Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.anderen wegen seiner trefflichen Arbeiten zur Geschichte des Buchhandels, "Ehren Immerhin bleibt es ja nun auffällig, wie die genannte Facultät einem Schrift¬ anderen wegen seiner trefflichen Arbeiten zur Geschichte des Buchhandels, „Ehren Immerhin bleibt es ja nun auffällig, wie die genannte Facultät einem Schrift¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0439" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/146944"/> <p xml:id="ID_1274" prev="#ID_1273"> anderen wegen seiner trefflichen Arbeiten zur Geschichte des Buchhandels, „Ehren<lb/> halber", wie es dann heißt, Iionoris vausg,, die Doctorwürde „verliehen". Wieder<lb/> ist es die Reclame gewesen, die dafür gesorgt hat, daß über Herrn Reißmanns<lb/> Doctorat von Anfang an dieses Mißverständniß genährt wurde. Als 1875 das<lb/> große Ereigniß sich vollzogen hatte, wurden sofort alle Musikzeitungen mit Nach¬<lb/> richten darüber versorgt. Aber nur die „Neue Berliner Musikzeitung" meldete<lb/> simpel und correct (1875, S, 230): „Dem Musikschriftsteller und Komponisten Herrn<lb/> A. R. ist von der Leipziger Universität das Doctordiplom ertheilt worden". Schon<lb/> das „Musikalische Wochenblatt" (1875, S. 374) und die „Allgemeine deutsche<lb/> Musikzeitung" (1875, S. 259) färbten den Bericht zu Gunsten des willkommenen<lb/> Mißverständnisses, indem sie übereinstimmend berichteten: „Herr A, R. ist, anläßlich<lb/> seiner Verdienste um die Musikforschung, seitens der Universität Leipzig zum Dr.<lb/> MI. ernannt worden", und das „Echo" setzte (1875, S. 322) geradezu die unver¬<lb/> schämte Lüge in die Welt: „Die philosophische Facultät der Universität zu Leipzig<lb/> hat dem verdienstvollen Komponisten, Theoretiker und Musikschriftsteller A. R. in<lb/> Berlin Ehren halber (!) den Doctortitcl zuerkannt". In Wahrheit hat sich Herr<lb/> Reißmann noch als 50 jähriger Mann, nachdem er sich schon lange Zeit mit diesem<lb/> Vorsatze getragen, von verzehrender Eitelkeit getrieben, bei der Universität Leipzig<lb/> um den Doctortitcl beworben, indem er zugleich einen Theil der von ihm im<lb/> Druck veröffentlichten Schriften an die Facultät einsandte, hat sich also auf dem<lb/> ganz gewöhnlichen Wege, den jeder 22 jährige Student am Schlüsse seiner akade¬<lb/> mischen Studien einschlägt, seinen Titel „erworben". Von „Verleihen", vollends von<lb/> „Verleihen Iwnorls o-ass," um irgend welcher „Verdienste" willen kann nicht die<lb/> Rede sein.</p><lb/> <p xml:id="ID_1275" next="#ID_1276"> Immerhin bleibt es ja nun auffällig, wie die genannte Facultät einem Schrift¬<lb/> steller von den Qualitäten des Herrn Reißmann ein Doctordiplom hat ausstellen<lb/> können. Die Sache wird jedoch erklärlich, wenn man folgendes erwägt. Die große,<lb/> berühmte Leipziger Universität, die nach allen Seiten hin aufs glänzendste ausgestattet<lb/> ist, besitzt thatsächlich keinen Docenten, der befähigt wäre, über musikwissenschaftliche<lb/> Leistungen ein sachverständiges Urtheil abzugeben. Allerdings ist Herr Dr. Oscar<lb/> Paul, der oben erwähnte Redacteur der „Musikalischen Abtheilung" des Leipziger<lb/> Tageblattes, auch als Docent für Musikwissenschaft an der Leipziger Universität<lb/> habilitirt, und er ist es natürlich gewesen, der, in Ermanglung einer anderen<lb/> Kraft, damals das entscheidende Gutachten über die Reißmannschen Bücher abzu¬<lb/> geben gehabt hat. Was aber auf die wissenschaftlichen Gutachten dieses Herrn zu<lb/> geben ist, davou hat die Leipziger Universität sehr bald darauf sich schmerzlich zu<lb/> überzeugen Gelegenheit gehabt. Als vor drei Jahren ein junger Gelehrter eine<lb/> musikwissenschaftliche Doctordissertation bei der Facultät einreichte, wurde die Appro¬<lb/> bation derselben, auf das Gutachten des Herrn Dr. Oscar Paul hin, beanstandet.<lb/> Die Dissertation Wandertc darauf unverändert (!) nach Göttingen zu Krüger, und<lb/> siehe da, dort wurde sie für tüchtig befunden, und der Betreffende bestand sein Examen.<lb/> Einige Zeit darauf reichte derselbe junge Gelehrte eine umfängliche wissenschaftliche</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0439]
