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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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vorhanden, aber sie konnten nicht zur Geltung kommen nnter der Herrschaft gewissen¬
loser Intriganten, kläglicher Mittelmäßigkeiten und eitler Genußmenschen. Immer
mehr dehnten diese ihre Gewalt aus: bald fielen die letzten Männer, welche die
würdigen Gehilfen und Mitarbeiter des großen Friedrich gewesen waren." Mit
diesen Worten schließt Philippson den ersten Band seiner "Geschichte des Preußischen
Staatswesens vom Tode Friedrichs des Großen bis zu den Freiheitskriegen".

Schon deshalb, weil es der erste Versuch ist, einen allzulange vernachlässigten
Zeitraum von neuem zu durchforschen, verdient die vorliegende Arbeit Philippsons
entschiedene Anerkennung. Sie verdient aber auch Lob als eine tüchtige und fleißige
Arbeit, die mit Hilfe eines reichen gedruckten Quellenmaterials und einer Fülle
bisher unveröffentlichter Papiere des geheimen Staatsarchivs und des königlichen
Hausarchivs nicht nur bisher Vermuthetes zur Gewißheit erhebt, sondern auch
vielfach, wie namentlich bei den Beziehungen Friedrich Wilhelms zu den Rosen¬
kreuzern, Neues bringt. Dabei ist hervorzuheben, daß Philippson in seiner Forschung
besonnen und unparteiisch verfährt, ohne doch seinen persönlichen Standpunkt, seine
Anschauungen und Meinungen zu verleugnen. Alles in Allem, hat der Verfasser
mit diesem ersten Bande seines Werkes einen höchst dankenswerthen Beitrag zur
Preußischen Geschichte geliefert, so daß wir der Fortsetzung desselben mit Spannung
entgegensehen.




Paul de Musset f.

Es ist keiner der glänzendsten Schriftsteller Frankreichs, aber einer der liebens¬
würdigsten, welchen der Tod am zweiten Pfingsttage dieses Jahres hingerafft hat.
Paul de Musset hat ein ziemlich hohes Alter erreicht, denn er war einige Wochen
vor der Krönung Napoleons I. in Paris geboren (am 9. November 1804). Er
gehört zu den fruchtbaren Schriftstellern. Am ausgezeichnetsten ist er im allge¬
meinen dort, wo er, Wie in den OrlAlnaux an XVII. Sisels und in den k'swwes
ac 1" RvAMvö historische Stoffe mit ebenso viel wissenschaftlicher Gründlichkeit als
poetischer Darstellungskraft behandelt. Aber obwohl er in der Fähigkeit, eine breit
angelegte Dichtung durchzuführen, und in der Sicherheit der Charakterzeichnung
seinem berühmten Bruder weit überlegen ist, so ist er doch einerseits von Roman¬
schriftstellern und Novellisten wie Merimee, Souvestre, Balzac, Töpfer und andern
in den Schatten gestellt worden und hat andererseits auch durch das überstrahlende
Licht seines genialen Bruders, der als Lyriker die Herzen unmittelbarer ergreift, eine
gewisse Verdunklung erleiden müssen. Dennoch verdient er es, nicht ungefeiert in
das Schattenreich hinabzugehen; er ist vor vielen würdig, von der Nachwelt geliebt
zu werden. Zeigt schon der Dichter der "Nächte", wie thöricht es ist, nur den


vorhanden, aber sie konnten nicht zur Geltung kommen nnter der Herrschaft gewissen¬
loser Intriganten, kläglicher Mittelmäßigkeiten und eitler Genußmenschen. Immer
mehr dehnten diese ihre Gewalt aus: bald fielen die letzten Männer, welche die
würdigen Gehilfen und Mitarbeiter des großen Friedrich gewesen waren." Mit
diesen Worten schließt Philippson den ersten Band seiner „Geschichte des Preußischen
Staatswesens vom Tode Friedrichs des Großen bis zu den Freiheitskriegen".

Schon deshalb, weil es der erste Versuch ist, einen allzulange vernachlässigten
Zeitraum von neuem zu durchforschen, verdient die vorliegende Arbeit Philippsons
entschiedene Anerkennung. Sie verdient aber auch Lob als eine tüchtige und fleißige
Arbeit, die mit Hilfe eines reichen gedruckten Quellenmaterials und einer Fülle
bisher unveröffentlichter Papiere des geheimen Staatsarchivs und des königlichen
Hausarchivs nicht nur bisher Vermuthetes zur Gewißheit erhebt, sondern auch
vielfach, wie namentlich bei den Beziehungen Friedrich Wilhelms zu den Rosen¬
kreuzern, Neues bringt. Dabei ist hervorzuheben, daß Philippson in seiner Forschung
besonnen und unparteiisch verfährt, ohne doch seinen persönlichen Standpunkt, seine
Anschauungen und Meinungen zu verleugnen. Alles in Allem, hat der Verfasser
mit diesem ersten Bande seines Werkes einen höchst dankenswerthen Beitrag zur
Preußischen Geschichte geliefert, so daß wir der Fortsetzung desselben mit Spannung
entgegensehen.




Paul de Musset f.

Es ist keiner der glänzendsten Schriftsteller Frankreichs, aber einer der liebens¬
würdigsten, welchen der Tod am zweiten Pfingsttage dieses Jahres hingerafft hat.
Paul de Musset hat ein ziemlich hohes Alter erreicht, denn er war einige Wochen
vor der Krönung Napoleons I. in Paris geboren (am 9. November 1804). Er
gehört zu den fruchtbaren Schriftstellern. Am ausgezeichnetsten ist er im allge¬
meinen dort, wo er, Wie in den OrlAlnaux an XVII. Sisels und in den k'swwes
ac 1» RvAMvö historische Stoffe mit ebenso viel wissenschaftlicher Gründlichkeit als
poetischer Darstellungskraft behandelt. Aber obwohl er in der Fähigkeit, eine breit
angelegte Dichtung durchzuführen, und in der Sicherheit der Charakterzeichnung
seinem berühmten Bruder weit überlegen ist, so ist er doch einerseits von Roman¬
schriftstellern und Novellisten wie Merimee, Souvestre, Balzac, Töpfer und andern
in den Schatten gestellt worden und hat andererseits auch durch das überstrahlende
Licht seines genialen Bruders, der als Lyriker die Herzen unmittelbarer ergreift, eine
gewisse Verdunklung erleiden müssen. Dennoch verdient er es, nicht ungefeiert in
das Schattenreich hinabzugehen; er ist vor vielen würdig, von der Nachwelt geliebt
zu werden. Zeigt schon der Dichter der „Nächte", wie thöricht es ist, nur den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/428>, abgerufen am 22.07.2024.