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Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal.

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dischen Forderungen, welche die Jnselheimath angehen, sämmtliche Bewohner
Irlands wie Geschwister denken und fühlen."

Diesen Verhältnissen standen die Tories bisher ablehnend gegenüber. Die
Whigs haben an Versprechungen viel, an Thaten wenig geleistet. Bright machte
1868 den wunderlichen Vorschlag, alle irischen Grundherrschaften, die sich im
Besitze von Engländern befänden, in die Hände der Krone zu bringen, die dann
die Ackerloose nach indischem Herkommen verpachten solle. Ein solcher Gedanke
ist geradezu abenteuerlich; denn da es sich um 11 bis 12 Millionen Pfd. Se.
jährliche Einkünfte handelt, so würde durch Uebernahme einer derartigen Last
die britische Nationalschuld fast um die Hälfte vergrößert werden, ohne daß
der Pachtschilling der Iren sich verminderte. Auch gehörte selbst dann Irland
nicht den Iren, sondern dem britischen Staatsschatze, und welche Zwangsmittel
wollte man gegen Gemeinden zur Anwendung bringen, die mit ihrem Pacht im
Rückstände bleiben? Von einer Ausführung der Brightschen Phantasie ist daher,
als dieser mit Gladstone ans Nuder kam, nicht die Rede gewesen. Er war
eben als Minister ein anderer John Bright als der John Bright, welcher vor¬
her den Führer der radicalen Opposition gemacht hatte, und es wird ihm jetzt,
wo sich das Spiel wiederholt und der Parteimann wieder verantwortlicher
Mitregierer des Landes ist, ganz sicher ebenso ergehen.

Bei diesem Stande der Dinge wird die irische Frage noch lange auf ihre
Lösung zu warten haben. "Indeß sollte," wie Krummel meint und wir nicht
in Abrede stellen wollen, "unsere Zeit, welche die Theilung des österreichischen
Kaiserstaates erlebt hat, auch eine dualistische, wenn nicht eine völlige Lösung
Irlands von Großbritannien zu den Möglichkeiten zählen." Man darf dabei
nicht an eine Jnsurrection der Home-Ruler und ihrer Partei denken. Zwar
ist damit häufig gedroht worden, auch haben die Fenier Putsche der verschie¬
densten Art versucht. Aber alle solche Thorheiten haben kläglich geendigt, und
ähnliche Versuche -- zu anderen, ernsteren kann es nicht kommen -- würden
auch jetzt und in der nächsten Zukunft von den Briten rasch und ohne besonders
viel Aufwand von Geld und Blut niedergeschlagen werden. Eher wäre es
möglich, daß sich in England hinsichtlich der Iren allmählich eine Sinnes¬
änderung vollzöge, und zwar wird dies um so rascher eintreten, je mehr Boden
sich dort der demokratische Radicalismus, die amerikanische Art, über Staat
und Gesellschaft zu denken, erobert. "Nur die Gemeinsamkeit der Nationalschuld
und die gewaltige" Geldkasten, die aus einer Entschädigung der in Irland be¬
güterten englischen Grundbesitzer erwachsen würden, werden das Endergebniß
lange verzögern. Decimalzugeständnisse werden die Iren ganz sicherlich nicht
zum Verzicht auf ihre Hauptbeschwerde bestimmen, sondern nur zu lebhafterem
Fordern reizen." So weit stimmen wir ungefähr mit den Erwartungen der


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dischen Forderungen, welche die Jnselheimath angehen, sämmtliche Bewohner
Irlands wie Geschwister denken und fühlen."

Diesen Verhältnissen standen die Tories bisher ablehnend gegenüber. Die
Whigs haben an Versprechungen viel, an Thaten wenig geleistet. Bright machte
1868 den wunderlichen Vorschlag, alle irischen Grundherrschaften, die sich im
Besitze von Engländern befänden, in die Hände der Krone zu bringen, die dann
die Ackerloose nach indischem Herkommen verpachten solle. Ein solcher Gedanke
ist geradezu abenteuerlich; denn da es sich um 11 bis 12 Millionen Pfd. Se.
jährliche Einkünfte handelt, so würde durch Uebernahme einer derartigen Last
die britische Nationalschuld fast um die Hälfte vergrößert werden, ohne daß
der Pachtschilling der Iren sich verminderte. Auch gehörte selbst dann Irland
nicht den Iren, sondern dem britischen Staatsschatze, und welche Zwangsmittel
wollte man gegen Gemeinden zur Anwendung bringen, die mit ihrem Pacht im
Rückstände bleiben? Von einer Ausführung der Brightschen Phantasie ist daher,
als dieser mit Gladstone ans Nuder kam, nicht die Rede gewesen. Er war
eben als Minister ein anderer John Bright als der John Bright, welcher vor¬
her den Führer der radicalen Opposition gemacht hatte, und es wird ihm jetzt,
wo sich das Spiel wiederholt und der Parteimann wieder verantwortlicher
Mitregierer des Landes ist, ganz sicher ebenso ergehen.