anderen wegen seiner trefflichen Arbeiten zur Geschichte des Buchhandels, „Ehren
halber", wie es dann heißt, Iionoris vausg,, die Doctorwürde „verliehen". Wieder
ist es die Reclame gewesen, die dafür gesorgt hat, daß über Herrn Reißmanns
Doctorat von Anfang an dieses Mißverständniß genährt wurde. Als 1875 das
große Ereigniß sich vollzogen hatte, wurden sofort alle Musikzeitungen mit Nach¬
richten darüber versorgt. Aber nur die „Neue Berliner Musikzeitung" meldete
simpel und correct (1875, S, 230): „Dem Musikschriftsteller und Komponisten Herrn
A. R. ist von der Leipziger Universität das Doctordiplom ertheilt worden". Schon
das „Musikalische Wochenblatt" (1875, S. 374) und die „Allgemeine deutsche
Musikzeitung" (1875, S. 259) färbten den Bericht zu Gunsten des willkommenen
Mißverständnisses, indem sie übereinstimmend berichteten: „Herr A, R. ist, anläßlich
seiner Verdienste um die Musikforschung, seitens der Universität Leipzig zum Dr.
MI. ernannt worden", und das „Echo" setzte (1875, S. 322) geradezu die unver¬
schämte Lüge in die Welt: „Die philosophische Facultät der Universität zu Leipzig
hat dem verdienstvollen Komponisten, Theoretiker und Musikschriftsteller A. R. in
Berlin Ehren halber (!) den Doctortitcl zuerkannt". In Wahrheit hat sich Herr
Reißmann noch als 50 jähriger Mann, nachdem er sich schon lange Zeit mit diesem
Vorsatze getragen, von verzehrender Eitelkeit getrieben, bei der Universität Leipzig
um den Doctortitcl beworben, indem er zugleich einen Theil der von ihm im
Druck veröffentlichten Schriften an die Facultät einsandte, hat sich also auf dem
ganz gewöhnlichen Wege, den jeder 22 jährige Student am Schlüsse seiner akade¬
mischen Studien einschlägt, seinen Titel „erworben". Von „Verleihen", vollends von
„Verleihen Iwnorls o-ass," um irgend welcher „Verdienste" willen kann nicht die
Rede sein.
Immerhin bleibt es ja nun auffällig, wie die genannte Facultät einem Schrift¬
steller von den Qualitäten des Herrn Reißmann ein Doctordiplom hat ausstellen
können. Die Sache wird jedoch erklärlich, wenn man folgendes erwägt. Die große,
berühmte Leipziger Universität, die nach allen Seiten hin aufs glänzendste ausgestattet
ist, besitzt thatsächlich keinen Docenten, der befähigt wäre, über musikwissenschaftliche
Leistungen ein sachverständiges Urtheil abzugeben. Allerdings ist Herr Dr. Oscar
Paul, der oben erwähnte Redacteur der „Musikalischen Abtheilung" des Leipziger
Tageblattes, auch als Docent für Musikwissenschaft an der Leipziger Universität
habilitirt, und er ist es natürlich gewesen, der, in Ermanglung einer anderen
Kraft, damals das entscheidende Gutachten über die Reißmannschen Bücher abzu¬
geben gehabt hat. Was aber auf die wissenschaftlichen Gutachten dieses Herrn zu
geben ist, davou hat die Leipziger Universität sehr bald darauf sich schmerzlich zu
überzeugen Gelegenheit gehabt. Als vor drei Jahren ein junger Gelehrter eine
musikwissenschaftliche Doctordissertation bei der Facultät einreichte, wurde die Appro¬
bation derselben, auf das Gutachten des Herrn Dr. Oscar Paul hin, beanstandet.
Die Dissertation Wandertc darauf unverändert (!) nach Göttingen zu Krüger, und
siehe da, dort wurde sie für tüchtig befunden, und der Betreffende bestand sein Examen.
Einige Zeit darauf reichte derselbe junge Gelehrte eine umfängliche wissenschaftliche
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