 an


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[0450] Da der Papst dem neuen Königreiche Italien consequent seine Anerkennung versagte und den König Victor Emanuel nur im ehemaligen Königreiche Sar¬ dinien, sowie allenfalls in den durch förmliche Friedensverträge erworbenen, vormals der österreichischen Krone gehörigen Gebieten, also in der Lombardei und Venetien, als rechtmäßigen Landesherrn gelten lassen will, so wurden die neuen gesetzlichen Bestimmungen von Seiten der Curie nur als für das nörd¬ liche Italien bindend betrachtet. In den Provinzen der Mitte und des Südens machte der Papst zwar von dem vom Staate aufgegebenen Rechte zur Ernen¬ nung von Bischöfen in ausgiebigster Weise Gebrauch, verbot aber den von ihm ernannten das königliche Exequatur nachzusuchen, und zog vor, dieselben für den Ausfall an Temporalien durch Subventionen aus eigenen Mitteln — 4 bis 6000 Lire — zu entschädigen. Die Zahl der ohne staatliche Anerkennung fun- girenden Bischöfe war auf diese Weise bis zu Anfang des Jahres 1876 auf 41 angewachsen; ein Widerspruch der Staatsregierung gegen jenes Verfahren und diesen Zustand war aber hauptfächlich aus dem Grunde nicht erhoben worden, weil die damals am Ruder befindliche Rechte der Ansicht war, daß das staat¬ liche Exequatur nur auf Gewährung der Temporalien zu beziehen sei, mithin kein Anlaß zum Einschreiten vorliege, so lange die Bischöfe dem Staate gegen¬ über freiwillig auf ihre Einkünfte verzichteten. Die im März 1876 ans Ruder gelangten Staatsmänner der Linken waren aber anderer Meinung. Sie hatten den Passus im Artikel 6 des Garantie- Gesetzes: riraanAanv soAZM sxsczMtur o xlaest rsZio Ali alti äslls ^.utorits. eoelösi^stieds eilf riAUMÜano ig, ässtinations asi dsui seolssiastioi s 1a xrovvista Zsi ZMsL^i wÄMvri s winori immer dahin interpretirt, daß es in dieser Hinsicht beim Alten verbleiben solle, und daß folglich von der Erlangung des staatlichen Exequatur nicht nur der Genuß der Temporalien, sondern auch, wie ehedem, das Recht zur Ausübung des bischöflichen Amtes abhänge. Sie sahen daher in dem Fungiren zahlreicher von der Regierung nicht anerkannter Bischöfe eine unzulässige Gesetzwidrigkeit. Die Consequenz dieser Auffassung würde nun gewesen sein, jene 41 zu Unrecht amtirenden Prä¬ laten einfach an der weiteren Ausübung bischöflicher Functionen zu verhindern. Da man dazu aber nicht den Muth besaß, so sann die neue Regierung auf Mittel und Wege, dem Gesetze auf indirecte Weise Gehorsam zu erzwingen, und in der That war bald ein solcher Weg gefunden. Bekanntlich steht den Bischöfen der katholischen Kirche das Recht zu, einen großen Theil der Geistlichen ihres Sprengels anzustellen. Die Verwaltung der Rechten hatte die Ausübung dieser Befugniß auch solchen Bischöfen gestattet, welche ihre Stellen ohne staatliches Exequatur inne hatten. Ein Rundschreiben des damaligen Justizministers Mancini aber, das unterm 2. October 1876 an

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/450>, abgerufen am 22.07.2024.