Bei diesem Stande der Dinge wird die irische Frage noch lange auf ihre
Lösung zu warten haben. „Indeß sollte," wie Krummel meint und wir nicht
in Abrede stellen wollen, „unsere Zeit, welche die Theilung des österreichischen
Kaiserstaates erlebt hat, auch eine dualistische, wenn nicht eine völlige Lösung
Irlands von Großbritannien zu den Möglichkeiten zählen." Man darf dabei
nicht an eine Jnsurrection der Home-Ruler und ihrer Partei denken. Zwar
ist damit häufig gedroht worden, auch haben die Fenier Putsche der verschie¬
densten Art versucht. Aber alle solche Thorheiten haben kläglich geendigt, und
ähnliche Versuche — zu anderen, ernsteren kann es nicht kommen — würden
auch jetzt und in der nächsten Zukunft von den Briten rasch und ohne besonders
viel Aufwand von Geld und Blut niedergeschlagen werden. Eher wäre es
möglich, daß sich in England hinsichtlich der Iren allmählich eine Sinnes¬
änderung vollzöge, und zwar wird dies um so rascher eintreten, je mehr Boden
sich dort der demokratische Radicalismus, die amerikanische Art, über Staat
und Gesellschaft zu denken, erobert. „Nur die Gemeinsamkeit der Nationalschuld
und die gewaltige» Geldkasten, die aus einer Entschädigung der in Irland be¬
güterten englischen Grundbesitzer erwachsen würden, werden das Endergebniß
lange verzögern. Decimalzugeständnisse werden die Iren ganz sicherlich nicht
zum Verzicht auf ihre Hauptbeschwerde bestimmen, sondern nur zu lebhafterem
Fordern reizen." So weit stimmen wir ungefähr mit den Erwartungen der


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[0413] dischen Forderungen, welche die Jnselheimath angehen, sämmtliche Bewohner Irlands wie Geschwister denken und fühlen." Diesen Verhältnissen standen die Tories bisher ablehnend gegenüber. Die Whigs haben an Versprechungen viel, an Thaten wenig geleistet. Bright machte 1868 den wunderlichen Vorschlag, alle irischen Grundherrschaften, die sich im Besitze von Engländern befänden, in die Hände der Krone zu bringen, die dann die Ackerloose nach indischem Herkommen verpachten solle. Ein solcher Gedanke ist geradezu abenteuerlich; denn da es sich um 11 bis 12 Millionen Pfd. Se. jährliche Einkünfte handelt, so würde durch Uebernahme einer derartigen Last die britische Nationalschuld fast um die Hälfte vergrößert werden, ohne daß der Pachtschilling der Iren sich verminderte. Auch gehörte selbst dann Irland nicht den Iren, sondern dem britischen Staatsschatze, und welche Zwangsmittel wollte man gegen Gemeinden zur Anwendung bringen, die mit ihrem Pacht im Rückstände bleiben? Von einer Ausführung der Brightschen Phantasie ist daher, als dieser mit Gladstone ans Nuder kam, nicht die Rede gewesen. Er war eben als Minister ein anderer John Bright als der John Bright, welcher vor¬ her den Führer der radicalen Opposition gemacht hatte, und es wird ihm jetzt, wo sich das Spiel wiederholt und der Parteimann wieder verantwortlicher Mitregierer des Landes ist, ganz sicher ebenso ergehen. Bei diesem Stande der Dinge wird die irische Frage noch lange auf ihre Lösung zu warten haben. „Indeß sollte," wie Krummel meint und wir nicht in Abrede stellen wollen, „unsere Zeit, welche die Theilung des österreichischen Kaiserstaates erlebt hat, auch eine dualistische, wenn nicht eine völlige Lösung Irlands von Großbritannien zu den Möglichkeiten zählen." Man darf dabei nicht an eine Jnsurrection der Home-Ruler und ihrer Partei denken. Zwar ist damit häufig gedroht worden, auch haben die Fenier Putsche der verschie¬ densten Art versucht. Aber alle solche Thorheiten haben kläglich geendigt, und ähnliche Versuche — zu anderen, ernsteren kann es nicht kommen — würden auch jetzt und in der nächsten Zukunft von den Briten rasch und ohne besonders viel Aufwand von Geld und Blut niedergeschlagen werden. Eher wäre es möglich, daß sich in England hinsichtlich der Iren allmählich eine Sinnes¬ änderung vollzöge, und zwar wird dies um so rascher eintreten, je mehr Boden sich dort der demokratische Radicalismus, die amerikanische Art, über Staat und Gesellschaft zu denken, erobert. „Nur die Gemeinsamkeit der Nationalschuld und die gewaltige» Geldkasten, die aus einer Entschädigung der in Irland be¬ güterten englischen Grundbesitzer erwachsen würden, werden das Endergebniß lange verzögern. Decimalzugeständnisse werden die Iren ganz sicherlich nicht zum Verzicht auf ihre Hauptbeschwerde bestimmen, sondern nur zu lebhafterem Fordern reizen." So weit stimmen wir ungefähr mit den Erwartungen der KrenKbotm U. 1LS0. W

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 39, 1880, Zweites Quartal, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341831_157679/413>, abgerufen am 22.07.2024.